Kommentar
14:46 Uhr, 04.05.2005

Steigende Gewinne – fallende Kurse?

Die Gewinne der Unternehmen steigen, doch die Aktienkurse sinken und die Renditen langlaufender Staatsanleihen fallen in den USA und dem Euroland auf neue Tiefs. Verkehrte Welt? Sinkende Aktienkurse und Anleihenrenditen könnten dabei vordergründig auf ein gestiegenes Risikobewusstsein hinweisen. Tatsächlich zeigt aber der zweite Blick, dass sich die Lage am Markt für Unternehmens- und Emerging Markets- Anleihen, auch nach Schreckensmeldungen aus dem Automobilsektor, wieder beruhigt hat. Eine Flucht in die „sicheren Häfen“ zeichnet sich nicht ab. Weniger eine vermeintliche Risikoabneigung als vielmehr die „Zyklik“ – die Sensitivität gegenüber der Konjunkturentwicklung scheint den Tenor vorzugeben. Das zeigt nicht nur die unterschiedliche Performance der konjunktursensitiven und der nicht-sensitiven Branchen, das erhält auch Nahrung von den Konjunkturindikatoren selbst. In Japan schwächte sich die Industrieproduktion ab und der TANKAN-Bericht der japanischen Zentralbank weist ebenfalls auf eine Verlangsamung hin. Aus dem Euroland vermeldeten die Klimaindikatoren für den Konsum Rückgänge, in den USA fielen die Auftragseingänge für die langlebigen Industriegüter und das Bruttoinlandsprodukt wuchs weniger stark als erwartet. Die Konjunktur schaltet in eine langsamere Gangart – aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. So zeigt sich der US-Arbeitsmarkt immer noch als robust, was den Konsum stützt, und der Bestand unerledigter Aufträge ist weiter gestiegen. Nicht zu vergessen China. Dessen Bruttoinlandsprodukt entwickelte sich zuletzt deutlich kräftiger als erwartet.

Und die Unternehmensgewinne? Die Berichtssaison für das erste Quartal zeigt zwar im Durchschnitt aller Unternehmen durchaus steigende Gewinne, viele Firmen warteten sogar mit positiven Überraschungen auf, aber gerade eine Reihe „großer Namen“ verfehlte das von den Analysten prognostizierte Ziel. Letztere bestimmten dabei das Bild an den Kapitalmärkten.

In der Summe erscheint die Erwartung im Schnitt einstelliger Zuwachsraten bei den Unternehmensgewinnen als nicht übertrieben, was bei den aktuellen Bewertungen eine weiterhin vernünftige Ausgangsgrundlage für den Aktienmarkt liefert.

In einem allerdings sentimentgetriebenen Bild, in dem sich niemand so richtig traut auf den fahrenden Zug aufzuspringen, und einer technisch heiklen Lage sollte die Übergewichtung der Aktien zwar beibehalten werden, aber etwas geringer ausfallen als in den zurückliegenden Monaten.

Ein Joker könnte der Ölpreis in den kommenden Wochen sein. Er nimmt schon viel an möglichen Angebotsengpässen vorweg und hielt sich in Anbetracht getrübter Konjunkturerwartungen erstaunlich stabil.

Quelle: dit

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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