Kommentar
07:40 Uhr, 19.01.2016

Tief aus dem Jahr 2009 als Kursziel: Ist das realistisch?

An den Weltmärkten herrscht Trübsal. Zu allem Überfluss kriechen nun alle Permabären aus ihren Löchern und gießen Öl ins Feuer. Die Theorien, die sie hervorzaubern, um den Weltuntergang zu untermauern sind teils abenteuerlich.

Ein Analyst und Permabär, Albert Edwards, Société Générale, hat das bisher tiefste Kursziel für den S&P 500 ausgerufen: 550 Punkte. Die Begründung, wieso es dazu kommen kann, ist auf den ersten Blick ganz gut nachvollziehbar. Diese Begründung ist in Grafik 1 dargestellt.

Die Grafik zeigt zwei Zeitreihen. Die erste zeigt den Verlauf von US Aktien seit 1881, die zweite das dazugehörige Shiller Kurs-Gewinn-Verhältnis. Dieses KGV ist ein inflationsbereinigtes, langfristiges KGV (10 Jahre). Die Betrachtung über einen längeren Zeitraum sorgt dafür, dass großen und kurzfristigen Übertreibungen nicht zu viel Gewicht gegeben wird.

Das normale KGV erreichte im Mai 2009 einen Wert von 123. Das hat wenig Sinn gemacht. Ein hohes KGV zeigt im Normalfall an, dass Aktien hoch bewertet sind. Eine sehr viel bessere Zeit als 2009, um Aktien zu kaufen, gab es viele Jahre lang nicht. Die längere Betrachtungsperiode des Shiller KGV sorgt dafür, dass solche Fehlsignale nicht auftreten können.

Die Entwicklung der Aktienkurse und des KGV ist seit jeher zyklisch. Dabei gibt es kurze Zyklen, die mit dem Konjunkturzyklus Hand in Hand gehen. Rezessionsjahre sind in der Grafik orange hervorgehoben. Es zeigt sich dabei, dass Aktienkurse und Rezessionen im Normalfall parallel verlaufen. Schrumpft die Wirtschaft, dann fallen Aktienkurse.
Zu dieser Regel gibt es einige Ausnahmen. Im Jahr 1929, 1954, 1958 und 1990 stiegen Aktienkurse trotz einer Rezession. Ein Rückgang der Wirtschaftsleistung ist keine Garantie für fallende Kurse. Ebenso ist auch ein Aufschwung keine Garantie für steigende Kurse. Von 1915 bis 1920 fielen die Kurse, obwohl es keine Rezession gab, wobei der Erste Weltkrieg wohl eine Rolle gespielt haben dürfte...

Der große Crash von 1987 fand ebenfalls ohne makroökonomische Schwierigkeit statt, ebenso wie ein Großteil der 70er Jahre, in denen Aktien nominal seitwärts tendierten und real auf immer neue Tiefs fielen. Korrekturen von 10 bis 20 % gibt es immer wieder, vollkommen grundlos und losgelöst vom wirtschaftlichen Umfeld.

Persönlich interpretiere ich die derzeitige Entwicklung genau so: es wird korrigiert, weil eine Abschwächung des Wachstums befürchtet wird. Eine Garantie, dass es letztlich so kommen wird gibt es nicht. Ich halte es für wahrscheinlich, dass sich die Befürchtungen als grundlos erweisen werden.

Es ist bekannt, dass die Börse „10 von 5 Rezessionen“ vorhersagt. Derzeit handelt es sich vermutlich um genau diesen Fall. Die Börse sagt einen Abschwung voraus, der nicht eintreffen wird. Man kann die Sache natürlich auch ganz anders interpretieren. Das tut Albert Edwards. Er sieht in der aktuellen Entwicklung eine Fortsetzung des säkularen Bärenmarktes.
Säkulare Bären- und Bullenmärkte wechseln sich gegenseitig ab. Sie kommen ebenso in Zyklen vor wie die herkömmlichen Bullen- und Bärenmärkte. Säkulare Zyklen sind länger als die kürzen Zyklen, die größtenteils an die Konjunkturzyklen gebunden sind.

