Kommentar
11:30 Uhr, 02.07.2021

So arm sind die Menschen in Deutschland wirklich

Deutschland gilt als reiches Land, aber in Wahrheit sind seine Bewohner im EU-Vergleich nicht besonders wohlhabend. Ein wichtiger Grund: Der private Vermögensaufbau mit Aktien wird nicht ausreichend gefördert.

Die dänische Notenbank hat in dieser Woche Daten zum durchschnittlichen Nettovermögen pro Person in allen 27 EU-Ländern veröffentlicht. Wie bereits frühere Statistiken zum Thema gezeigt haben, ist Deutschland nach dieser Auswertung innerhalb der EU kein besonders wohlhabendes Land. Ganz im Gegenteil: Im Durchschnitt landen die Einwohner dieses Landes im Bezug auf ihr Nettovermögen im EU-Vergleich eher im Mittelfeld.

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Im Durchschnitt kommen die Einwohner Deutschlands auf ein finanzielles Nettovermögen von rund 70.000 Euro pro Person. Dabei muss man bedenken: Der Durchschnitt wird durch einzelne sehr große Vermögen systematisch nach oben verzerrt. Ohne einzelne sehr große Vermögen fällt der Durchschnitt noch deutlich niedriger aus.

Deutlich wohlhabender als die Menschen in Deutschland sind die Menschen in den skandinavischen Ländern sowie in den Benelux-Staaten. Ganz oben im Ländervergleich landet Dänemark mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von fast 180.000 Euro pro Person. Weitere Länder in den Top fünf sind die Niederlande, Schweden, Luxemburg und Belgien.

Auch in Frankreich und Italien ist das durchschnittliche finanzielle Nettovermögen pro Person höher als in Deutschland. Erstaunlich ist das auch deshalb, weil die Wirtschaftsleistung pro Person gemessen am Bruttoinlandsprodukt in diesen Ländern niedriger ist als in Deutschland. Das bedeutet: Die Menschen in Deutschland erwirtschaften zwar mehr als die Einwohner Frankreichs oder Italiens, aber es schlägt sich trotzdem nicht in einem höheren Vermögen der Menschen in diesem Land nieder.

Für die relative Armut der Deutschen im Vergleich zu anderen EU-Ländern gibt es verschiedene Gründe. Ein wichtiger Grund: Der private Vermögensaufbau wird von staatlicher Seite nicht ausreichend gefördert, sondern im Gegenteil mit einer immer höheren Steuerlast belegt. Zwar existieren Förderprogramme wie die Riester-Rente, viele dieser Produkte sind wegen der hohen Gebühren aber vor allem ein Vermögensförderprogramm für die Finanzbranche und die Banken.

Seit 2009 gab es eine ganze Reihe zusätzlicher steuerlicher Belastungen von Privatanlegern: Mit der Einführung der Abgeltungssteuer wurde die einjährige Spekulationsfrist, die früher das langfristige Anlegen in Aktien attraktiv gemacht hat, abgeschafft. Die Einführung einer steuerlichen Vorabpauschale vor einigen Jahren hatte zur Folge, dass Anleger in thesaurierenden ETFs und Fonds jährlich vom Fiskus zur Kasse gebeten werden, auch wenn sie nur Buchgewinne erzielt haben. Und durch die Begrenzung der Verlustverrechnung von Termingeschäften und die Nicht-Absetzbarkeit von Totalverlusten werden einige Privatanleger entgegen jeder Logik und jeder Steuergerechtigkeit in Zukunft sogar zur Kasse gebeten, wenn sie unter dem Strich einen Verlust verbucht haben.

Politische Entscheidungsträger, denen auch das finanzielle Wohlergehen der Menschen in diesem Land ein Anliegen ist, müssten angesichts von Negativzinsen und Anlagenotstand gerade das langfristige Investieren in Aktien fördern. Aktien verbriefen schließlich Eigentumsrechte an börsennotierten Unternehmen. Wie die vergangenen Jahre und Jahrzehnte gezeigt haben, geht die Vermögensschere häufig gerade deshalb auseinander, weil die arbeitende Bevölkerung von steigenden Gewinnen der Unternehmen oft nur unterproportional profitiert. Durch den Kauf von Aktien können Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zu Miteigentümern von Unternehmen werden. Eine wirksame staatliche Förderung des Aktiensparens durch die Politik wäre deshalb sehr wünschenswert.


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15 Kommentare

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  • Unentschieden
    Unentschieden

    https://m.faz.net/aktuell/wirt...

    Wem die u.g. Fakten über das Medium "Tichys Einblick" nicht gefallen, hier nochmal der selbe Inhalt via FAZ.

    22:11 Uhr, 03.07. 2021
  • Unentschieden
    Unentschieden

    Es ist ja nicht so, dass in Deutschland nichts erwirtschaftet wird, was theoretisch zu Vermögen führen könnte. Es ist nur so, dass diejenigen, die den Laden am Laufen halten, immer weniger werden.

    "Jeden dritten Euro, der hierzulande erwirtschaftet wird, nimmt der Staat also den Erwirtschaftern weg, um ihn anderen, seiner Auffassung nach Bedürftigen zu geben."

    https://www.tichyseinblick.de/...

    Wenn ich jetzt noch bedenke, dass auch vom ersten oder zweiten erwirtschafteten Euro über die Krake EU ein Teil an Länder transferiert wird, die in o.g. Tabelle vor Deutschland liegen, komme ich dem Ganzen wohl eher auf die Spur als über eine angebliche fehlende staatliche Förderung des Aktiensparens.

    13:33 Uhr, 02.07. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • DPMUC
    DPMUC

    ist in diesen Zahlen die Rentenversicherung enthalten?

    Haupttreiber zu Italien und Frankreich ist auch der Immobilienbesitz.

    12:19 Uhr, 02.07. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • Juno91
    Juno91

    und wo stehen die Norweger ? Die haben doch ihren Staatsfond !

    12:18 Uhr, 02.07. 2021
    2 Antworten anzeigen
  • Long-only-Investor
    Long-only-Investor

    Liegt das wirklich "nur" an Steuern und niedrigeren Renditen in der Vermögensanlage oder wird im internationalen Vergleich auch mehr konsumiert?

    12:16 Uhr, 02.07. 2021
  • katzenfreund
    katzenfreund

    Ach was. Eine bekannte populistisch- nationale politische Partei sieht andere Ursache:: unmenschlich kaputtgesparte Beamte. . . Spass beiseite. keine Partei hat irgendwie Förderung privaten Vermögensausfbaus im Programm.

    11:40 Uhr, 02.07. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • FINANZEN
    FINANZEN

    Diese Politiker in Deutschland haben das deutsche Volk nicht verdient. Politik wird nur noch für Randgruppen gemacht, nicht mehr fürs Volk.

    11:37 Uhr, 02.07. 2021

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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