Kommentar
09:09 Uhr, 17.11.2014

Sparen ist ein Luxusgut

Sparen wird immer mehr zum Luxusgut. Das ist nicht nur für den Einzelnen bedauerlich, sondern auch ein Problem für die Wirtschaft.

Vor zwei Wochen wurde eine neue Studie zur Vermögensungleichheit veröffentlicht. Die meisten Studien zeigen lediglich, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Dahinter stehen mehrere Effekte. Vor allem die Sparquote ist Treiber Nummer 1 dieser Entwicklung.

In den USA liegt die Sparquote der Top 1% der Einkommensverteilung bei 40%. Damit ist der Wert so hoch wie lange nicht. Zuletzt gab es einen solchen Wert in den 80er Jahren. In allen anderen Einkommensgruppen sieht es anders aus. Hier steigt die Sparquote nicht an, sondern fällt. Die Top 10% legten nach der Krise wieder etwas mehr zur Seite und haben nun eine Sparquote von ungefähr 10% des verfügbaren Einkommens. Alle anderen – die unteren 90% der Einkommen (was der absolut überwiegende Teil der Bevölkerung ist) – sparen so gut wie gar nicht mehr. Die Sparquote liegt irgendwo bei 1,5 bis 2,5%.

Die niedrige Sparquote liegt nicht daran, dass die Menschen nicht sparen wollen. Sie können nicht sparen. Die untersten 40% der Einkommensverteilung können einfach nicht sparen. Hier schwankt die Quote um 0%. In einigen Jahren ist sie minimal positiv mit 0,1%, mal leicht negativ. Stark negativ kann sie nicht werden, da Banken ihnen keine hohen Kreditsummen gewähren würden.

Für die, die nicht sparen können, wird das langfristig zum Problem. Es ist unmöglich aus der Armutsfalle herauszukommen. Mit zunehmendem Alter wird die Gefahr endgültig in die Armut abzurutschen immer größer. Falls es überhaupt eine Rente gibt, ist sie sehr klein und unzulänglich. Durch privates Vermögen kann das nicht wettgemacht werden. Dass immer weniger in den unteren Einkommensgruppen gespart wird, ist nicht verwunderlich. Bis in die frühen 80er Jahre lag der Reallohnzuwachs bei ungefähr 3% pro Jahr für die unteren 90% und bei nicht einmal einem Prozent bei den Top 10%. Heute ist es umgekehrt. Der Reallohn der unteren Einkommen schrumpft. Topverdiener verdienen jedes Jahr mehr.

Gesellschaftlich birgt diese Entwicklung Sprengstoff, aber auch für die Wirtschaft bringt das langfristig Probleme mit sich. In den USA ist die Gesamtsparquote seit Jahrzehnten rückläufig. Private Haushalte tragen positiv zur Sparquote bei. Dieser Beitrag liegt bei ca. 7%. Der Staat hat eine negative Sparquote von 3%. Zusammen werden ungefähr 4% des Bruttoinlandsproduktes pro Jahr gespart.

In der Ökonomie gilt die Grundregel: heutiges Sparen ist das Investment von morgen.

Wird zu wenige gespart, dann fehlt irgendwann das Geld für Investitionen. Das begrenzt das Wachstum langfristig erheblich. Noch ist die Sparquote immerhin positiv. Da aber ein Großteil der Ersparnis bei wenigen konzentriert ist, funktioniert das Modell nicht einwandfrei. Je konzentrierter das Vermögen ist, desto ineffizienter kann es wieder eingesetzt werden. Es bringt nichts, wenn das gesamte Vermögen bei einer Person auf dem Konto liegt. Banken können das zwar wieder verleihen, aber irgendwann muss es auch zurückgezahlt werden. Da aber die Einkommen zu niedrig sind, um zu sparen, besteht keine Chance auf Rückzahlung. Es wird daher erst gar nicht per Kredit umverteilt.

