Kommentar
09:50 Uhr, 22.07.2022

Tesla strebt „rekordverdächtiges“ Halbjahr an, Kurssprung nach Netflix-Ergebnissen, Warten auf Apple-Zahlen – Wie geht’s weiter bei diesen Technologieaktien?

Nach der Kurserholung der vergangenen Wochen hatten Investoren gespannt auf die ersten Quartalszahlen der US-Technologiefirmen gewartet. Obwohl die Ergebnisse und Ausblicke teilweise gemischt ausgefallen sind, sind die Aktien dennoch nach oben geschossen.

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  • Tesla Inc.
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Geradezu euphorisch haben Investoren auf die Quartalszahlen von Tesla reagiert, die der Hersteller von Elektroautos am Mittwochabend nach Börsenschluss in den USA vorgelegt hat. Zwar war die konzernweite Produktion im zweiten Quartal mit 258.580 Fahrzeugen wegen der Lockdowns in China gegenüber dem ersten Quartal (305.407) eingebrochen. Gegenüber dem Vorjahr stand allerdings ein Anstieg um 25 Prozent zu Buche. Ähnlich sah es beim Absatz aus, der im zweiten Quartal 254.695 Einheiten erreichte.

Da der Konzern zudem wegen der stark gestiegenen Rohstoffkosten die Preise kräftig erhöht hat, ist der Umsatz um 41,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 16,93 Mrd. Dollar geklettert, das lag minimal über den Schätzungen der Analysten von 16,88 Mrd. Dollar. Zwar ist die Bruttomarge im Autogeschäft leicht gesunken auf 27,9 Prozent, gegenüber 28,4 Prozent im Vorjahr. Allerdings übertraf die Marge etwas die Schätzungen der Analysten von 26,9 Prozent. Zudem lag der Gewinn je Aktie mit 2,27 Dollar deutlich über den Erwartungen.

Das Unternehmen hat zudem einmal mehr bekräftigt, dass über „einen Mehr-Jahres-Zeitraum“ ein durchschnittliches Absatzplus von rund 50 Prozent pro Jahr erreicht werden soll. Da die Fabriken in Fremont, US-Bundesstaat Kalifornien im zweiten Quartal und in Shanghai im Juni bei der Produktion Rekordwerte erreicht hätten, während die Fabriken in Austin, Texas und Grünheide bei Berlin hochgefahren würden, erwarte Tesla ein „rekordverdächtiges zweites Halbjahr 2022.“

Sehr ambitioniertes Programm für zweites Halbjahr

Allerdings braucht der Konzern auch ein „rekordverdächtiges“ zweites Halbjahr, um die Jahresziele von Vorstandschef Elon Musk auch nur annähernd zu erreichen. Er hatte im April gesagt, er wolle im Gesamtjahr die Produktion auf mehr als 1,5 Mio. Fahrzeuge steigern, was einem Plus von mehr als 60 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Umso mehr muss sie im zweiten Halbjahr zulegen, nachdem sie im ersten bei lediglich knapp 564.000 Einheiten lag.

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Dabei hat der Konzern von etlichen Seiten Gegenwind. Zwar steigen viele Autokäufer von Fahrzeugen mit Verbrennermotor auf welche mit E-Antrieb um. Allerdings belastet die weltweite hohe Inflation viele Verbraucher erheblich, weshalb sie beim Autokauf, auch jenem von E-Autos, auf die Bremse treten. Zumal die Fahrzeuge von Tesla im zweiten Quartal im Schnitt knapp 56.000 Dollar gekostet haben. Das ist eine Menge Geld, gegenüber knapp 52.200 Dollar im ersten Quartal.

Um Musks Ziel zu erreichen, müssten zudem die Lockdowns in Shanghai zügig zu Ende gehen, damit die dortige Produktion auf Hochtouren laufen kann. Zudem darf beim Hochfahren der Werke in Austin und Grünheide nichts schief gehen. Bei all diesen Punkten darf es kein Störfeuer geben, sonst könnten sich die Pläne des Vorstandschefs schnell in Luft auflösen.

Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Risiken, möchte ich auf den Börsenwert von Tesla von astronomischen 746,4 Mrd. Dollar verweisen. Bei dieser Marktkapitalisierung sind meiner Meinung nach die Risiken in keinster Weise eingepreist. Dennoch dürfte die Aktie kurzfristig weiter auf dem Weg nach oben sein, weil sich die Stimmung für das Papier im Besonderen und US-Growth-Aktien im Allgemeinen zuletzt verbessert hat.

