Kommentar
10:35 Uhr, 09.01.2008

Stagflation - Inflation im neuen Gewand?

Inflation ist wieder im Gespräch. Das heißt, genauer gesagt, die steigende Inflation bei Gütern und Leistungen, die vor allem durch die höheren Rohstoffpreise angetrieben wird und anscheinend die hohe Inflation bei Vermögenswerten (Preisanstieg bei Immobilien, Wertpapieren, Kunstgegenständen usw.) abgelöst hat. Letztere hat in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Steigerung des weltweiten Vermögens beigetragen.

Vor dem Hintergrund wachsender Rezessionsängste ist das Wörtchen „Stagflation" jetzt in aller Munde – jedenfalls so häufig wie schon seit 1990 nicht mehr! Bei Ölpreisen von 100 Dollar pro Barrel bleibt auch der Vergleich mit den wirtschaftlich schwierigen 1970er Jahren nicht aus, insbesondere wenn man mit Aktienpessimisten spricht.

Das ist nach unserem Dafürhalten allerdings etwas übertrieben. Die in den 70er und frühen 80er Jahren weltweit galoppierende Inflation unterschied sich in vielerlei Hinsicht von der gegenwärtigen Situation und stellte ein in den letzten 200 Jahren einzigartiges Szenario dar. Zunächst einmal verfügten die Notenbanken in den 70ern nicht über konkrete Inflationsziele. Es bestand lediglich ein vages Postulat der Preisstabilität. Entsprechend richtete sich das Augenmerk auf Wachstum, während Preis treibende Faktoren unterschätzt wurden. Heutzutage stimmen sich die Zentralbanken stärker miteinander ab und sind in ihren geldpolitischen Entscheidungen autonomer. Die Inflationsentwicklung ist stärker in den Mittelpunkt gerückt; dies gilt vor allem für die EZB und weniger für die amerikanische Notenbank Fed.

Zweitens war die Verhandlungsmacht der Beschäftigten in jenen Jahren weitaus höher – starke Gewerkschaften und geringes Outsourcing-Potenzial machten es möglich. Und drittens war die Produktivität geringer, weil man einerseits noch nicht in dem Maße auf den technologischen Fortschritt zugreifen konnte und andererseits häufige Streiks die wirtschaftliche Entfaltung lähmten. Von diesen drei Faktoren angetrieben, geriet die Lohn-/Preisspirale in den 70er Jahren weitaus häufiger aus dem Lot, als dies heutzutage der Fall ist.

Im weltwirtschaftlichen Wandel zeigt sich auch die Inflation im neuen Gewand. Unter den wachsamen Augen der Zentralbanken, bei stetigem Produktivitätswachstum und einem wahrhaft globalen Arbeitsmarkt ist ein Aus-dem-Ruder-Laufen nicht sehr wahrscheinlich.

Wir sehen uns jetzt mit einer wachsenden Verbraucherpreisinflation konfrontiert. Was bedeutet das für Investoren?

Zunächst einmal drückt die Inflation die Anleiherenditen nach oben und beschränkt damit den Spielraum der Notenbanken bei der Senkung der Geldmarktzinsen. Was die Inflation von Vermögenswerten betrifft, sind das schlechte Nachrichten. Die Folgen sind bereits abzusehen: Aktien, Anleihen und Immobilien schnitten in der zweiten Jahreshälfte 2007 vergleichsweise schlecht ab. Momentan sieht es so aus, dass wohl auch 2008 für die meisten Asset-Klassen ein schwieriges Jahr wird, wenn auch attraktive Bewertungen eine gewisse Erleichterung schaffen.

Unter den Investoren macht sich jetzt Risikoscheu breit. Allerdings bringen risikolose Anlagen derzeit kaum mehr als 4 Prozent Rendite, die zudem nahezu vollständig von Steuern und steigender Inflation aufgezehrt wird.

Welche Alternativen gibt es?

Aktienanlagen, die in den letzten Jahren außerordentlich gut abgeschnitten haben, wie beispielsweise Small Caps, Bautitel, allgemeine Industriewerte und Immobilienaktien, sind wahrscheinlich noch nicht preisgünstig genug. Auch Schwellenländerwerte fallen in diese Kategorie, sollten aber so lange gut abschneiden, wie die USA-Wirtschaft nicht in eine Rezession abgleitet.

Aktien von Unternehmen mit hohem Ertragswachstum (10 Prozent und darüber) werden selten und dürften sich daher in 2008 positiv entwickeln. Unternehmen, die höhere Preise an ihre Abnehmer weitergeben können (wie Versorger, Lebensmittelhersteller und Rohstoffproduzenten), sowie Unternehmen mit hohem Volumenwachstum (Mobilfunkanbieter, Internet) sollten von dieser Entwicklung profitieren. Auch Anlageformen, die die Rezession bereits eingepreist haben, wie z. B. Hochzinsanleihen, sind interessant. Ein Korb gut diversifizierter Investments in diese Art von Assets sollte sich auch 2008 auszahlen.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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