Kommentar
09:46 Uhr, 01.07.2015

Sind die Vermögen wirklich so konzentriert wie nie?

Der derzeit reichste Mann der Welt, Bill Gates, hat ein Vermögen von gut 79 Mrd. USD. Wem das viel erscheint, der kennt die historisch reichsten Menschen noch nicht.

Historisch gesehen sind die reichsten der Reichen heute fast schon arme Schlucker. Einige wenige bringen es der aktuellen Forbes 500 Liste nach zwar auf ein Vermögen von über 50 Mrd. USD, doch im Vergleich ist das wenig. Historische Persönlichkeiten wie Wilhelm der Eroberer (England 11. Jahrhundert) oder Mansa Musa (Malisches Königreich 13./14. Jahrhundert) sollen Vermögen nach heutigen Maßstäben von 220 und 400 Mrd. angehäuft haben.

Diese Zahlen sind äußerst beeindruckend und verleiten zu dem Schluss, dass die Ungleichverteilung von Vermögen heute gar nicht so schlimm sein kann. Nun, das 11. oder 14. Jahrhundert ist eine Weile her. Die Zahlen sind also mit allerhöchster Vorsicht zu genießen. Bei der hohen Unsicherheit darf man sich nicht wundern, wenn das tatsächliche Vermögen letztlich bei der Hälfte oder dem Doppelten lag. Herausfinden lässt sich das nicht mehr.

Man muss nicht hunderte Jahre zurückgehen, um so beeindruckende Zahlen zu finden. Das 19. und 20. Jahrhundert bieten ausreichende Daten, die zudem deutlich zuverlässiger sind. Demnach brachte es John D. Rockefeller auf ein Vermögen von 280 bis 340 Mrd. USD nach heutigen Maßstäben.

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Die erste Grafik zeigt die reichsten Amerikaner der Geschichte und vergleicht sie mit den aktuell reichsten Amerikanern. Ganz oben bleibt Rockefeller. Zu seinen besten Zeiten kontrollierte die von ihm gegründete Standard Oil Gesellschaft 90% des US Ölgeschäfts. Nominal entsprach sein Vermögen zu seinen besten Zeiten 1,5 Mrd. USD. Die Grafik zeigt diesen Wert nicht (zu sehen in der 2. Grafik). Stattdessen ist dieses Vermögen inflationsbereinigt dargestellt. Das reale Vermögen zeigt einfach den nominellen Vermögenswert von damals, aber um die Inflation korrigiert. Korrigiert man die 1,5 Mrd. um die Inflation, dann ergibt sich ein reales Vermögen von knapp 25 Mrd. USD.

Zwischen 25 Mrd. und 280 Mrd. liegt ein großer Unterschied. Wie kommt man überhaupt dazu aus 1,5 Mrd. nominalem und 25 Mrd. realem Vermögen 280 Mrd. zu machen?

Diese Frage habe ich mir auch lange gestellt, denn beim besten Willen kommt man durch alle möglichen Indexierungen niemals auf so hohe Werte. Trotzdem weisen zahllose Listen der reichsten Menschen aller Zeiten relativ konsistent diese hohen Werte aus. Das liegt sicherlich einerseits daran, dass alle voneinander abschreiben (den Zynismus möge man mir bitte nachsehen) und andererseits die Indexierung nichts mit Inflation zu tun hat.

Rockefellers 1,5 Mrd. USD Vermögen entsprachen einem Anteil von über 1,5% des damaligen Bruttoinlandsproduktes. Legt man diesen Prozentsatz auf das heutige BIP um, dann ergeben sich diese unvorstellbar großen Zahlen. Bill Gates kommt mit seinem Vermögen auf knapp 0,5% des US BIPs. Das ist etwas weniger als Andrew Carnegie, der mit 0,6% des BIPs als der ärmste unter den reichen, historischen Persönlichkeiten rangiert.

Spannend ist der Ursprung des Vermögens der einzelnen Personen. Rockefellers Vermögen war ziemlich einseitig auf Öl aufgebaut. Vanderbilt bezog sein Vermögen aus der Schifffahrt und Eisenbahn. Carnegie war ein Eisen und Stahl Magnat. Zu Ford muss man nichts sagen. Besonders interessant ist John Jacob Astor. Dieser baute über Pelzhandel ein Vermögen auf und vermehrte es in späteren Jahren noch über Immobilien.

Mitte des 19. Jahrhunderts war Astor der reichste Amerikaner. Wer hätte gedacht, dass man mit Pelzen zum reichsten Mann seiner Zeit werden kann... Das Vermögen betrug damals nominal 20 Mio. USD. Inflationsindexiert entspricht es 2,5 Mrd. und BIP indexiert über 100 Mrd.