Investoren flüchten in Growth-Aktien

Wieso? Weil viele US-Konjunkturdaten immer mehr schlechter werden, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen sind. So waren die Erst- und fortgesetzten Anträge auf Arbeitslosenhilfe deutlich schwächer als erwartet. Zudem ist der Einkaufsmanagerindex der Notenbank von Philadelphia für die dortige Industrie, einer der wichtigsten Frühindikatoren für die US-Wirtschaft insgesamt, überraschend eingebrochen.

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Je schwächer aber die Konjunktur ist, umso mehr haben Investoren zuletzt bei Growth-Aktien, also Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade auf der Umsatzseite zugegriffen. Offenbar sehen Investoren dabei darüber hinweg, dass die sinkenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nicht nur eine schwache Konjunktur, sondern eine heraufziehende Rezession widerspiegeln dürften. Wie ich wiederholt geschrieben habe, sollte in dem Umfeld das Geschäft der bisherigen US-Growth-Unternehmen, wie Apple, Amazon, usw. überproportional stark unter die Räder kommen. Das ignorieren Investoren derzeit aber.

Kurssprung nach Netflix-Zahlen

Bereits am Dienstagabend hatte Netflix die Ergebnisse präsentiert, woraufhin die Aktie einen Kurssprung nach oben gemacht hatte. Der Streamingdienst hat im zweiten Quartal den Umsatz um 8,6 Prozent auf 7,97 Mrd. Dollar gesteigert. Das lag zwar leicht unter den Erwartungen der Analysten von 8,04 Mrd. Dollar, was nicht zuletzt auf den kräftig gestiegenen Dollar zurückzuführen war. Allerdings erreichte das währungsbereinigte Umsatzplus 13 Prozent. Zudem übertraf der Gewinn je Aktie mit 3,20 Dollar die Vorhersage der Finanzprofis von 2,90 Dollar deutlich.

Für Erleichterung bei Investoren hat vor allem gesorgt, dass der Konzern „nur“ 970.000 zahlende Kunden verloren hat, was viel besser war als der befürchtete Rückgang um 2,0 Mio.. Da sahen Investoren über den schwachen Ausblick hinweg. So will Netflix im laufenden Quartal nur eine Mio. neue Kunden gewinnen, das lag weit unter den Schätzungen der Analysten von 1,8 Mio.. Zudem soll der Umsatz um lediglich 4,7 Prozent auf 7,84 Mrd. Dollar zulegen, womit sich das Wachstum weiter deutlich abschwächen würde. Da ist dann nicht mehr viel mit „Wachstumsunternehmen“! Hingegen hatten Analysten 8,1 Mrd. Dollar erwartet. Gleichzeitig lag die Prognose für den Gewinn je Aktie meilenweit unter den Schätzungen.

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Ehrlich gestanden fällt es mir schwer, den kräftigen Kurssprung der Aktie nach der Präsentation der Ergebnisse nachzuvollziehen, zumal ich gerade die Prognose zum geplanten Kundenanstieg für sehr optimistisch halte. Ich kann das nur so interpretieren, dass Investoren offenbar einen deutlich schlechteren Ausblick befürchtet hatten und sich Spekulanten, die auf sinkende Kurse gesetzt hatten, nach dem Anstieg der Aktie eindecken mussten, woraufhin er sich beschleunigt hat. So war der Short Interest per Ende Juni auf 2,87 Prozent des Free Floats, also der umlaufenden Aktien, gestiegen.

Kräftiger Kundenschwund in den USA

Schließlich steigt die Inflation in vielen Ländern der Welt, wie in den USA, der Euro-Zone und England von den ohnehin hohen Niveaus immer weiter, während die Sorge vor einer möglichen Rezession in den USA und vielen anderen Ländern rapide zunimmt. Wie will der Streamingdienst in dem Umfeld zu einem Wachstum der Kundenzahl zurückkehren? Wie soll das gehen?

