Kommentar
11:18 Uhr, 10.07.2015

Swingtrading für Berufstätige auf dem Seziertisch Teil 3

Bei sehr starken Bewegungen ist die Schwäche meines Swingtradings, dass zu viele Signale gegen den Trend entstehen. Wie die jetzige Korrektur gezeigt hat, wird das aber kompensiert durch die große Flexibilität.

Durch die seit Mitte April laufende Korrektur haben wir im Jahr 2015 endlich auch einen Abwärtstrend nach der steilen Bullenrallye der ersten Monate. Mein Swingtrading frei Schnauze hat sich in beiden Phasen gut behaupten können, wie der Rückblick auf die Performance der letzten sechs Monate zeigt. Spannend sind vor allem aber die beiden Ergebnisse einer Filterung, von der sich manche viel versprochen hatten. Auch ich war gespannt, ob sich die Schwäche von zu vielen Signalen gegen einen starken Trend sinnvoll ausmerzen ließe.

Zielsetzung

Mein gemütliches außerbörsliches Trading mit Aktien auf Sicht weniger Tage hat seine Schwächen in sehr starken Trends (weil trotzdem Signale des Gegentrends entstehen bei manchen Aktien), und bei sich langsam vollziehenden Trendwechseln.

Ich habe mich lange gegen Adaptionen der langfristig ertragreichen Strategie gewehrt. Da jede Hinzunahme eines weiteren Parameters das empfindsame Gefüge des Setups gewaltig zerbröseln kann. Es mag dann zwar in starken Trends besser laufen, setzt dann aber z.B. bei Trendwechseln viel zu spät auf die neue Seite.

Nobody is perfect sozusagen, nichts desto trotz war es speziell aufgrund sich häufender Verluste bei den Shorttrades Anfang des Jahres Zeit Maßnahmen zu prüfen.

Das neue Optimierungsziel war diesmal aber nicht der ideale Ausstieg. Was zweifellos mindestens die Hälfte der Miete ist, diese Parameter waren und sind aber weiterhin solide und bewährt. Sondern auf eine Erhöhung der Qualität (und damit wohl auch der Quantität) der Einstiegssignale.

Da Indikatoren & Co für mich als Markttechniker nicht in Frage kommen und lediglich zu phantastischen Überoptimierungen führen, wählte ich als nächsten logischen Schritt die Berücksichtigung des Wochencharts. Und zwar sowohl betrachtet einmal jede Aktie mit einem Signal im Tageschart für sich. Als auch indem ich einfach den Wochenchart des jeweiligen Index als Filter heranziehe. Eine genauere Darstellung der Vorgehensweise und der Ergebnisse finden Sie in Teil 1 und Teil 2 dieser Artikelserie.

Im Endeffekt fehlte uns zum damaligen Zeitpunkt aber noch ein Abwärtstrend für eine aussagekräftige Analyse. Das hat sich ja mittlerweile geändert.

Performance 1. Halbjahr 2015

Ausgangsbasis für erhoffte Verfeinerungen ist die Performance der Signale der Dax30-Aktien in den letzten sechs Monaten. Kurz genug um die jüngste Dynamik abzudecken, lang genug um sowohl Auf- als auch Abwärtstrend abzudecken. Ich habe heuer nicht so fleißig gehandelt wie sonst, da mich zum einen neue Strategien abgelenkt haben. Zum anderen weil die Shortsignale seit Dezember etwas frustrierend waren. Ich bin daher noch einmal ordentlich über die Aktien aus dem Dax30 gegangen und habe an jedem Tag maximal 1 Signal pro Richtung gewählt für diese Untersuchung. Die meisten davon wurden ohnehin im Forum besprochen, die Signale der restlichen Tage sind hoffentlich transparent nachvollziehbar dargestellt in dieser Exceltabelle für alle die es interessiert.

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Nach 67 Trades, einem Risiko von 1% pro Trade bei 10.000€ Startkapital und 0,15% Kosten pro Order steht ein netter Profit von 4.776 Euro zu Buche. Die Longsignale mussten das fast alles alleine stemmen, erst seit Mitte April sind auch die Shortsignale wieder ins Positive gekippt. Die Trefferquote ist wie immer bescheiden mit 50%. Die tragende Säule dieser Strategie ist das theoretische CRV von 3. In der Praxis sind die durchschnittlichen Gewinne immer noch doppelt so groß wie die Verluste, das reicht. So liegt auch der Profit Faktor bei 2. D.h. für jeden verlorenen Euro werden zwei Euro eingenommen.

Der Drawdown heuer war bescheiden, aber es wurden in unserem Kreis immer wieder die beiden folgenden Filtervarianten diskutiert, ob man damit in klaren Trends nicht weitaus besser aussteigen würde. Also war ich auch gespannt auf das Ergebnis.

