Szenario für Aktien bleibt günstig
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In den letzten Wochen zeichneten sich in Europa verschiedene Trends ab, von denen jedoch keiner ausgeprägt genug war, um die Konjunktur der Eurozone von ihrem gegenwärtigen Kurs abzubringen. Das „herrlich langweilige“ Szenario hält also an.
Auf politischer Ebene erbrachten die Wahlen in Italien nicht den erwarteten klaren Sieg für Romano Prodis Mitte-Links-Bündnis. Gleichwohl wird es jedoch keine große Koalition wie in Deutschland geben, sondern Prodi wird versuchen, mit einer knappen Mehrheit zu regieren. Damit sind die dringend notwendigen Reformen vorerst wieder auf Eis gelegt. In Frankreich mussten die Politiker derweil dem Druck der Studentenproteste nachgeben; der Economist titelte entsprechend: „Paralysis in Italy, surrender in France“.
Die höheren Erdölpreise werden in diesem Jahr sicherlich nicht zum Wachstum beitragen. EZB-Präsident Trichet beschwichtigte jedoch Befürchtungen, dass die Zinsen schneller und stärker steigen könnten als erwartet. Immerhin sind die Langläuferrenditen in 2006 um rund 75 Basispunkte auf fast 4 Prozent gestiegen.
Die Stimmungsbarometer der Wirtschaft zeigen nichtsdestortrotz neue Höchststände auf. Der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex beispielsweise erreichte im April mit 105,9 seinen höchsten Stand seit 15 Jahren. Der direkt Zusammenhang zwischen Geschäftsklimaindex und BIP scheint sich allerdings aufzulösen. Der Anstieg des ifo-Konjunkturindexes deutet darauf hin, dass die europäischen Unternehmen weiterhin profitabel arbeiten. Dies ist unter anderem auf den bisher weitgehend ausgebliebenen Lohndruck zurückzuführen und bedeutet, dass sich der Konsum noch nicht hinlänglich erholt hat.
Die Unternehmensdaten sind weiterhin erfreulich. Die Wirtschaft ist positiv ins neue Jahr gestartet. Nach Rekordwachstumsraten von 20 Prozent im letzten Jahr ist jetzt eine gemäßigtere Ertragsentwicklung wahrscheinlich.
Trotz des hervorragenden Abschneidens der Märkte, (der Europa ex-UK-Index stieg in den ersten vier Monaten auf Euro-Basis um 10 Prozent) sind die Bewertungen immer noch angemessen und belegen unsere Einschätzung, dass das Potenzial europäischer Aktien noch nicht ausgereizt ist. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse und Dividendenrenditen sprechen gegen zu hohe Bewertungen. Berücksichtigt man die derzeit relativ niedrigen Anleiherenditen, sind Aktien immer noch günstig. Dies lässt sich vor allem am Niveau der fremdfinanzierten Übernahmetätigkeit ablesen. Angesichts des recht stabilen wirtschaftlichen Umfelds wird diese Entwicklung anhalten. Dabei wird letztlich auch eine Ausweitung der Credit-Spreads einsetzen.
Die Risiken für dieses aus unserer Sicht weiterhin zentrale Szenario haben weiter zugenommen. Obwohl die Rohstoffpreise kürzlich leicht nachgaben verharrt der Ölpreis bei über 70 US-Dollar je Barrel, was zwangsläufig Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum beziehungsweise die Inflationsrate nach sich ziehen wird. Bisher war es die Wachstumsentwicklung, die von den höheren Ölpreisen in Europa am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dieses Szenario wird voraussichtlich auch weiter gelten. Eine wesentliche Zunahme des Inflationsdrucks ist unwahrscheinlich, da mit einer Arbeitslosenquote von 8,5 Prozent in der Eurozone immer noch erhebliche Kapazitäten in Europa bestehen. Angesichts des Zustroms billiger Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern und der unterschwelligen Drohung, Produktion in Niedriglohnländer zu verlagern, liegt die Lohnmacht derzeit eher bei den Arbeitgebern als den Gewerkschaften. Außer in einigen wenigen Branchen haben die höheren Rohstoffpreise noch nicht zu einem Anstieg der Lohnkosten geführt.
Der Euro konnte weiter kräftig zulegen: Von $1,18 Anfang März liegt er nun bei $1,29. Eine anhaltende Stärkung des Euro allein wird den Aufschwung zwar nicht zum Stillstand bringen, steuert aber auch keine positiven Impulse bei. Die Aussichten auf ein Nachlassen der geldpolitischen Drosselung in den USA und ein entschlossenes Handeln auf Seiten des IWF im Hinblick auf die Überbewertung der Währungen bestimmter Schwellenländer lassen darauf schließen, dass mit einem weiteren Anziehen der europäischen Währung zu rechnen ist.
Auch wenn Trichet die Leitzinsen am 04. Mai noch nicht angehoben hat, erwarten wir eine baldige Zinserhöhung durch die EZB. Mit 4 Prozent sind die Renditen langjähriger Anleihen im Vergleich zum Vorjahr, wo diese bei 3 Prozent lagen, nicht sehr hoch, aber das Umfeld ist sicherlich schwieriger geworden. Die Rahmenbedingungen für Aktien sind momentan günstig – wir behalten allerdings das zunehmende Risiko etwaiger Erschütterungen dieses Szenarios im Auge.
Quelle: Threadneedle
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