Trendwende oder Korrektur am Anleihemarkt?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Nach der Rede des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan am 16. Februar 2005 vor beiden Häusern des amerikanischen Kongresses bekam die dahin sehr gute Stimmung an den Rentenmärkten beiderseits des Atlantiks einen deutlichen Dämpfer. Bis Monatsende entfernten sich daraufhin die Renditen zehnjähriger US-Treasuries sowie zehnjähriger Bundesanleihen rund 30 Basispunkte von den zuvor erreichten Tiefständen, was zu entsprechenden Kursverlusten führte. War das die Trendwende am Rentenmarkt oder handelte es sich hierbei lediglich um eine Korrektur nach der zuvor gesehenen Bond-Rallye?
Konjunkturaussichten trüben sich ein - Inflation rückläufig
Das Konjunkturbild in der Eurozone trübt sich zusehends ein. Das Wachstumstempo hat sich im vierten Quartal 2004 auf 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal verlangsamt. Als Bremsklötze erwiesen sich dabei vor allem Deutschland und Italien, deren Wirtschaftsleistung im genannten Zeitraum sogar rückläufig war. Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für Deutschland um einen Prozentpunkt auf 0,8 Prozent nach unten revidiert. Die inzwischen eingetretene Stimmungsverschlechterung in der Eurozone schlägt sich auch in den Frühindikatoren nieder. So büßte beispielsweise der wichtige Ifo-Geschäftsklimaindex nach drei Anstiegen in Folge im Februar wieder an Boden ein, wozu nicht zuletzt die ernüchternden Zahlen vom Arbeitsmarkt beitrugen. Für die gesamte Eurozone dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nicht über 1,5 Prozent betragen.
Auf der anderen Seite schwächt sich der Inflationsdruck ab. Im Januar lag der Preisniveauanstieg - begünstigt auch durch statistische Basiseffekte - im Vergleich zum Vorjahresmonat nur bei 1,9 Prozent (Dezember 2004: 2,4 Prozent), im Februar bei 2,0 Prozent. Auf Jahressicht dürfte die Teuerung ebenfalls in etwa dem EZB-Zielwert entsprechen. Allerdings besteht weiterhin die Gefahr, dass Sonderfaktoren wir die Ölpreisentwicklung oder Schwankungen bei den Nahrungsmittelpreisen die Inflationsrate zumindest zeitweise nach oben treiben könnten.
EZB: Zinserhöhungen nicht in Sicht
Eine eher schwache Konjunktur gepaart mit rückläufiger Inflation ist nicht gerade eine Mixtur, die für schnelle und kräftige Zinserhöhungen durch die EZB spricht. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Notenbanker den Hauptrefinanzierungssatz bis auf weiteres bei 2,0 Prozent belassen werden. Erst im 2. Halbjahr ist eine moderate Straffung der Geldpolitik denkbar. Für eine vorsichtige Anhebung der Zinsen spricht, dass das Geldmengenwachstum und die Kreditvergabe an den privaten Sektor den Währungshütern nach wie vor Sorge bereiten, so der Tenor einer Reihe von Interviews führender EZB-Mitglieder in der letzten Woche.
Der US-Bondmarkt gibt den Takt vor
Weder der makroökonomische Datenkranz noch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank liefern eine Begründung für den spürbaren Renditeanstieg an den europäischen Rentenmärkten. Es hat vielmehr den Anschein, als ob die hiesigen Bondmärkte den Vorgaben aus den USA folgen würden, wo die Zeichen weiterhin ganz klar auf Renditeanstieg stehen.
Dabei haben sich die Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank um 150 Basispunkte seit Juni 2004 bislang nicht spürbar am langen Ende ausgewirkt. Statt dessen ist die Zinskurve immer flacher geworden, d.h. der Zinsunterschied zwischen kurzen und längeren Laufzeiten hat deutlich abgenommen. Eine überraschend robuste US-Konjunktur - das BIP-Wachstum für das vierte Quartal 2004 wurde jüngst um 0,7 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent korrigiert, zudem gab es vom Arbeitsmarkt sehr ermutigende Zahlen - und erste Anzeichen für zunehmenden Teuerungsdruck insbesondere von Produzentenseite haben jedoch die Bedingungen für die Rentenmärkte verschlechtert.
