Kommentar
16:15 Uhr, 10.02.2005

TecDAX-Einzelwerte: Attraktive Rabatte bei den Widergängern vom Neuen Markt

Sehr wohl für Privatanleger interessant sind dagegen Discount-Zertifikate auf ausgesuchte Einzelwerte. Wer tiefe Caps wählt und breit genug streut, kann auf diese Weise selbst im Vola-Tal noch zweistellige Jahresrenditen bei aus Sicht gemäßigt offensiver Investoren vertretbarem Risiko einfahren. Mit DAX-Titeln ist dabei indes kaum ein Blumentopf zu gewinnen und auch der ziemlich heißgelaufene MDAX (plus 30 Prozent seit Anfang 2004) bietet nicht mehr viele Gelegenheiten, so dass nun der in den vergangenen 14 Monaten mit einer Bilanz von plus/minus Null deutlich zurückgebliebene TecDAX verstärkt in den Blickpunkt der Emittenten und Anleger rückt. Das zeigt auch das Ergebnis der „ZertifikateJournal DiskontWahl“: Nicht die vermeintlichen „Old Economy“-Perlen Norddeutsche Affinerie oder K+S haben das Rennen gemacht, sondern die Medizin- und Sicherheitstechniker von Drägerwerk.

746 von 1.454 abgegebenen Stimmen (51,3 Prozent) bekam der „gefallene Engel“ aus Norddeutschland und folgerichtig hat die Deutsche Bank am Dienstag einen der ZertifikateJournal Strategie-Definition entsprechenden „Discounter“ mit einem Cap bei 40,00 Euro lanciert (ISIN DE 000 DB1 481 0). Die Aktie ist bereits leicht angesprungen und notiert aktuell bei 42,75 Euro, so dass man auch dann noch das Optimum aus dem Papier herausholen kann, wenn der Kurs bis zur Fälligkeit im Juni 2006 rund 6,5 Prozent nachgibt. Auf Basis der momentan gestellten Briefkurse beträgt die maximale Rendite 13,9 Prozent bzw. 10,3 Prozent p.a., der Discount beläuft sich auf 17,9 Prozent. Die Verlustschwelle liegt damit bei 35,12 Euro, was aus charttechnischer Sicht sehr beruhigend wirkt: Darüber verlaufen (bei 41,00 und 38,00 Euro) gleich zwei Unterstützungslinien; außerdem lässt sich aus dem Kursverlauf vom Sommer letzten Jahres bei 34,00 Euro eine weitere, nur geringfügig darunter platzierte Haltemarke ableiten.

Im Gegensatz zu unserem „Vola-Play“ auf AMD, mit dem Sie je nach gewähltem Zertifikat in den drei Wochen seit der Empfehlung (vgl. ZertifikateJournal 02/05) bereits Gewinne zwischen sieben und elf Prozent erzielen konnten und wo nicht steuersensitive Inhaber von Non-Quanto-Papieren jetzt über einen Tausch in währungsgesicherte Zertifikate nachdenken dürfen (beispielsweise ISIN NL 000 046 035 0 von ABN Amro), winkt bei Drägerwerk allerdings kaum das „schnelle Geld“. Dafür hat das Unternehmen mit der anfangs reichlich unentschlossen wirkenden Restrukturierung im Medizinbereich zuviel Kredit verspielt; überdies ist die für einen Ausbruch nach oben aller Wahrscheinlichkeit nach notwendige charttechnische Dreiecksformation noch längst nicht ausgebildet. Doch genau für eine solche „Saure-Gurken-Zeit“ sind Discount-Zertifikate ja das perfekte Investment, weshalb Anleger mit einer Schwäche für konservative „Turn-around“-Situationen hier durchaus zugreifen können.

Trotzdem denkt man im Zusammenhang mit dem TecDAX natürlich nicht in erster Linie an ein Traditionsunternehmen wie Drägerwerk (das früher ja ohnehin im MDAX enthalten war), sondern an die Überlebenden des Neuen Marktes. Und die wirbeln momentan wieder mächtig Staub auf – allen voran die einstige Skandalnudel EM.TV: Seit mit dem ehemaligen SPIEGEL-Manager Werner E. Klatten ein seriöser Kaufmann das Ruder übernommen hat, ist aus der von den ebenso größenwahnsinnigen wie gierigen Haffa-Brüdern fast ruinierten Luftblasen-Klitsche ein richtig ordentliches Unternehmen geworden. Zuerst wurden die Bilanzen saniert (u.a. mit der erfolgreichen Umschuldung der zu Boom-Zeiten begebenen Wandelanleihe), dann machte der Schwager von BMW-Erbin Susanne Klatten sich an die Reorganisation des operativen Geschäfts. Die heutige EM.TV ist kein „Gemischtwarenladen“ mehr, sondern ein klar auf die Vermarktung von Lizenzrechten fokussierter Dienstleister, wobei über 80 Prozent der für 2004 angepeilten Erlöse von 200 Mio. Euro aus dem Sport-Segment stammen.