Die BIP Indexierung zeigt für historische Persönlichkeiten erstaunliche Resultate. Ob diese Indexierung nun aber wirklich die Realität am besten widerspiegelt steht auf einem anderen Blatt. Bevor ich darauf eingehe möchte ich noch kurz auf Grafik 2 eingehen. Dargestellt sind die nominellen Vermögen und die nur mit der Inflation indexierten Werte. Das Bild sieht ganz anders aus als in Grafik 1. Henry Ford war demnach der reichste unter den historischen Persönlichkeiten mit knapp 30 Mrd. USD Vermögen. Astor und Vanderbilt lassen sich kaum ausmachen.

Im Vergleich zur BIP Indexierung zeigt die Inflationsbereinigung ein Bild, bei dem die aktuell 20 reichsten Amerikaner jeder für sich mehr Vermögen haben als die reichste Person in den 200 Jahren zuvor. Was gilt nun aber, die BIP Indexierung oder die Inflationsbereinigung?
Beide Methoden liefern komplett unterschiedliche Ergebnisse. Letztlich sollen beide dazu führen, dass sich damaliger Reichtum mit heutigem vergleichen lässt. Man möchte schließlich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Persönlich favorisiere ich die Inflationsbereinigung, wobei auch diese sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Es geht schließlich um die Frage, wie hoch das Vermögen von Rockefeller heute wäre, würde er seinen Erfolg jetzt wiederholen. Dazu reicht die Inflationsbereinigung nicht aus. Gesetze würden es ihm wohl strikt untersagen 90% des US Ölmarktes zu kontrollieren. Ein solches Unternehmen würde aufgespalten werden. Rockefeller könnte heute entsprechend nicht mehr über 1,5% des BIPs an sich reißen, sondern vermutlich „nur“ 0,3 oder 0,4%.

Regulation, vor allem aber Wettbewerbsgesetze, würden heute die enorme Konzentration der damaligen Geschäftsmodelle verhindern. Bezieht man diese Faktoren in die Überlegungen mit ein, dann klafft zwischen den indexierten Vermögen und den heute reichsten Amerikanern eine große Lücke und zwar zugunsten der heute reichsten Menschen.

Jedem ist bekannt, dass die Ungleichverteilung von Vermögen in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen hat. Inzwischen gibt es einige Arbeiten, die versuchen dieses Wissen als Mythos zu entlarven und bemühen Beispiele wie die von Rockefeller. Es wird argumentiert, dass das Vermögen von Rockefeller und Ford heute um ein Vielfaches höher wären als jenes von Bill Gates und Buffett. Persönlich wage ich das zu bezweifeln, denn die heutige Wirtschaft ist einfach nicht mit der damaligen zu vergleichen. Insbesondere Regulation schiebt bestimmten Formen des Reichtums einen Riegel vor.

In der Vergangenheit wurde Reichtum auf der Grundlage von Monopolen geschaffen. Das war ein idiotensicheres Erfolgsrezept. Heute ist das nicht mehr so einfach möglich. Das ignorieren Berechnungen, die einfach eine BIP Indexierung vornehmen. Persönlich bin ich der Ansicht, dass die heute reichsten Menschen der Welt auch historisch gesehen die reichsten Menschen sind. Das gilt, obwohl Regulation Monopole verhindert. Das macht die enorme Vermögenskonzentration umso bemerkenswerter.

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7 Kommentare

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  • Publius
    Publius

    Vielen Dank für die interessanten Informationen Herr Schmale. Auch wenn der Ölmarkt heute nicht durch eine einzelne Person kontrolliert wird und wahrscheinlich auch nicht mehr kontrolliert werden kann, sollte man beachten, dass Mark Zuckerberg mit Facebook aktuell sehr wohl über ein Monopol verfügt, dass ihn in jungen Jahren zum Multimilliardär gemacht hat...

    Ich kann mich im übrigen meinen Vorrednern nicht anschließen, die anscheinend jede Erwähnung von Großvermögen reflexartig dazu nutzen, ihre undifferenzierte Kapitalismuskritik zu äußern...

    12:14 Uhr, 01.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Wolfi81
    Wolfi81

    Eine wichtige Zahl, die Berücksichtigung finden müsste, wäre die Zahl der Einwohner. Denn es ist ja ein erheblicher Unterschied, ob 400 Mio. dieses BIP erwirtschaften oder 100 Mio..

    11:51 Uhr, 01.07.2015
  • Danyo
    Danyo

    Und vor allem werden inzwischen wieder immer mehr lokale Monopole mit dem Hinweis der Globalisation / dem internationalen Wettbewerb hingenommen

    10:46 Uhr, 01.07.2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Regulation ueber Wettbewerbsgesetze.........uahahah, der war gut. Zudem gab es vor 200 Jahren global nur eine handvoll die mehr als ein paar Milluonen besassen. Heute sind das Zehntausende, eher Hundertausende und der Rest hat fast nix. Fraglich ist: Was wollen Sie denn mit dem Artikel ueberhaupt aussagen?

    10:20 Uhr, 01.07.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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