Filterung mit Wochenchart der Aktie

Ein Longsignal im Tageschart ist nur dann gültig, wenn der dazugehörige Wochenchart nicht zweifelsfrei im Abwärtstrend ist. Das klingt zunächst vielleicht etwas schwammig, was ich damit meine ist: der Wochenchart muss zumindest den Ansatz einer Bodenbildung zeigen, auch in Seitwärtsphasen werden Longsignale nicht gefiltert. Der Wochenchart kann also durchaus übergeordnet einen Abwärtstrend zeigen, der Fokus liegt auf der jüngsten Entwicklung: hat sich ein tieferes Tief nicht durchsetzen können und sind Anzeichen von Entspannung sichtbar, dann ist im Tageschart ein Longeinstieg erlaubt. Nur wenn klar Tief auf Tief folgt, heißt es Finger weg von Longs.

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Nach dieser Filterung blieben von 67 Trades im Testzeitraum noch 58 übrig. Das klingt nach keiner großartigen Filterung. Aber dabei darf man nicht übersehen: wurde ein ursprünglich gewähltes Signal durch den Wochentrend gefiltert, konnte ja stattdessen ein anderes an diesem Tag sichtbares Signal gewählt werden.

Das war oft der Fall, hat sich aber auch nicht positiv ausgewirkt. Im klaren Aufwärtstrend bis Mitte April konnten die Zahlen und die Performancekurve zwar verbessert werden.

Die folgende Trendwende hat diesen Vorteil aber wieder mehr als zunichte gemacht. Im Endeffekt muss das Fazit lauten: Auf Sicht von nur 4 Tagen, wie ich die Positionen einschätze und halte, ist der Blick in den übergeordneten Trend nicht hilfreich, weil der eben gerade bei Trendwechseln viel zu träge reagiert.

Filterung mit Wochenchart des Dax30

Nach diesem etwas überraschend eindeutigen Resultat war ich umso gespannter auf die Filterung der einzelnen Signale mithilfe des Wochencharts des Dax-Index. Sobald dieser keinen Zweifel an der jüngsten Trendrichtung zulässt, sind Signale in die Gegenrichtung verboten.

Meine Erwartung war die Filterung der meisten für die Performance hinderlichen Shortsignale zu Anfang des Jahres. Denn auch wenn Einzeltitel sich immer wieder mal gegen die allgemeine Tendenz stemmen können: hat der Index das Sagen, sollten Shortsignale in 2015 bisher kaum zum Zug gekommen sein.

Und tatsächlich: von ursprünglich 19 Shortsignalen bis Mitte April bleiben nach Berücksichtigung der Tendenz im zugehörigen Index lediglich 2 übrig. Die stammen von Anfang Januar, als der Dax noch kein neues Hoch markiert hatte, und wurden beide zu Verlusttrades.

Aber dann brachte die einsetzende Korrektur die gleiche Schwäche zum Vorschein wie schon zuvor die Filterung mit dem Wochenchart der Aktien, wenn auch nicht so ausgeprägt: bei Trendwechseln hält uns so ein übergeordneter Chart zu lange Signale der neuen Trendrichtung vor, stattdessen setzt man noch viel zu lange auf Signale des vorherigen Trends.

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Ein nachhaltigen Vorteil lässt sich für mich bei beiden Filterungen also nicht ausmachen.

Fazit

Es ist eine schöne Bestätigung für mich, dass meine simple Vorgehensweise, konzentriert nur auf den kurzfristigen Tageschart der Aktien, immer noch Früchte trägt. Ich bin auch nur ein Mensch, jeder Drawdown zehrt an den Nerven und am Selbstvertrauen. Gestärkt durch diese Untersuchungen werde ich jetzt selbst wieder intensiver mit dieser guten alten KISS-Methode arbeiten.

Aktien können also sehr wohl kurzfristig ihr Eigenleben entwickeln, ohne sich um den Index, das übergeordnete Zeitfenster oder das Börsenumfeld zu scheren. Nicht immer, aber oft genug um daraus einen kleinen Vorteil schlagen zu können.

Viel Erfolg beim Trading!

Michael Hinterleitner
www.brokerdeal.de

3 Kommentare

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  • 280a
    280a

    Tradingstil ;-)

    14:45 Uhr, 10.07. 2015
  • 280a
    280a

    Höchst interessant dein Tradingstiel, gratuliere zum Erfolg! Wäre schön wenn das alles in einem Wikifolio umgesetzt würde, es würden sich sicher viele Investoren finden.

    Wünsche auch in Zukunft noch ein glückliches Händchen!

    14:44 Uhr, 10.07. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Michael Hinterleitner
Michael Hinterleitner

Michael Hinterleitner ist seit 2006 Redakteur und Trader bei GodmodeTrader.

Bereits 1998 der Faszination Börse erlegen, wurde Trading neben dem Studium der Wirtschaftswissenschaften zu seiner Hauptbeschäftigung. Sein Fokus: Aktien. Neben der täglichen spannenden Jagd an den Börsen kam 2011 die Idee zu einem neuen Brokervergleich, der nicht nur einen detaillierten Blick hinter die Kulissen erlaubt, sondern auch handfeste Vorteile für Mitglieder bringt.

Als Mitbegründer der Vergleichsplattform BrokerDeal.de hat sich Michael Hinterleitner zum Ziel gesetzt, Licht in den Brokerdschungel zu bringen. Er erklärt, worauf es bei der Brokerwahl ankommt, welche Anbieter für welche Bedürfnisse Sinn macht und auf welche Unterschiede man bei den Produkten und der Ausführungsqualität achten sollte.

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