Kommentar
10:08 Uhr, 11.04.2007

Subprime-Krise und US-Konjunktur

Das so genannte Subprime-Segment des amerikanischen Hypothekenmarktes rückt zunehmend ins Blickfeld. Aufgrund der hohen Zahlungsausfälle in diesem Marktsegment, das sich aus Kreditkunden mit niedriger Bonität zusammensetzt, stehen bereits mehrere Kreditinstitute vor dem Ruin. Entsprechend befürchtet man, dass die anhaltenden Probleme auf dem US-Immobilienmarkt weitere Kreise ziehen und die amerikanische Konjunktur schwächen könnten. Der ehemalige Fed-Vorsitzende Alan Greenspan schürte diese Sorgen noch, indem er vor einer Ausweitung der Krise warnte und sogar die Möglichkeit einer noch in diesem Jahr in den USA einsetzenden Rezession aufwarf. Die Märkte nahmen den früheren Notenbankchef augenscheinlich beim Wort: So ließen im Anschluss an seine Warnungen die Aktien- und Derivatemärkte nach. Die amerikanische Notenbank dreht zwar nicht mehr an der Zinsschraube, aber die Folgen des letzten Zinsstraffungszyklus machen sich allmählich innerhalb der gesamten US-Wirtschaft bemerkbar. Genau das scheint auch der Grund für die Probleme im Subprime-Segment zu sein, wo rund 75 Prozent der Hypotheken über variable Hypothekenzinsen (Adjustable Rate Mortgages, „ARMs“) finanziert werden. Die Zinshöhe hängt bei diesen Darlehen von den Geldmarktzinsen ab, die jeweils von der Notenbank festgelegt werden. Diese Zinssätze werden normalerweise einmal pro Jahr neu festgesetzt und ändern sich daher nur allmählich. Infolgedessen haben sich die höheren US-Leitzinsen erst in letzter Zeit auf die Zinszahlungen im Subprime-Segment niedergeschlagen. Es überrascht daher nicht, dass die überwältigende Mehrheit der Hypothekenausfälle sich auf ARMs konzentriert.

Hinzu kommt, dass dieses Marktsegment traditionell am schwächsten und problemanfälligsten ist, da Darlehen an Schuldner mit angeschlagener oder zweifelhafter Kreditwürdigkeit vergeben werden. Ein guter Teil der Hypothekenausfälle bezog sich auf Darlehen, bei denen noch keine Zinsneufestsetzung stattgefunden hatte: ein klarer Hinweis darauf, dass die Anhebung der Leitzinsen nur ein Faktor unter vielen war. Auch unzureichende Kreditvergaberichtlinien spielten eine Rolle. So werden bereits Stimmen laut, wonach Darlehensgeber bei der Kreditvergabe geradezu unverantwortlich gehandelt haben sollen. Die aus Marktsicht wichtigere Frage ist jedoch, welche Wirkung dies auf die Konjunktur haben wird.

Die Probleme im Subprime-Segment könnten sich auf vielfältige Weise konjunkturell niederschlagen. Zunächst einmal sind die direkten Folgen für den Immobilienmarkt zu nennen. Auf Subprime-Darlehen entfallen einerseits zwar nur 10 bis 12 Prozent der Hypothekenrestschulden, aber in den letzten zwei Jahren immerhin 20 Prozent der Kreditausreichungen. Sowohl die Federal Reserve als auch das US-Finanzministerium sehen diese Entwicklung mit Besorgnis und haben Kreditgeber vor zu lockeren Kreditbedingungen gewarnt. Die Ausfallquote bei Subprime-Darlehen ist im vierten Quartal des letzten Jahres auf 13,3 Prozent gestiegen, den höchsten Stand seit dem dritten Quartal 2002. Da diese Art von Darlehen allerdings überwiegend an die niedrigsten Einkommensgruppen vergeben wurden, wird sich die Krise im Subprime-Segment wohl nur unwesentlich auf die Konsumentwicklung auswirken. Das unterste Einkommens-Fünftel der US-Haushalte generiert indes nur 8 Prozent des amerikanischen Konsums.

Je mehr Eigenheime zwangsversteigert werden, desto stärker steigen die Angebotsüberhänge auf dem Immobilienmarkt. Gegenwärtig liegt der Überhang bei sieben Monaten und damit etwa 30 Prozent über dem normalen Niveau. Weiterer Druck auf die Immobilienpreise ist somit wahrscheinlich, da Eigenheimbauer ihre Bestände loswerden wollen. Auch mit einem Nachlassen der Wohnbautätigkeit ist zu rechnen.

Die Krise im Subprime-Segment dürfte demnach sowohl die Entwicklung des Wohnimmobilienmarktes als auch des Kaufverhaltens – wenn auch nur unwesentlich – dämpfen. Mit echten Problemen wäre erst dann zu rechnen, sollten andere Bereiche der Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies könnte beispielsweise durch Kreditverknappung geschehen, wenn Kreditinstitute ihre Darlehensbedingungen verschärfen oder als Reaktion auf die Subprime-Ausfälle Kredite zurückziehen.

Das halten wir jedoch zurzeit für unwahrscheinlich. Die Kreditvergabe an Subprime-Schuldner dürfte zwar zurückgehen, aber das ist wohl Teil eines Gesundschrumpfungsprozesses nach einer Phase der übermäßigen Expansion. Aber auch hier sollten sich die Folgen in Grenzen halten, da bereits Käufer für Subprime-Vermögen bereitstehen und der Darlehensmarkt somit weiterlaufen wird. Zudem ist der Bankensektor immer noch hoch kapitalisiert und profitabel und daher in der Lage, Verluste in einem Bereich des Kreditbestands zu verschmerzen.

Insgesamt hängt die weitere Entwicklung daher weniger vom Immobilienmarkt als vom Verlauf der Konjunktur insgesamt ab. Momentan zeichnet sich angesichts der hohen Profitabilität und gesunder Bilanzen noch kein rückläufiger Trend unter den Unternehmen ab. Zudem deutet die geringe Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung auf einen festen Arbeitsmarkt hin.

Unser Fazit lautet daher: Die Subprime-Probleme werden unweigerlich in gewissem Maße zu einer konjunkturellen Schwächung beitragen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es noch eine Weile abwärts gehen, bevor der Aufschwung einsetzt. Der damit verbundene Anstieg an Hypothekenzahlungen wird das verfügbare Einkommen der Privathaushalte im Laufe der Zeit um rund 0,5 Prozent verringern. Dies kann teilweise wohl durch ein Nachlassen der Ölpreise aufgefangen werden, deren Rückgang bereits zu einer deutlichen Abnahme der Headline-Inflationsrate geführt hat. Andererseits werden nachlassende Mortgage Equity Withdrawals (MEW), also die Kreditaufnahme auf das Eigenheim für den privaten Konsum, und der Vermögenseffekt infolge sinkender Immobilienpreise das Konsumverhalten beeinflussen.

Wir sind jedoch nach wie vor von der Flexibilität der US-Wirtschaft überzeugt. Auf eine Phase schwächerer Verbrauchernachfrage dürfte der Markt mit wettbewerbsfähigeren Preisen reagieren, um so den Verkauf anzukurbeln. Das beste Beispiel ist der Immobilienmarkt selbst, auf dem der Rückgang von Anleiherenditen und Preisen bereits zu einem käuferfreundlicheren Preisniveau geführt hat. Allgemeiner gesprochen sollten sinkende Inflation und rückläufiges Wachstum den Rahmen für eine Zinslockerung durch die Federal Reserve schaffen.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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