Die säkularen Bärenmärkte seit 1789 sind in Grafik 2 dargestellt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Kurse, unterbrochen von kurzen Bullenmärkten von 1 bis 3 Jahren Dauer, auf immer neue Tiefs fallen. Ein einmal erreichtes Tief eines säkularen Bärenmarktes wird für gewöhnlich nicht wieder erreicht.

In Grafik 2 sieht das teilweise anders aus. So fiel der Aktienmarkt im Jahr 1931 unter das Tief aus dem Jahr 1920. Das liegt daran, dass die Kurse inflationsbereinigt sind. Für die meisten Anleger zählt der nominale Kurs. Dieser ist in Grafik 3 dargestellt. Hier zeigt sich, dass die Tiefs eines säkularen Bärenmarktes in der gesamten Geschichte der US Börse nicht wieder unterschritten wurden.
Für Anleger stellt sich nun die Frage, ob das Tief aus dem Jahr 2009 als ein säkulares Tief angesehen werden kann. Edwards ist der Meinung, dass das Tief noch nicht erreicht wurde. Erst wenn der S&P 500 auf 550 fällt kann dieses als erreicht gelten. Persönlich bin ich anderer Meinung. Die meisten Bärenmärkte waren nach spätestens 15 Jahren überstanden. Lediglich die Große Depression ließ Kurse längere Zeit auf niedrigem Niveau verharren.

Auf nicht inflationsbereinigter Basis dauerte selbst der lange Bärenmarkt der Großen Depression weniger als 15 Jahre an. Heute sind wir bereits im sechszehnten Jahr des angeblich noch andauernden Bärenmarktes. Es wäre der längste der Börsengeschichte. Wie wahrscheinlich das ist, kann sich jeder selbst ausmalen.

Der Bärenmarkt von 2000 bis 2009 brachte real Kursabgaben von 65 %. Das ist mehr als ausreichend, um ein wirklich langfristiges und endgültiges Tief für diesen säkularen Bärenmarkt auszurufen. Trifft die Vermutung zu, dass der säkulare Bärenmarkt beendet wurde, dann sollte es der S&P 500 sehr schwer haben unter 1.200 Punkte zu fallen. Aktuell stehen die Chancen gut, dass sich der S&P 500 über 1.600 halten wird.

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4 Kommentare

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  • Suffi
    Suffi

    Bei dem Ölpreis kann man auch was ins Feuer giesen, kostet ja nüscht :-)

    15:38 Uhr, 19.01. 2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Wer nun denkt, Albert Edwards könne nicht mehr getoppt werden, der hat sich getäuscht. Denn er kennt offensichtlich noch nicht den Vermögensverwalter Egon v. Greyerz.

    http://n8waechter.info/2016/01/egon-von-greyerz-di...

    13:40 Uhr, 19.01. 2016
  • Sheldon35
    Sheldon35

    Was ich manchmal hier so lese ist wirklich unglaublich...aber die Aussage „Es ist bekannt, dass die Börse „10 von 5 Rezessionen“ vorhersagt. Derzeit handelt es sich vermutlich um genau diesen Fall. Die Börse sagt einen Abschwung voraus, der nicht eintreffen wird.“ ...das finde ich dann schon sehr geil....

    Meine Ansicht:

    wir stecken in einen Bärenmarkt ( Definition Bärenmarkt = Kursverluste vom Hoch Minus 20% ) was mit derzeit – 22% vom Hoch bei 12 400 erfüllte ist!

    Jeder (!!) Bärenmarkt in der Geschichte des DAX hat ein mindest Kursverlust von 39%(!!) warum genau sollte „dieses mal ist alles anders „ zum tragen kommen?..Es macht meiner Meinung nach langfristig (!!) überhaupt keinen Sinn vor 7500 über einen eventuellen einstieg nachzudenken.

    10:46 Uhr, 19.01. 2016
  • AMIR
    AMIR

    ca. 1750 könnte SP erreichen wenn es nicht nochmals über 2080 steigt....so einfach :-)

    08:22 Uhr, 19.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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