Kommentar
11:53 Uhr, 15.07.2022

Tesla-Chef Musk lässt Twitter-Übernahme platzen, Netflix kooperiert mit Microsoft, Alphabet tritt auf Einstellungsbremse – Wie geht’s weiter bei diesen Technologieaktien?

Nach einer kurzen Bärenmarktrally ist die Nasdaq wieder deutlich nach unten gedreht. Wie sehr die US-Technologieunternehmen unter dem sich eintrübenden Konjunkturumfeld leiden, zeigen einige Firmenmeldungen unmissverständlich.

Erwähnte Instrumente

  • Twitter Inc.
    Kursstand: 36,290 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Netflix Inc.
    ISIN: US64110L1061Kopiert
    Kursstand: 174,780 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Eine Serie schlechter Nachrichten haben S&P500 und Nasdaq Composite in den vergangenen Tagen belastet. Einerseits haben die Sorgen der Investoren vor einer schnell heraufziehenden Rezession in den USA und in etlichen anderen Ländern der Welt die Indizes nach unten gedrückt. Andererseits haben Anleger zwischenzeitlich darauf gesetzt, dass die Fed im Falle einer US-Rezession schnell eine Kehrtwende einleiten, von Zinserhöhungen auf -senkungen umschwenken und ein neues QE-Gelddruckprogramm auflegen könnte. Diese Hoffnung hat die US-Technologieaktien zwischenzeitlich immer mal kurz gestützt, ehe die Rezessionssorgen zurückgekehrt sind und die Papiere erneut auf Talfahrt geschickt haben.

Was war genau passiert? Zuerst hatten die am Mittwoch veröffentlichten überraschend hohen US-Inflationsdaten die Angst geschürt, dass die Fed in den nächsten Monaten die Geldpolitik stärker verschärfen könnte als erwartet. Im Juni waren die Verbraucherpreise mit 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr so stark gestiegen wie seit November 1981 nicht mehr. Damit wächst das Risiko rapide, dass die US-Wirtschaft umso schneller in eine Rezession abgleiten und sie umso tiefer ausfallen dürfte.

Anschließend haben am Donnerstag die Quartalszahlen der größten US-Bank JPMorgan für Enttäuschung bei Investoren und damit für Abwärtsdruck auf den Gesamtmarkt gesorgt, zumal der Ausblick die Konjunktursorgen verstärkt und das Institut sein Aktienrückkaufprogramm auf Eis gelegt hat. In der Hoffnung auf eine mögliche Kehrtwende der Fed haben Investoren dann bei Tech-Werten, wie Apple, Nvidia und Advanced Micro Devices zugegriffen, woraufhin die Papiere sich etwas erholt haben.

Dabei warnen die ersten Volkswirte vor einer heraufziehenden Rezession in der Euro-Zone, selbst wenn es nicht zu einem baldigen Gas-Stopp aus Russland kommen sollte. Denn die hohe Inflation belastet die Wirtschaft der Euro-Zone enorm, während gleichzeitig die Exportwirtschaft bei einer Rezession in den USA und einem anhaltenden Konjunkturabschwung in China aufgrund der Corona-Lockdowns – im zweiten Quartal ist die Wirtschaftsleistung Chinas um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft - zusätzlichen Gegenwind bekommt. Damit trüben sich die Aussichten für die US-Technologiefirmen, wie Amazon, weiter ein.

Musk lässt Twitter-Übernahme platzen

In dem Umfeld war die Twitter-Aktie auf Berg- und Talfahrt. Am vergangenen Freitagabend, 8. Juli hatte Tesla-Chef Elon Musk angekündigt, dass er nicht mehr Twitter kaufen will. Zuvor hatte es zwischen Musk und dem Kurznachrichtendienst wochenlang Ärger gegeben, weil Twitter angeblich keine klaren Zahlen geliefert habe, wie hoch die Zahl der Bots, also Spam-Accounts tatsächlich sei. Wie nicht anders zu erwarten hat das Management von Twitter Musk umgehend darauf verklagt, seinen Pflichten aus dem Kaufvertrag nachzukommen und den Kurznachrichtendienst zu übernehmen.

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Etliche Experten befürchten, dass jahrelange Gerichtsverfahren drohen, das erste soll nach den Plänen des Twitter-Managements schon im September beginnen. Umso überraschter waren Investoren, dass der Shortseller Hindenburg Research einen „signifikanten“ Anteil an Twitter gekauft hat, woraufhin die Aktie nach dem vorherigen Kurseinbruch einen Sprung nach oben gemacht und damit einen Großteil der vorherigen Verluste wettgemacht hat.

Im Gegensatz zu Hindenburg Research bleibe ich skeptisch für die Twitter-Aktie, weil ein Rezessionsumfeld erheblichen Gegenwind für das Werbegeschäft von Twitter bedeuten sollte, da sich Unternehmen beim Schalten von Werbung deutlich zurückhalten dürften. Vor dem Hintergrund halte ich das 2023er-KGV von 32,5 für viel zu hoch, zumal Analysten noch nicht begonnen haben, ihre Gewinnschätzungen für das zweite Halbjahr 2022 und das Gesamtjahr 2023 einzudampfen. Damit wäre die Bewertung noch höher als sie derzeit ohnehin aussieht.

Twitter wird am kommenden Freitag, 22. Juli um 14 Uhr (deutscher Zeit), also vor der Börseneröffnung in den USA, die Quartalszahlen vorlegen. Wegen des Rechtsstreits mit Musk wird es diesmal allerdings keine Analystenkonferenz geben. Umso kräftiger könnten die Kursauschläge nach den Quartalszahlen werden, je nachdem wie Analysten und Investoren sie interpretieren.

