Kommentar
11:45 Uhr, 25.11.2016

Steht Amerika vor einem Neuanfang?

Trump wurde zum Präsidenten gewählt und viele hegen die Hoffnung, dass dies das Ende des alten Establishments sein wird. Zu oft hat es seine Wähler enttäuscht, ganz zu schweigen von notorischen Lügen und Manipulationen.

Gastbeitrag von Dr. Christoph Bost (Guidants-Experte)

Focus Money (16. November) schreibt: das Arbeitsministerium meldet ca. 5 % oder 7,9 Millionen Amerikaner als arbeitslos. Wie kann es dann aber sein, dass derzeit nur 63 % der arbeitsfähigen Bevölkerung über 16 Jahren beschäftigt ist? Die Antwort ergibt sich aus der Erhebungsmethodik der Statistik. Unter Präsident Bill Clinton wurde die Erhebungsmethode geändert, so dass alle, die länger als ein Jahr erfolglos Arbeit suchten, aus der Arbeitslosenstatistik fallen. Ferner wurde beschlossen, dass Amerikaner, die wahrscheinlich sowieso wegen einer Behinderung oder sonstige Einschränkungen keine Chance auf einen Job hätten ebenfalls herausgenommen werden.

Immerhin veröffentlicht man auch eine breiter gefasste Arbeitslosenquote U6. Diese weist bereits eine Arbeitslosigkeit von knapp 10 % aus. Wendet man aber die Statistikverfahren aus der Zeit vor Bill Clinton an, käme man auf rund 23 %. In diesem Zusammenhang mag interessant sein, dass unter Obama die Zahl der Amerikaner, die aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik gefallen ist, auf annähernd 15 Millionen angestiegen ist. Unter ihm wurden zwar 5,9 Millionen neue Jobs geschaffen, aber gleichzeitig wuchs die Bevölkerung um 18 Millionen. Die Qualität der Jobs wird von vielen Analysten auch kritisiert, sie verweisen darauf, dass 43 Millionen Amerikaner Lebensmittelmarken beziehen. Vor der Obama Ära waren es nur 26 Millionen.

Berechnet man übrigens das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft nach der alten Methode, so wächst sie nicht mit Raten um 2,9 % sondern im besten Falle stagniert sie. Dies bestätigen auch die kontinuierlich sinkenden Frachtraten, der rückläufige Ölverbrauch und die sinkende Industrieproduktion. In China würde man längst die Erhebungsmethoden kritisieren, dort empfiehlt man Kriterien wie den Energieverbrauch einzusetzen um das wirkliche Wachstum beurteilen zu können, nur in Amerika ticken die Uhren anders. Nachdem die mittleren Haushaltseinkommen während der Obama Ära nun aber sogar noch um 6 % und damit auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gefallen sind, hat man endgültig die Nase voll und hofft mit Trump auf eine radikale Veränderung.