Als Inhaber der europäischen Merchandising-Rechte für die im nächsten Jahr stattfindende Fußball-WM wird der Widergänger des „New Economy“-Hypes von der Kappe bis zur Kaffeetasse an jedem Auftritt des hässlichen Maskottchens Goleo mitverdienen; richtig komplett ist die Wertschöpfungskette jedoch erst seit Klattens jüngstem Coup: Vom angeschlagenen Warenhauskonzern KarstadtQuelle hat EM.TV weitere Anteile an der Sport Media Holding GmbH übernommen und kontrolliert somit nun 81 Prozent des gerade in die Gewinnzone vorgedrungenen Sportkanals DSF und des beliebten Web-Portals Sport1.de. Die Börse hat den Deal bereits gebührend gefeiert – seit Anfang 2004 ist die Aktie um über 50 Prozent in die Höhe geschnellt. Da der fundamentale Aufschwung des Unternehmens noch immer ein zartes und von zahlreichen „Unkräutern“ (hohe Verschuldung, schwierige Prognostizierbarkeit, schlechtes Image) bedrängtes Pflänzchen ist, haben die Volatilitäten ebenfalls kräftig zugelegt. Genutzt hat diese Chance bislang freilich nur die Deutsche Bank, in deren Sortiment sich nun neben einem eher chancenorientierten Discount-Zertifikat (ISIN DE 000 DB1 474 5) auch ein konservatives Rabatt-Papier findet (ISIN DE 000 DB1 473 7), dessen Höchstbetrag mit 3,50 Euro satte 22 Prozent unter dem aktuellen Aktienkurs von 4,50 Euro liegt. Bis zur Fälligkeit im Juni 2006 darf der „Comeback-Star“ also mehr als ein Fünftel seines Wertes einbüßen und trotzdem fahren Sie noch die maximale Rendite von 13,6 Prozent oder 10,0 Prozent p.a. ein.

Der Discount beläuft sich sogar auf knapp ein Drittel, deckt aber trotzdem nur die Kurssteigerungen der letzten fünf Wochen – ein klassisches Defensiv-Schnäppchen ist EM.TV damit sicher nicht, auch wegen des mit 28,3 schon wieder sehr hohen KGVs. Als Beimischung im Rahmen eines diversifizierten „Päckchens“ mit mindestens vier der insgesamt neun von uns ausgewählten Papiere erscheint das Risiko allerdings vertretbar. Im Mittel kommen unsere (hoffentlich) „glorreichen Neun“ auf einen Preisabschlag von immerhin knapp 20 Prozent; gleichzeitig winken durchschnittlich 12,2 Prozent p.a. maximale Rendite. Wie attraktiv dieser Mix ist, zeigt der Vergleich mit einem „am Geld“ liegenden Discount-Zertifikat auf den TecDAX Performance-Index (ISIN DE 000 CB1 CYC 4), das bei lediglich 13,8 Prozent Puffer gerade einmal mit der Chance auf 7,33 Prozent p.a. aufwarten kann.

Ebenfalls wichtig: Der bunte Mix ist zwar auf charttechnisch aussichtsreiche bzw. mit Blick auf die Verlustschwelle scheinbar gut abgesicherte Titel fokussiert, beinhaltet dennoch verschiedene fundamentale Hintergründe. Während EM.TV und der Halbleiter-Zulieferer Aixtron klassische „Comeback-Kandidaten“ sind, war Singulus eigentlich nie weg. Der Weltmarktführer bei DVD-Produktionsanlagen hat jahrelang brav seine eigenen Prognosen übertroffen, wurde nun allerdings für den mauen Auftragseingang im 4. Quartal 2004 abgestraft. Medion dagegen schreckte die Anleger im August mit einer geharnischten Gewinnwarnung und dümpelt trotz erfolgversprechender Restrukturierung noch immer um 15,00 Euro dahin. Evotec schließlich ist da schon ein Stück weiter – dem vor allem in der Auftragsforschung tätige Biotechnologie-Unternehmen, dessen Aufsichtsrat der frühere Bundesforschungsminister Riesenhuber vorsitzt, ist 2004 eine Punktlandung beim Umsatz gelungen, das operative Ergebnis liegt sogar leicht über Plan. Dennoch gehen Analysten davon aus, dass Evotec langfristig zu klein ist, um selbständig zu überleben; das hohe Ansehen der Hamburger Forscher lässt deshalb immer wieder Übernahmegerüchte aufkeimen.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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