Die Ungleichverteilung von Vermögen ist nicht nur gesellschaftlich bedauerlich, es ist auch die größte Gefahr für das Wirtschaftswachstum. Lösungsvorschläge zu dem Thema gibt es, sie sind allerdings bestenfalls schlecht. Einige Ökonomen schlagen vor auf jegliches Einkommen eine Zwangssparquote anzuwenden. Egal, wie viel jemand verdient, er müsste dann z.B. 3% des Einkommens zur Seite legen. Für Menschen, die Probleme haben die Stromrechnung zu zahlen, klingt das wie ein schlechter Witz.

Ob überhaupt eine gute Lösung für das Problem gefunden wird, muss man abwarten. Die Zeit läuft sicherlich davon. Gelingt es nicht, eine gute Lösung zu finden, gibt es nur einen Ausweg: schwere wirtschaftliche Depression. Dann verlieren die Wohlhabenden ihr Vermögen größtenteils. Die Vermögensverteilung wird wieder ausgeglichener.

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7 Kommentare

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  • Investor
    Investor

    ​Lieber student,

    die Auflösung der Deutschland AG ist nicht die Ursache des Problems. Wir sehen den real Kaufkraftverlust in allen westlichen Gesellschaften. Herr Hauser hat einmal einen Artikel geschrieben, daß zwischen 90 bis heute der Mittelstand in USA etwa 37% Kaufpreisverlust hatte, analoges gilt in Europa.

    Die Ursache muß deshalb eine andere sein. Mir persönlich fallen nur zwei Ereignisse ein, die letztlich hier reinspielen (lasse mich aber gerne eines Besseren beelehren): share holder value, und Globalisierung.

    Ich vernorde das Problem eher bei Globalisierung mit einem turbo share holder value, wobei sich beide Begriffe inhaltlich seit 2000 gewandelt haben.

    Wenn zB die T-Systems ankündigt, Systemtechniker in D zu reduzieren und in Osteuropa aufzubauen, dann kommt sie den Anforderungen ihrer Kunden nach billigeren Preisen nach. Ein Techniker in D kostet die T-Systems in der Größenordnung 60-70t Euro pro Jahr. Ein Techniker in Polen kostet weniger ca 20t Euro. Personalkosten machen bei T-Systems ca 50%. In beiden Fällen haben die Mitarbeiter einen Hochschulabschluß, die innerhalb der EU qualitativ etwa vergleichbar sind. Die Einbindung in deutsche Teams kann durch die moderne Technik erfolgen, denn auch in D sitzen die MA geografisch verteilt.

    Analog haben nahezu jedes DAX und MDAX Unternehmen angekündigt, Teile ihrer MA in Niedriglohnländer zu verlagern. Ab einer bestimmten Größenordnung muß sich ein Manager die Frage stellen, stellt er neue MA eher in D oder woanders ein.

    Natürlich ist diese Verlagerung die Voraussetzung für den Aufstieg der EMs. Dort werden die MA in westlichen Firmen überdurchschnittlich bezahlt und tragen für den steigenden Wohlstand bei.

    Im Gegenzug haben strukturell nur Beschäftigungen eine Chance, die in Deutschland einen Mehrwert bieten (Vertrieb, stationärer Handel, Warenverteilung, usw). Dadurch werden im Westen viele Geschäftsmodelle in Frage gestellt. Aus meiner Sicht ist dies die Ursache des Reallohnverlustes.

    In den 80er Jahren hat Deutschland zB die Textilindustrie nach Portugal verlagert und dort für Beschäftigung gesorgt. Um 2000 wurde dann die Textilindustrie wegen niedrigerer Löhne von Portugal nach Bangladesh verlagert.

    Die einzelnen Länder haben auf diese Entwicklung unterschiedlich reagiert. In D wurde der Gürtel enger geschnallt und auf Einkommen verzichtet. In Portugal oder USA wurde die fehlende Kaufkraft über Kredite finanziert und endeten letztlich in der subprime oder Schuldenkrise.

    Wenn meine Analyse richtig ist, dann ist die Spekulationswelle eine Folge dieser Entwicklung und nicht die Ursache.

