Kommentar
09:27 Uhr, 11.05.2023

Trotz wie erwarteter US-Inflationsdaten schießen S&P500 und Nasdaq nach oben – Wie geht es weiter bei S&P500, Nasdaq und DAX, Euro-Dollar, Öl und Gold?

Nachdem die US-Indizes nach der Vorlage der Inflationsdaten die anfänglichen Kursgewinne schnell abgegeben hatten, bekamen die Märkte aufgrund einer anderen Nachricht Rückenwind. Zudem schürte Alphabet auf der Entwicklerkonferenz KI-Fantasie.

Auf einer kleinen Berg- und Talfahrt waren am gestrigen Mittwoch S&P 500 (4.149,551  0,24 %), Nasdaq Composite (12.306,44  1,04 %) und L&S DAX (15.940,79  0,28 %). Dabei waren die Indizes nach der Veröffentlichung der US-Inflationsdaten um 14.30 Uhr anfänglich nach oben geschossen.

Dabei waren die Inflationsdaten eigentlich praktisch genau so ausgefallen, wie Volkswirte vorhergesagt hatten. So waren die Verbraucherpreise im April um 0,4 Prozent gestiegen. Allerdings war die Inflationsrate im Jahresvergleich auf 4,9 Prozent zurückgegangen, nach 5,0 Prozent für März, während Volkswirte für April ebenfalls 5,0 Prozent vorhergesagt hatten.

Investoren waren also anfangs euphorisiert, weil die Inflationsrate im Jahresvergleich minimal unter den Erwartungen lag. Tatsächlich lag die Rate bei 4,93 Prozent, was auf 4,9 Prozent abgerundet wird. Hätte die Rate bei 4,96 Prozent gelegen, wäre auf 5,0 Prozent aufgerundet worden – und der Kurssprung an den Aktienmärkten wäre wahrscheinlich ausgefallen. Zudem sind die Zahlen zur Kernrate sowohl im Monats- als auch im Jahresvergleich genau so ausgefallen wie erwartet.

Allerdings haben die Algorithmen 4,9 Prozent bei der offiziellen Inflationsrate „gelesen“, und schon sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen, woraufhin im Gegenzug die US-Indizes und der DAX nach oben gesprungen sind.

Riesige Netto-Short-Position beim S&P500

Verantwortlich für den Kurssprung ist vor allem die Netto-Short-Position beim S&P500 von rund 355.400 Kontrakten. Sie liegt damit in der Nähe des höchsten Niveaus seit Anfang 2000, nur in der Vorwoche war die Netto-Short-Position mit 363.000 Kontrakten noch etwas größer.

Im Klartext: Viele Spekulanten, wie Hedgefonds, spekulieren so sehr auf sinkende Kurse beim S&P500 wie seit 23 Jahren nicht mehr. Wenn es dann aber die kleinste gute Nachricht für die Märkte gibt, - wie dass die Inflationsrate minimal besser ist als erwartet -, steigen die Märkte, woraufhin sich die Spekulanten etwas eindecken, was den Kursanstieg bei dem Index verstärkt.

Die Zahlen zur Positionierung der Spekulanten beim S&P500 analysiere ich regelmäßig in der Sendung.

Nachdem der Index anfangs von rund 4.120 Punkten bis auf knapp über 4.150 Punkten nach oben gesprungen war, hat er anschließend sämtliche Gewinne wieder abgegeben und ist bis auf knapp unter 4.100 Punkte gesunken – haben sich etwa Investoren die US-Inflationsdaten noch einmal genauer angeschaut? - , ehe er um kurz vor 20 Uhr deutscher Zeit plötzlich nach oben gedreht ist.

Wieso, was war passiert? Grund war ein Beitrag von Fed-„Flüsterer“ Nick Timiraos im Wall Street Journal. Darin schreibt er, dass die jüngsten US-Inflationsdaten es der Fed leichter machen würden, im Sommer eine Pause bei den Zinserhöhungen einzulegen.

In dem Beitrag stand meiner Meinung nach allerdings absolut nichts Neues, waren doch viele Investoren ohnehin davon ausgegangen, dass die Zinserhöhung um 25 Basispunkte bei der Sitzung am 3. Mai die letzte Zinserhöhung in diesem Zyklus sein würde.