Die Nachrichten für die Tesla-Aktionäre waren ebenfalls nicht gerade erfreulich. So hat mit Andrej Karpathy der Chefentwickler für den Autopilot und der Leiter des Bereichs Künstliche Intelligenz (KI) den Hersteller von Elektroautos verlassen. Karpathy war seit 2017 bei Tesla. Er hatte im März 2022 eine mehrmonatige Auszeit genommen, was Experten als eine Kündigung auf Raten angesehen hatten. Experten befürchten, dass Karpathys Abgang einen kräftiger Tiefschlag für die weitere Entwicklung des Autopilot im Speziellen und der KI im Allgemeinen bedeuten dürfte.

Ich verweise nur noch einmal auf den meiner Meinung nach astronomischen Börsenwert von 741,0 Mrd. Dollar und warte gespannt auf die Quartalszahlen am kommenden Mittwoch, 20. Juli nach Börsenschluss in den USA. Dann werden alle Augen auf das Unternehmen gerichtet sein.

Netflix kooperiert mit Microsoft

Auf das schwierige Umfeld und damit den Druck auf die Kundenzahlen reagiert Netflix. Der Streamingdienst will ein preisgünstigeres Angebot einführen, das teilweise mit Werbung finanziert wird. Dazu hat der Konzern eine Zusammenarbeit mit Microsoft angekündigt. Der Softwareriese wird die notwendige Technologie liefern, sowie das Schalten und Abrechnen der Werbung bei Netflix übernehmen.

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Der Konzern hatte lange Zeit damit geworben, auf Werbung zu verzichten. Aufgrund der schwachen Geschäftsentwicklung muss Netflix aber umschwenken und sucht nach neuen Einnahmemöglichkeiten. Laut Experten spricht für eine Partnerschaft mit Microsoft, dass der Konzern weltweit aktiv und im Gegensatz zu den Firmen Google und Comcast, die ebenfalls im Rennen um den Netflix-Auftrag waren, kein Wettbewerber für Netflix ist.

Der Streamingdienst legt am Dienstagabend, 19. Juli nach Börsenschluss in den USA die Ergebnisse vor. Ich befürchte, dass er aufgrund der schwachen Wirtschaft in den USA und im Rest der Welt einen weiteren Rückgang der Zahl der zahlenden Kunden für das dritte Quartal prognostizieren könnte, nachdem der Konzern bereits für das abgelaufene Quartal einen Verlust von zwei Mio. Kunden vorhergesagt hatte. Sollte der Ausblick schwach ausfallen, dürfte die Aktie auf neue 52-Wochen-Tiefs einbrechen.

Alphabet tritt auf Einstellungsbremse

Nachdem etliche US-Unternehmen, nicht zuletzt aus dem Tech-Sektor, in den vergangenen Wochen einen Einstellungsstopp oder gar einen Mitarbeiterabbau angekündigt hatten, kamen zuletzt ähnliche Nachrichten von der Google-Mutter Alphabet. In einer Mail an seine Mitarbeiter schrieb Vorstandschef Sundar Pichai, dass der Konzern im zweiten Halbjahr auf die Einstellungsbremse treten werde.

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„Die unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft haben höchste Priorität. Wie alle Unternehmen sind wir nicht immun gegenüber diesem wirtschaftlichen Gegenwind“, so Pichai. Daher werde das Unternehmen im zweiten Halbjahr das Einstellungstempo verlangsamen.

Zur Erinnerung: Im ersten Quartal war der Umsatz von YouTube um lediglich 14 Prozent auf 6,9 Mrd. Dollar gestiegen und lag damit deutlich unter den Erwartungen der Analysten von 7,4 Mrd. Dollar. Bei der Zahlenvorlage hatte das Management gesagt, dass der Ukraine-Krieg das Werbegeschäft in Europa belaste. Im Falle einer Rezession in den USA und wahrscheinlich sogar der Weltwirtschaft würde meiner Meinung nach der Gegenwind für das Werbegeschäft von Alphabet umso mehr zunehmen.

Der Konzern präsentiert am 26. Juli die Ergebnisse. Mich würde ein schwacher Ausblick nicht überraschen, worauf das Papier – ebenso wie jenes von Netflix – auf neue 52-Wochen-Tiefs einbrechen sollte. Vor dem Hintergrund halte ich das 2023er-KGV von 17,1 für deutlich zu hoch, zumal meiner Meinung nach die Gewinnschätzungen erheblich gestutzt werden müssten.

Die Quartalssaison in den USA startet in der kommenden Woche voll durch. Sie beginnt mit Netflix am Dienstagabend, am Mittwochabend werden alle Augen auf Tesla gerichtet sein, gefolgt vom Social-Medie-Unternehmen Snap, das für seinen Instant-Messaging-Dienst Snapchat bekannt ist, am Donnerstag nach Börsenschluss in den USA. Den Abschluss bildet Twitter am Freitagnachmittag. Der jüngste Kursrutsch am Gesamtmarkt und bei den Technologieaktien signalisiert, dass sich viele Investoren auf enttäuschende Nachrichten etwas eingestellt haben. Daher hoffen die Bullen, dass die Ausblicke der Unternehmen nicht noch schlechter ausfallen als befürchtet, weil sich ansonsten die Talfahrt bei vielen Tech-Aktien beschleunigen dürfte.

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