Kommentar
16:50 Uhr, 15.07.2021

Überbewertete Aktien: Ist das die neue Normalität an der Börse?

Warren Buffett sagt: Man soll verkaufen, wenn andere gierig sind. Bei der aktuell hohen Bewertung kann man von nichts anderem als Gier ausgehen. Nur: Der Markt will einfach nicht fallen. Ist das die neue Normalität ?

Die wenigsten Anleger empfinden den Markt als überbewertet. Anders lässt es sich nicht erklären, dass immer noch kräftig gekauft wird. Wer Aktien für überbewertet hält, kauft nicht, sondern wartet auf einen Rücksetzer. Genau das geschieht nicht, zumindest noch nicht. Jeder noch so kleine Rücksetzer wird wieder gekauft und endet mit neuen Allzeithochs. Überbewertung ist also nicht unbedingt ein objektiver Maßstab. Vielmehr ist es das, was die Mehrheit der Anleger für richtig hält. Legt man herkömmliche Maßstäbe an, ob KGV, Kurs-Buchwert-Verhältnis, Dividendenrendite usw. kann man den Markt nur für überbewertet halten. Die Erkenntnis bringt wenig, wenn sich niemand daran hält. Das ist eine der Fallen, in die Anleger gerne hineintappen. Sie haben das Gefühl, sie haben Recht und dass sich der Markt entsprechend bewegen muss. Muss er nicht. Der Markt kann länger irrational sein als man solvent ist. Der Markt mag heute überbewertet sein, aber das heißt nicht, dass er deswegen gleich morgen korrigiert.

Wenn die Korrektur kommt, dann vermutlich richtig. Eine Möglichkeit, die Überbewertung festzustellen, ist über das Marktwert-Substanzwert-Verhältnis (Tobin’s Q). Der Marktwert des Eigenkapitals (Marktkapitalisierung) wird dem Wert gegenübergestellt, der benötigt wird, um alle Assets des Unternehmens neu anzuschaffen.

Ein Wert von weniger als 1 bedeutet, dass man die Assets des Unternehmens günstiger an der Börse kaufen kann. Ein Wert von mehr als 1 bedeutet, dass man an der Börse mehr für die Assets zahlt, als sie eigentlich wert sind. Theoretisch könnte man die gleichen Fabriken und Verkaufsräume günstiger ein zweites Mal aufbauen.

Das Verhältnis bewegt sich derzeit deutlich über 1. Es wurde gerade ein neuer Rekordwert erreicht. Kritiker bemängeln, dass die Rechnung z.B. geistiges Eigentum und Markenwerte beinhaltet. Das kann man bis zu einem gewissen Grad korrigieren. Grafik 1 zeigt die originale Berechnung und eine adjustierte (um geistiges Eigentum korrigierte Rechnung). Die adjustierte Version zeigt einen tieferen Wert. Mit 1,62 ist das Verhältnis aber immer noch viel zu hoch.


Man kann argumentieren, wie man will, der Markt bleibt überdurchschnittlich hoch bewertet. Das wird sich negativ auf die zukünftige Rendite auswirken. Tobin’s Q geht der Rendite des Aktienmarktes um ca. 10 Jahre voraus (Grafik 2). Eigentlich sollte die Rendite nun sinken. Stattdessen steigt sie. Das gab es schon einmal vor 20 Jahren. Die Divergenz baute sich über mehrere Jahre auf.

Würde sich die Geschichte von damals wiederholen, kann der Markt noch zwei Jahre lang steigen, bevor Anleger mit zurückgehenden Renditen rechnen müssen. Das bedeutet nicht, dass eine neue Zeitrechnung beginnt und Überbewertung zur neuen Normalität wird. Es dauert nur manchmal etwas länger, bis sich die Dinge tatsächlich normalisieren.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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