Zur Erinnerung: Der Konzern hat im vergangenen Quartal in der Region USA/ Kanada, trotz der laut Fed-Chef Jay Powell und vielen anderen Experten „starken“ US-Wirtschaft insgesamt 1,3 Mio. Kunden verloren. Damit hat sich der Rückgang gegenüber dem ersten Quartal von 640.000 verdoppelt. Ich würde erwarten, dass sich der Kundenverlust auf dem Heimatmarkt im laufenden Quartal weiter beschleunigt. Ja, beschleunigt!

Wie schlecht es vielen Amerikanern finanziell geht, zeigen die Nachrichten des Telekomriesen AT&T unmissverständlich. Er hat die Prognose für den Free Cashflow für das Jahr 2022 um zwei Mrd. Dollar auf 14 Mrd. Dollar gesenkt. Eine Mrd. Dollar davon ist darauf zurückzuführen, dass die Kunden ihre Rechnungen später bezahlen.

Allerdings hat sich mit der kräftigen Kurserholung die Stimmung vieler Investoren für die Netflix-Aktie erheblich verbessert. Daher könnte die Erholung des Papiers erst einmal weitergehen, wenngleich es mit einem 2023er-KGV von 18,9 alles andere als günstig ist.

Allerdings sollten Anleger die Konjunkturdaten, gerade aus den USA weiter genau beobachten. So werden jene zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das zweite Quartal am kommenden Donnerstag, 28. Juli veröffentlicht. Sollten sie für viele Experten und Investoren überraschend einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zeigen, wäre das BIP das zweite Quartal in Folge geschrumpft. Damit wäre die Wirtschaft meiner Meinung nach in einer Rezession. Sollten eine schwache BIP-Zahl, oder anhaltend enttäuschende US-Konjunkturdaten die Rezessionssorgen in den nächsten Wochen verstärken, wovon ich fest ausgehe, sollte die Erholung der Netflix-Aktie und vieler anderer US-Technologiewerte einmal mehr auslaufen.

Apple tritt auf Einstellungsbremse

Nach den Kurssprüngen bei Netflix und Tesla nach den Quartalszahlen sind die vorherigen Meldungen um Apple in den Hintergrund gerückt, die kurz für Verunsicherung bei Investoren gesorgt hatten. So hatte Bloomberg gemeldet, dass der iPhone-Hersteller im nächsten Jahr in einigen Bereichen auf die Einstellungs- und Kostenbremse treten wolle. Das hatte einmal mehr die Sorgen vor einer Rezession in den USA oder sogar der Weltwirtschaft geschürt, wovon Apple zwangsläufig nicht verschont bliebe.

Umso gespannter warten Investoren auf kommenden Donnerstag, 28. Juli nach Börsenschluss in den USA, wenn der iPhone-Hersteller die Ergebnisse präsentiert. Er hatte vor drei Monaten gewarnt, dass Lieferschwierigkeiten im Juni-Quartal den Umsatz um vier bis acht Mrd. Dollar belasten würden. Analysten sagen daher einen Erlöszuwachs um lediglich 1,3 Prozent auf 82,53 Mrd. Dollar vorher. Wenn die Zahl etwas schwächer sein sollte als erwartet, sollte das niemanden überraschen, zumal der stark gestiegene Dollar bei einem weiteren US-Unternehmen durchschlagen würde. Hingegen soll der Gewinn je Aktie deutlich sinken auf 1,16 Dollar.

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Umso wichtiger wird der Ausblick sein. Wird Apple einmal mehr vor Lieferschwierigkeiten warnen? Oder könnte Vorstandschef Tim Cook diesmal einräumen, dass sich die US- und die Weltwirtschaft in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich stärker abgeschwächt haben als erwartet? Vor dem Hintergrund sollten Anleger auf die Quartalszahlen und die Analystenkonferenz warten und anschließend entscheiden, in welche Richtung man traded.

Den Zahlenreigen bei den US-Techs eröffnen werden Microsoft und Alphabet, die beiden Unternehmen legen jeweils am Dienstag, 26. Juli nach Börsenschluss in den USA die Ergebnisse vor. Am Mittwochabend zieht Meta Platforms nach, am Donnerstag folgen Apple und Amazon. Gerade von den Zahlen und vor allem Ausblicken der letzten zwei Unternehmen wird es abhängen, ob die Kurserholung bei den US-Technologiewerten weitergeht, oder ob die Bärenmarktrally wegen der zunehmenden Rezessionssorgen ausläuft.

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