Zunächst wollte niemand an einen Sieg von Trump glauben, doch nachdem dies nun Realität wurde überschlagen sich die Analysten in der Einschätzung seines Wahlprogramms. Trotz vieler Widersprüche, man erachtet ihn grundsätzlich als einen Präsidenten, welcher großen Stimmungsschwankungen unterliegen dürfte und auch des Öfteren seine Meinung ändern dürfte, scheinen die Analysten inzwischen zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass durch den neuen Präsidenten endlich Bewegung in die Wirtschaftspolitik zurückkommen wird. Er ist immerhin ein Wirtschaftler und kein Politologe. Er könnte verkrustete Strukturen aufbrechen und Neues wagen, immerhin will er das Wirtschaftswachstum verdoppeln. Er dürfte in einem gewissen Sinne pragmatisch sein, jedoch muss damit gerechnet werden, dass es sich bei seinen Lösungen stets um Lösungen handeln wird, welche seinen eigenen Vorstellungen entsprechen. Dabei ist es kein Geheimnis, dass er als Unternehmer zwar auf der einen Seite Erfolg hatte, er hat sich auf der anderen Seite aber auch nie gescheut riesige Schuldenberger auf sich zu nehmen und diese wiederum im Falle einer Pleite an den Steuerzahler umzuwälzen. Manche bezeichnen ihn daher auch als skrupellosen Geschäftsmann.
Entsprechend erwarten die Analysten nun, dass die Fiskalpolitik sich ändern wird und ein riesiges Konjunkturprogramm in die Wege geleitet wird. Zunächst sprach man von einem Programm über 300 Milliarden USD, dann waren es plötzlich 500 Milliarden USD und in der Zwischenzeit werden sogar bereits 1 Billion USD für möglich erachtet. Damit einhergehen die Erwartungen der Reflationierung, was bereits zu einer Verdoppelung der langlaufenden Zinsen geführt hat. Am Anleihemarkt machten die Renditen den größten Tagessprung seit vier Jahren. Eine gigantische Wette auf die Rückkehr der Inflation hat begonnen. Stellt sich nur noch die Frage warum dann der Goldpreis gefallen ist! Hierzu verweisen wir auf unseren Bericht der Vorwoche. Die Sorge, oder soll man derzeit sagen die Hoffnung auf eine wieder deutlich steigende Inflation, scheint auf den ersten Blick realistisch zu sein, will der neue Präsident doch nicht nur ein riesiges Konjunkturprogramm auflegen sondern gleichzeitig auch die Steuern drastisch senken. Nicht nur die Unternehmen sollen davon profitieren sondern auch die Bürger des Landes. Man spricht von einer Entlastung von bis zu 10 Billionen USD.

Doch wie soll das alles finanziert werden? Trump verfolgt das Ziel:“ Amerika first“. Dies ist eigentlich nichts Neues. Doch die Methodik könnte sich ändern. Protektionismus könnte angesagt sein. Es ist die Rede von Strafzöllen bis zu 45 %. Amerikanische Unternehmen werden aufgefordert ihr Auslandskapital nach Amerika zurückzuführen, statt 30 % Steuern will er sie auf 10 % ermäßigen und natürlich erwartet der neue Präsident steigende Steuereinnahmen aufgrund einer besseren konjunkturellen Entwicklung.

Die Wahl hat bereits gezeigt, dass es oft anders kommt als man denkt. Vor diesem Problem könnte vielleicht auch bald der neue Präsident stehen. Er hat zwar als Präsident relativ große Freiheiten Handelshemmnisse zu errichten (ganz ohne Zustimmung des Parlaments) doch viele andere Beschlüsse müssen zunächst vom Parlament abgesegnet werden. Nachdem die Republikaner nun in allen drei Sektoren das Sagen haben könnten erste Projekte, vorausgesetzt man ist sich einig, bereits nach ca. vier Monaten beschlossen werden. Diese Einigkeit scheint derzeit aber nicht wirklich gegeben zu sein. Es ist daher mit weiteren Verzögerungen zu rechnen. Eine derartige politische Konstellation gab es seit dem Jahre 1900 erst 13mal und seit 1950 erst zweimal. In diesen Fällen bewegte sich im ersten Präsidentschaftsjahr in der Regel kaum etwas. Die Geduld von Trump könnte also auf eine harte Probe gestellt werden. Darüber hinaus werden seine protektionistischen Vorhaben auf wenig Gegenliebe stoßen, mit Gegenreaktionen muss wohl gerechnet werden. Der Welthandel wird zwar nicht zum Erliegen kommen, Protektionismus dürfte ihn aber deutlich einbremsen und damit die US Wirtschaft belasten. Eine weitere Belastung zeichnet sich derzeit bereits ab und dies ist der massive Dollaranstieg. Auch wenn Trump sich auf den Binnenmarkt konzentrieren möchte, kann er die enormen Warenströme nicht von heute auf morgen umlenken geschweige denn die amerikanischen Multikonzerne auf eine derartige Strategie einschwören. Da er ja grundsätzlich als Pragmatiker angesehen wird, wird er seine aggressiven Vorstellungen wohl modifizieren müssen. Ein weiteres Problem könnte der Anleihemarkt werden. Reflationierung ist zwar gewünscht, doch ein Anleihencrash sicherlich nicht. Mit Kursverlusten von rund 15 % sind schon einige Fondsmanager ins Schwitzen gekommen. Sollte sich dieser Trend nach einer kurzen Zwischenerholung fortsetzen könnte es für die großen Anleihefonds richtig schwierig werden. Dies gilt umso mehr wenn die Verluste zum Jahresende ausgewiesen werden müssen. Es ist auch schwierig einzuschätzen wie die Bevölkerung auf einen nachhaltigen Anstieg der Inflation reagieren wird. Wie wir alle wissen ist die gefühlte Inflation in der Regel deutlich höher als die offiziell bekannt gegebenen Inflationsdaten. Derzeit liegt die nach der alten Methodik erhobene Inflation in den USA bei fast 10 %. Sollte sie weiter steigen, könnte dies den Konsum deutlich einbremsen trotz Lohnerhöhung. (Grafik, Quelle Focus Money)