Zehnjahresrenditen der US-Treasuries von 4,1 Prozent, wie wir sie noch vor kurzem gesehen haben, passen unter fundamentalen Gesichtspunkten nicht mit diesem makroökonomischen Umfeld zusammen - trotz verschiedener Sonderfaktoren mit erheblichem Einfluss auf die US-Renditen: Zum einen dürften zum Zwecke der Wechselkursbeeinflussung durchgeführte Treasury-Käufe vorwiegend asiatischer Notenbanken die Renditen erheblich nach unten gedrückt haben. Zum anderen hat die in der langen Niedrigzinsphase geschaffene Liquidität auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten ebenfalls Kurs treibende Wirkungen entfaltet. In dem Maße, wie diese Faktoren an Bedeutung verlieren, sollte der Boom an den Anleihemärkten jedoch ein Ende finden. Zudem rechnen wir damit, dass die US-Notenbank an ihrem vorsichtigen Zinserhöhungskurs festhalten wird und die Zielrate für die Fed Funds über die 3-Prozent-Marke schleusen wird. Vor diesem Hintergrund erwarten wir eine Fortsetzung des Renditeanstiegs am langen Ende. Zehnjährige Treasuries könnten in diesem Zuge bis auf fünf Prozent bis Jahresende steigen.
Die große Unbekannte: Die Euro-Dollar-Entwicklung
Die Kurskorrekturen des Euro scheinen beendet. Nachdem die Gemeinschaftswährung in den ersten fünf Wochen des Jahres gegenüber dem US-Dollar spürbar an Boden einbüßte, ging es zuletzt wieder deutlich nach oben. Wie anfällig die amerikanische Währung nach wie vor ist, lässt sich dabei an der Reaktion der Märkte auf die Aussagen des koreanischen Notenbankgouverneurs Park Seung ablesen. Als dieser in einem Bericht an das Parlament eine stärkere Diversifikation der koreanischen Devisenreserven zum Thema machte, schickte er den US-Dollar auf Talfahrt. Die Notenbank Südkoreas verfügt mit ihren 200 Milliarden Dollar über die nach Japan, China und Taiwan viertgrößten Devisenreserven der Welt. Umschichtungen könnten hier noch zu kräftigen Kursbewegungen führen und Rückwirkungen auf die Rentenmärkte haben. Eine starke Euro-Aufwertung würde den geldpolitischen Spielraum der EZB jedenfalls vergrößern und damit die Wahrscheinlichkeit für Leitzinserhöhungen verringern. Gegen eine allzu starke Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar spricht indes die wachsende Zinsdifferenz am kurzen Ende zu Gunsten der USA.
Fazit: Ein erster Schritt zurück in die Normalität
Trotz sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen erwarten wir keine Abkopplung der europäischen Rentenmärkte vom US-Bondmarkt. Dieser dürfte in nächster Zeit die Richtung bei der Renditeentwicklung vorgeben - und zwar voraussichtlich nach oben. Die hiesigen Märkte werden sich dem nicht entziehen können und diese Bewegung auch mitmachen, vermutlich aber in geringerem Umfang, sodass sich die Zinsdifferenz zu US-Treasuries noch ausweiten dürfte. Eine grundlegende Trendwende an den europäischen Rentenmärkten ist dies jedoch nicht. Vielmehr tritt eine Normalisierung nach der vorangegangenen Rallye ein. In unserer Jahresendprognose sehen wir die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen in einem Korridor von 3,75 bis 4,25 Prozent. Bei aktuell 3,8 haben wir gerade einmal den unteren Rand dieser Bandbreite erreicht. Weitere moderate Anstiege sind daher denkbar. Ein steiler Renditeanstieg sollte uns jedoch nicht bevorstehen.
Hauptaugenmerk gilt den Euro-Kurzläufern
Vor dem beschriebenen Hintergrund empfehlen wir Rentenmarktinvestoren, ihr Hauptaugenmerk auf den Kurzläuferbereich zu legen. Dieser wird durch steigende Renditen weniger belastet als der mittlere oder längere Laufzeitenbereich.
Quelle: Union Investment
Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 113,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende März 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.