Sub-Prime-Krise geht in die nächste Phase: Ein aktueller fundamentaler Blick auf die Geschehnisse
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Sub-Prime-Krise bringt die Börsenkurse rund um den Erdball kräftig unter Druck. Der ehemalige Notenbankchef Alan Greenspan bemisst die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA mittlerweile mit „über 50%“ und auch der amtierende Fed-Chef Ben Bernanke sieht den Bedarf großer Stimuli, um die kränkelnde Konjunktur zu stützen.
Der Dow Jones unterschritt gestern in New York erstmals seit dem 11. April 2007 die Marke von 12,500 Punkten. Die Intel-Zahlen aus der gestrigen Nachbörse konnten die überdurchschnittlich nervöse Stimmung nicht besänftigen, ganz im Gegenteil sogar: Die Intel-Aktie brach nachbörslich um über 14% ein. Damit wurde ein Marktwert von 18,77 Milliarden Dollar vernichtet. Der Dow Jones wird heute Morgen bei 12,425 Punkten taxiert – was einem weiteren Rückgang um 76 Punkte entspricht.
Als besonders frappierend fällt mir heute Morgen die erneute Dollarschwäche auf, gegenüber dem japanischen Yen markiert der Greenback ein neues 2 ½ Jahrestief, gegenüber dem Schweizer Franken sogar ein historisches Tief. Beides - der Yen wie auch der CHF, sind Niedrigzinswährungen und werden im Zuge der Rückführung von Carry-Trades zurückgekauft und damit gestützt. Dagegen baut die schon extrem schwache US-Valuta gegenüber dem noch viel schwächeren kanadischen Dollar relative Stärke auf und steht kurz vor einem übergeordneten Kaufsignal. Gegenüber dem Euro steht der US-Dollar nahe eines Allzeittiefs.
Selbst Alan Greenspan bezeichnete die aktuelle Herausforderung bei der Geldpolitik, der sich Ben Bernanke stellen muss, als außerordentlich schwierig. Eigentlich müsste Bernanke die Leitzinsen deutlich senken, um einer Wachstumsverlangsamung und Schrumpfungsprozessen in der Wirtschaft entgegenzuwirken. Dadurch würde er jedoch der bereits hohen Inflation weiteren Antrieb geben und den US-Dollar weiter entwerten. Es drohe eine Kombination aus stagnierendem Wachstum und hoher Inflation – einer so genannten Stagflation, warnt das Orakel der Wall Street Alan Greenspan gestern in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC. Der Grandseigneur der internationalen Geldpolitik ist übrigens jetzt für den 28 Milliarden Dollar schweren New Yorker Hedgefonds Paulson & Co. in beratender Form tätig. Paulson verdiente im letzten Jahr mehrere Milliarden Dollar mit dem Zusammenbruch des Sub Prime-Sektors und ist damit wohl allein auf weiter Flur.
Doch wie kam es zu dem Zusammenbruch des Sektors? Welche Ereignisse folgten auf welche? Anbei eine Folie aus der Präsentation, die Dr. Josef Ackermann am 14. Januar 2008 in der "London School of Economics" gehalten hat.
Betrachten wir die einzelnen Punkte und die Legende auf der unten stehenden Grafik.
Phase 1: Sub-Prime Probleme werden als weitestgehend eingedämmt betrachtet, die Besorgnisse wachsen aber
Phase 2: Domino-Effekt wirkt auf Leveraged Loans, also Kredite, die an bereits stark verschuldete Privatpersonen zu über dem Markt liegenden Zinsen vergeben wurden.
Phase 3: Die Krise schwappt auf den Interbanken-Geldmarkt über, also jenen Teil des Geldmarktes, auf dem kurzfristige Zentralbankguthaben zwischen den Kreditinstituten gehandelt werden.
Phase 4: Teilweise Rückkehr des Ruhe nach einer Zinssenkung durch die US-Notenbank.
Phase 5: Neue Nachrichten über Abschreibungen werden bekannt.
Interessant sind nun die verschiedenen Linien, die Sie auf dem Chart erkennen können. Sie zeigen den Verlauf verschiedener zentraler Indikatoren und Basiswerte.
- Blaue Linie: Der Verlauf des “Dow Jones North America CDX Crossover” – Laufzeit 5 Jahre .- Serie 8. Was sich hinter dieser ominösen Bezeichnung verbirgt ist ein Index, der den Wert von Derivaten auf Credit Default Swaps von 35 Unternehmen misst, die von Ratingagenturen an der Grenze von Investment-Grade zu spekulativer Bewertung stehen. Ein Credit Default Swap (CDS) ist ein Kreditderivat zum Handeln von Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnernamen – CDS stehen im Zentrum der Milliardenverluste, die Banken rund um den Globus melden mussten.
- VIX Implied Volatility Index des S&P 500: Der VIX ist ein Angstindikator, der ähnlich wie der deutsche VDAX die Volatilität im S&P 500 Index misst.
- Die Differenz zwischen 3-Monats-EURIBOR und der 3-Monats-Euonia Swap Rate: Vergleicht man die EONIA Swap Sätze mit den laufzeitkonformen EURIBORs, so bemerkt man, dass im Normalfall der Swap Satz unter dem EURIBOR Satz liegt. EURIBOR repräsentiert den Zinssatz, zu dem erstklassige Adressen für eine bestimmte Periode (z.B. 12 Monate) Geld aufnehmen können. Somit beinhaltet EURIBOR den Credit Spread für eben diese erstklassigen Adressen. Im Gegensatz dazu stellt der EONIA-Swap-Satz den Zinssatz ohne Credit Spread dar, weil zu diesem Satz nur die Zinszahlungen getauscht werden, nicht jedoch Geld geliehen wird. Die rote Linie gibt also den Credit Spread an, der sich im Zuge der wachsenden Unsicherheit an den Märkten immer weiter ausgeweitet hat. Der Credit Spread ist eine Risikoprämie. Die Ausweitung zeigt die wachsende Vertrauenskrise, in der sich die Banken befinden.
Anbei nun die überaus interessante Grafik. Ich musste sie in diesem Artikel etwas verkleinern, das sie in den Artikel passt. Klicken Sie auf die Grafik, um diese zu vergrößern. Dann sollten Sie auch die einzelnen Punkte besser lesen können.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Jochen Stanzl
Chefredakteur Rohstoff-Report
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