Es ist also nicht auszuschließen, dass der „Trump-Effekt“ sich nur in der ersten Phase positiv auswirkt. Eine gewisse Skepsis bezüglich der längerfristigen Auswirkungen scheint angebracht zu sein

5 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Was die Fälschung der Statistiken angeht, ist Deuscthalnd ganz weit vorn dabei...

    http://finanzmarktwelt.de/tag/bundesagentur-fuer-a...

    16:45 Uhr, 25.11.2016
  • Market Impact
    Market Impact

    derzeit 10% inflation , kann ich nicht glauben. dann müssten ja die löhne wie verrückt steigen damit die in 2 oder 3 jahren noch ihre miete zahlen können.

    16:31 Uhr, 25.11.2016
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Endlich bringt mal jemand die Wahrheit auf den Punkt.

    15:31 Uhr, 25.11.2016
  • barkovsky
    barkovsky

    Trump(f)

    13:32 Uhr, 25.11.2016
  • Ridicule
    Ridicule

    Es wird für die USA keine Einbahnstraße werden, aber unter der Oberfläche hat sich der zugrundeliegende Trend geändert. US-Aktien werden interessanter (wenn sich das Wachstum einstellt; die Gewinnstagnation endete bereits in diesem Quartal), US-Bonds vielleicht etwas weniger. Es wird eine Menge Versuchsballons geben, mancher wird platzen, die meisten werden aufgehen (dafür wird der US-Pragmatismus schon sorgen). Europa mit Deutschland (schaut auf das Geeiere seit drei Monaten und Trump hat eine deutsche Firma noch nicht mal vom Wettbewerb ausgeschlossen) werden weiterhin planlos Richtung Westen schauen und zuhause nichts zustandebekommen.

    12:50 Uhr, 25.11.2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

stock3-Team
stock3-Team
Redaktion

Das stock3-Team:

Gebündelte Expertise in Fachartikeln, Chartanalysen und Videobeiträgen: Das stock3-Team rund um Bastian Galuschka und Floriana Hofmann setzt sich aus erfahrenen Redakteuren und Technischen Analysten zusammen. Kein Bullen- oder Bärenmarkt der letzten Jahre – wenn nicht Jahrzehnte –, kein Crash, kein All-time-High, keine spannenden Börsenthemen also, die sie nicht redaktionell begleitet bzw. selbst gehandelt haben. Regelmäßig analysieren und kommentieren die unabhängigen Experten die Ereignisse an den wichtigsten Börsen weltweit und haben dabei sowohl die Entwicklung von Sektoren und Indizes als auch Einzelaktien im Blick. Zudem unterstützt das stock3-Team interessierte Anlegerinnen und Anleger bei deren Weiterbildung rund um ihre Trading-Strategien.

Mehr über stock3-Team
Mehr Experten