    Die Herausforderung wird nun darin bestehen, den Wohlstandstransfer aus den Westen zu organisieren. Ich stimme mir zu, dies hängt eng mit der künftigen globalen Arbeitsteilung zusammen. Die Schwierigkeit aus meiner Sicht besteht jedoch darin, daß der Westen strukturell deutlich schwächer wächst (und damit auch die Einkommen) als die EMs. Wenn Europa mit 1% wächst und China mit 7%, dann wird dadurch Wohlstand von Europa nach China transferiert. Höhere Nachfrage verteuert bei gleicher Produktion die Preise und höhere Preise bei niedriger Lohnentwicklung bedeutet Wohlstandstransfer. Naturbedingt zuerst von den niedrigen Einkommen, da dort der Wettbewerbsdruck bei der Arbeit höher ist.

    07:22 Uhr, 18.11.2014
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    ​Sehr geehrter Herr Schmale,

    zu diesem wunderbaren Artikel möchte ich auch einen kleinen Obolus leisten.

    "dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Dahinter stehen mehrere Effekte. Vor allem die Sparquote ist Treiber Nummer 1 dieser Entwicklung."

    Doch warum können die Reichen so viel sparen?

    Und der Rest der Bevölkerung nicht ? Oder sind letztere einfach nur zu unbeholfen?

    Das Geheimnis der Reichen liegt im meisterhaften Umgang mit dem Steuergesetz. Der Lobbyismus verstärkt diesen Trend noch. Die demokratische Mehrheit hat keine Lobby, die Bundestagsabgeordneten geben sich mehr als Weisungsempfänger denn als Führungskräfte.

    Und weiter gilt es zu beachten:

    Die Armen haben ein Einkommen

    zahlen davon ihre Sozialversicherung und die Steuern

    und leben vom Rest.

    Die Reichen haben ein Einkommen und eine Firma

    geben davon soviel wie möglich aus (Investitionen, Rücklagen und Betriebsausgaben)

    und zahlen vom symbolischen Rest die Steuern.

    Bis zum Fall der Mauer 1989 hatten wir noch eine volkswirtschaftlich sinnvolle und wirtschaftstreibende Verteilung der Unternehmensgewinne an die Aktionäre und vor allem an die Beschäftigten durch kräftige Lohnsteigerungen. Dieses Lohnvolumen war der Grund, warum sich die Wirtschaft in einer steten Aufwärtsspirale von realem Wohlstand und Wachstum befand.

    Nur der Angst und den Ressentiments der Eliten Großbritanniens, Frankreichs und von Amerika gegenüber einem wiedererstarkten " Vierten Reich" ist es zu "danken", dass durch den beschlossenen Paradigmenwechsel Globalisierung und Neoliberalismus in den darauffolgenden 25 Jahren die nationalen Volkswirtschaften durch die Einführung einer unpassenden Eurowährung für alle Länder mit gezielter Überschuldung der Staaten handlungsunfähig sind. Zudem sinkt das frei verfügbare Einkommen breiter Bevölkerungsschichten durch die falsche Fokussierung auf den Primat der möglichst steuerbefreiten Gewinnmaximierung der Unternehmen.

    15:17 Uhr, 17.11.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    ​Ökonomen schlagen eine Zwangssparquote vor, Ökonomen verteidigen Negativzinsen auf Sparguthaben, Ökonomen befürworten die Rettung von Zombiebanken auf Kosten des Steuerzahlers, Krugman, Stieglitz und Bofinger rufen nach einer Abschaffung der Schuldengrenze und wollen gerne Geld drucken bis der Arzt kommt.

    Man fährt das System langsam aber sicher an die Wand und wundert sich gleichzeitig, das der kleine Mann nicht mehr sparen kann. Wie bekloppt sind den diese Herren???? Die grundsätzlichen Gesetze der Ökonomie können auf Dauer nicht außer Kraft gesetzt werden. Das werden die Starökonomen der Gegenwart auf die hart Tour lernen und zwar bald.

    10:09 Uhr, 17.11.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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