Studie: Belastungsfähigkeit der Erde hat sich rapide verschlechtert
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Der "Patient Erde" befindet sich laut einer neuen Studie in einer kritischen Situation und sein Zustand hat sich rapide verschlechtert, wie es in einer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) veröffentlichten Studie der Initiative Planetary Boundaries Science (PBScience) zum ersten Gesundheitscheck des Planeten heißt. Die Erde befinde sich bereits außerhalb des sicheren Handlungsraums für die Menschheit.
Dieser Planetary Health Check zeigt laut PIK, dass die lebenserhaltenden Funktionen des Erdsystems gefährdet sind. Von insgesamt neun von Wissenschaftlern definierten ökologischen Belastungsgrenzen der Erde sind sechs bereits überschrittenen und laut Studie steht das Überschreiten einer siebten Grenze unmittelbar bevor. Diese Grenzen, wie etwa der Klimawandel und die Versauerung der Ozeane, legen unumkehrbare Kippunkte fest, ab dem die Stabilität des Ökosystems und damit auch die Menschheit gefährdet sind.
Zugleich ist den Forschenden zufolge ein klarer Trend zu weiteren Überschreitungen zu erkennen. Ein Großteil der Erdsystemsprozesse, zu denen etwa Fotosynthese, Nahrungskette, Stickstoffkreislauf, Klimawandel, Wetter, Konvektionsströme, Erosion, tektonische Ereignisse gehören, werde bald eine Hochrisikozone erreichen.
"Unsere aktualisierte Diagnose zeigt, dass lebenswichtige Organe des Erdsystems geschwächt werden, was zu einem Verlust an Widerstandsfähigkeit führt und das Risiko, Kipppunkte zu überschreiten, steigen lässt", erklärte PIK-Forscherin Levke Caesar, Co-Leiterin von PBScience und eine der Hauptautoren des Planetary Health Checks. Sechs der neun planetaren Grenzen seien überschritten, was in dem Bericht erstmals durch hochauflösende räumliche Karten lokaler und regionaler Trends für alle neun Grenzen verdeutlicht werde.
Lokale Maßnahmen hätten Auswirkungen auf die Erde, wie Caesar ergänzte, ohne genaue Maßnahmen zur Verbesserung des Zustands der Erde zu nennen. Ein Planet, der unter Druck steht, könne sich auf überall und auf jeden auswirken. "Um das menschliche Wohlergehen, die wirtschaftliche Entwicklung und stabile Gesellschaften zu sichern, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, bei dem der Schutz des Planeten im Fokus steht", forderte sie.
Die in der Studie aufgezeigten planetaren Grenzen umreißen laut PIK den sicheren Handlungsspielraum der Menschheit für einen stabilen und widerstandsfähigen Planeten. Sobald eine Grenze überschritten werde, steige das Risiko, die kritischen Funktionen der Erde dauerhaft zu schädigen, ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass Kipppunkte überschritten werden, die irreversible Veränderungen verursachen. Der Studie zufolge steigen Risiken drastisch, wenn mehrere Grenzen überschritten werden.
Patient Erde im kritischen Zustand
Bislang wurde den Forschern zufolge der Zustand der neun Erdsystemprozesse meist jeweils getrennt voneinander betrachtet. Doch Entwicklungen wie der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung wirkten aufeinander ein und hätten Auswirkungen auf die Gesundheit - die Stabilität und Widerstandsfähigkeit - der Erde.
Nach Ansicht von PIK-Direktor Johan Rockström zeigt der Gesundheitscheck, dass bei allem menschlichen Handeln die Auswirkungen auf den Planeten zu berücksichtigen seien, unabhängig davon, in welchem Maßstab man handle, ob lokal oder global.
"In allen Bereichen der Wirtschaft und der Gesellschaft ist mit dem Planeten verantwortungsvoll umzugehen, um Sicherheit, Wohlstand und Gerechtigkeit zu gewährleisten", forderte Rockström. "Die Diagnose im Gesundheitscheck lautet: Der Patient Erde befindet sich in einem kritischen Zustand. Sechs von neun planetaren Grenzen sind überschritten. Insgesamt nimmt bei sieben dieser Erdsystemprozesse der Druck so stark zu, dass ein Großteil davon bald eine Hochrisikozone erreichen wird."
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/sha
Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.