Dennoch ist nach der Vorlage der US-Inflationsdaten und Timiraos‘ Artikel die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung bei der nächsten Sitzung am 14. Juni von 20 Prozent auf minus 5 Prozent kollabiert, sprich die Märkte haben nun plötzlich eine Zinssenkung um 1 Basispunkt eingepreist. Und prompt dreht der S&P500 deutlich nach oben und schließt den Handelstag mit einem Plus von 0,5 Prozent ab.

Wegen des Einbruch der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen war zudem der Nasdaq Composite auf der Überholspur, bedeuten sinkende Zinsen doch, dass die erwartet stark steigenden Gewinne der US-Techs nicht mehr so stark abdiskontiert werden wie bisher.

Für zusätzlichen Rückenwind bei den Tech-Werten sorgte die Entwicklerkonferenz von Alphabet, auf der der Konzern KI-Fantasie geschürt hat, das werde ich in der Sendung am kommenden Dienstag ausführlich besprechen. In dem Umfeld haben auch die Aktien der anderen US-Techs mit KI-Fantasie, wie Microsoft Corp. (285,70 € 0,78 %), NVIDIA Corp. (264,15 € 0,19 %)und Advanced Micro Devices Inc. (88,61 € -1,77 %), zugelegt, was die Indizes beflügelt hat.

Bei all dem Hype um Timiroas und KI haben Investoren einmal mehr darüber hinweggesehen, dass sich die US-Bankenkrise weiter verschärft hat, so ist der KBW Regional Banking Index (78,8373 € -0,81 %) um 0,8 Prozent gesunken und nähert sich damit zusehends dem 28-Monats-Tief.

Das belastet zusehends auch die großen Institute, weshalb der KBW Bank Index (74,1572 € -1,26 %) sogar um 1,3 Prozent nachgegeben hat und sich damit ebenfalls den 28-Monats-Tiefs nähert. Ich werde die Entwicklung in dem Sektor weiter genau im Auge behalten und Sie darüber informieren.

Und noch ein Warnsignal für die Märkte. Im Gegensatz zum S&P500 hat der S&P500 Equal Weight Index, bei dem die 500 Aktien gleichgewichtet sind, nach einer kleinen Berg- und Talfahrt unverändert geschlossen. Das zeigt einmal mehr, dass der S&P500 selbst durch eine Handvoll großer Werte nach oben getrieben wird und es keinen marktbreiten Aufschwung gibt.

Wie geht’s weiter?

Umso wichtiger werden die Daten zu den US-Produzentenpreisen, die heute um 14.30 Uhr veröffentlicht werden. Sollten nach den Inflationsdaten auch die Zahlen zu den Produzentenpreisen besser ausfallen als erwartet, dürfte das für neuen Rückenwind an den Märkten sorgen, also bei S&P500, Nasdaq und DAX.

Zudem werde ich die Entwicklung beim Euro weiter genau im Auge behalten. Besser als erwartete Daten zu den US-Produzentenpreisen müssten für einen Rückgang bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sorgen, was den Dollar mit nach unten ziehen müsste, sprich der Euro müsste steigen.

Wenn aber die US-Bankenkrise weiter eskalieren sollte, könnten die Investoren in den Dollar flüchten, weil er üblicherweise in Krisenzeiten ein sicherer Hafen ist. Dann müsste also der Euro gegenüber dem Dollar nachgeben. Bitte behalten Sie das genau im Auge.

Der Ölpreis ist enorm volatil. Wenn allerdings die Sorgen vor einer US-Rezession zunehmen sollten, wovon ich ausgehe, sollte der Abwärtsdruck auf den Ölpreis zunehmen. Ein weiter sinkender Ölpreis wäre für mich ein ganz schlechtes Signal nicht nur für die US-Wirtschaft, sondern für die Weltwirtschaft insgesamt.

Und wie sieht es bei Gold (2.025,08 $ -0,24 %)aus? Da bleibe ich weiterhin bullisch. Sollten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sinken, sollte das für Auftrieb beim Goldpreis sorgen. Zusätzlichen Rückenwind für das Edelmetall würde es geben, wenn die Talfahrt des Dollar weitergehen sollte. Hingegen würde ein Erholung des Greenback den Goldpreis belasten.

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