Tauben im EZB-Rat äußern sich im Januar vernehmlicher
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Die Stimmung im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich in der ersten Sitzung des neuen Jahres erneut ein Stück in Richtung Zinssenkung bewegt. Zwar wurde eine förmliche Diskussion über Zinssenkungen erneut als verfrüht bezeichnet, wie aus dem jetzt veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervorgeht, doch gab es erste Warnungen der geldpolitischen Tauben vor einem Rückgang der längerfristigen Inflationserwartungen auf unter 2 Prozent. Der EZB-Rat hatte am 25. Januar beschlossen, seine Zinsen unverändert zu lassen und abzuwarten, ob sich der zu beobachtende Rückgang der Inflationsraten fortsetzt. Die Falken im Rat warnten erneut vor hohen Lohnsteigerungen und Lohnstückkosten.
"Die Mitglieder waren sich weitgehend einig, dass es verfrüht wäre, auf der jetzigen Sitzung über Zinssenkungen zu diskutieren, und verwiesen zur Begründung vielfach auf Überlegungen zum Risikomanagement", heißt es im Protokoll. Das Risiko einer zu frühen Lockerung wurde demnach weiterhin als höher eingestuft als das einer zu späten.
Der Rat war sich aber einig darin, dass der Inflationsrückgang derzeit rascher als erwartet verlaufe und dass andererseits das Wachstum wohl schwächer als erwartet sei. Ungeachtet dessen sei aber der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust, was das Risiko anhaltend hoher Lohnzuwächse und damit Preissteigerungen beinhalte.
Das Lohnwachstum wurde als stark eingeschätzt, wobei es bisher nur begrenzte Anzeichen für eine Trendwende gebe. Darüber hinaus seien die Lohnstückkosten stark gestiegen, was zum Teil auf das schwache Produktivitätswachstum zurückzuführen sei, und es bleibe abzuwarten, ob sich ihr Anstieg so deutlich wie in den Stabsprojektionen vorgesehen verlangsamen werde. Den im ersten Quartal anstehenden Daten zur Lohnentwicklung wurde besondere Bedeutung beigemessen. Insofern hatte sich an den Argumentationslinien gegenüber Dezember wenig geändert.
Was es in den bisherigen Sitzungsprotokollen allerdings nicht gab, waren Warnungen vor zu niedrigen Inflationserwartungen. Unter Verweis auf die Verankerung marktbasierter Inflationserwartungen bei 2 Prozent heißt es: "In diesem Zusammenhang wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass sich die Inflationserwartungen aufgrund der schwachen Konjunktur und eines unerwartet schnellen und umfassenden Inflationsabbaus deutlicher als erwartet nach unten verschieben könnten."
Laut Protokoll wurde auch daran erinnert, dass die EZB, da ihre geldpolitische Strategie kein durchschnittliches Inflationsziel vorsehe, eine solche Unterschreitung nicht anstreben sollte und dass jede anhaltende Abweichung vom Inflationsziel in die eine oder andere Richtung eine politische Reaktion erfordern würde.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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