Kommentar
13:00 Uhr, 29.04.2015

Shareholder-Vulture statt Value: Wie Unternehmen die Wirtschaft zugrunde richten

Der CEO des weltgrößten Asset Managers BlackRock warnt davor, dass die Unternehmenspolitik langfristige Schäden für die Unternehmen selbst und die Wirtschaft verursachen.

Im Zentrum der Kritik stehen die Manager der größten US Unternehmen. Ihre auf Shareholder Value ausgerichtete Firmenpolitik ist fehlgeleitet. Das ist ein starkes Stück. Als weltgrößter Asset Manager sollte BlackRock eigentlich Shareholder Value Maximierung unterstützen. Mit über 4,5 Billionen an Assets under Management ist Blackrock sicherlich eine der mit Abstand größten Interessensgruppen unter Aktionären. Und dann so etwas? Wie kommt ein Unternehmen dazu, welches sein Geld mit steigenden Aktienkursen verdient, das Management der vergangenen Jahre zu kritisieren, wo sie doch davon profitiert haben?

BlackRocks CEO Laurence Fink prangert die exorbitanten Aktienrückkaufprogramme und Dividendenzahlungen an

Sie sorgen dafür, dass inzwischen fast 100% der erwirtschafteten Gewinne an Aktionäre ausgeschüttet werden. Das mag kurz- und mittelfristig die Aktienkurse nach oben treiben, doch langfristig ist das eher kontraproduktiv. Jeder Dollar, der ausgeschüttet wird, wird nicht investiert. Unternehmen argumentieren, dass sie keine Investitionsmöglichkeiten finden. Das ist natürlich Unsinn. Investieren kann man immer, sei es in Forschung und Entwicklung, Mitarbeiter oder Expansion. Dafür bleibt kaum Geld übrig. Das schmälert die langfristigen Ertragschancen der Unternehmen. Es fehlt ihnen an neuen Produkten und Innovationen.

Die meisten Aktionäre sehen die Sache anders als BlackRocks CEO. Sie freuen sich über jeden zusätzlichen Dollar, der in Aktienrückkäufe gesteckt wird. Kündigt ein Unternehmen ein Rückkaufprogramm von 10 Mrd. an, dann steigt der Börsenwert eines solchen Unternehmens schnell einmal um 15 Mrd. Das macht eigentlich überhaupt keinen Sinn. Die Zahl der Aktien reduziert sich zwar und erhöht somit den Gewinn pro Aktie, aber das würde lediglich einen Anstieg des Börsenwertes um den Betrag der Rückkäufe rechtfertigen. Als Beispiel nehmen wir an, dass das Unternehmen, welches um 10 Mrd. Aktien zurückkauft, 100 Mrd. wert ist. Das Unternehmen nimmt also 10% der Aktien vom Markt. Bei gleichbleibendem Gewinn steigt so der Gewinn je Aktie um 10%. Was macht der Kurs der Aktie? Er springt um 15% nach oben. Der Wert des Unternehmens erhöht sich dadurch plötzlich um 15%. Durch den Rückkauf von 10% der Aktien wird Eigenkapital von der Börse genommen, sodass der Wert des Unternehmens dann auch wieder sinkt. Durch den Kurssprung von 15% (und nicht 10%) ist das Unternehmen nun aber effektiv mehr wert als es vorher war.

Das kann man schon fast als reine Magie bezeichnen. Es macht zwar fundamental gesehen überhaupt keinen Sinn, aber so „ticken“ Aktionäre heutzutage. Sie weisen Aktienrückkäufen mehr Wert zu als Gewinnwachstum durch Expansion. Sie freuen sich mehr, wenn der Gewinn je Aktie durch Rückkäufe steigt als wenn ein Unternehmen durch ein erfolgreiches, neues Produkt wächst.

FInk: Missverstandene Shareholder Value Politik bremst Unternehmen aus

Fink bringt einen interessanten Punkt auf, wenn er gegen die Rückkaufprogramme argumentiert. Rückkäufe sind ein eher entmutigendes Signal. Unternehmen geben damit zu, dass sie nicht in der Lage sind das Kapital gewinnbringend einzusetzen. Könnten sie es, dann würden sie es wohl tun. Es macht mehr Sinn ein Unternehmen auf Wachstumskurs zu bringen als Kapital auszuschütten. Ausgeschüttetes Kapital bringt keine Rendite mehr. Würde es in das Unternehmen reinvestiert werden, dann könnte es eine positive Rendite bringen.
Nicht jedes Unternehmen hat gute Wachstumsperspektiven. Das muss man auch anerkennen. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn Unternehmen ihrer Kernaufgabe nachgehen und für langfristiges Wachstum sorgen. Was macht ein Aktionär mit hoher Dividendenauszahlung? Die Zinsen sind niedrig. Er muss also mit großer Anstrengung nach neuen Investitionsmöglichkeiten suchen. Es ist sicherlich effizienter, wenn ein Unternehmen investiert als wenn Millionen von Aktionären jeder für sich versucht neue Investments zu finden.

Die missverstandene Shareholder Value Politik führt dazu, dass auch die Wirtschaft als solche geschädigt wird. Managern geht es um Value Extraction und nicht um Value Creation. Die Gehälter von Mitarbeitern steigen nicht. Personal wird abgebaut. Investitionen werden auf ein Minimum reduziert. All das steigert kurz- und mittelfristig den Gewinn. Dieser Gewinn wird aus dem Unternehmen extrahiert, indem er ausgeschüttet wird. Langfristig unterwandert das den Erfolg eines Unternehmens.

Man kann es sicherlich nicht nachweisen, aber IBM hat seit 2000 über 100 Mrd. an seine Aktionäre ausgeschüttet und an Aktien zurückgekauft. Jetzt leidet das Unternehmen an Stagnation. Es fehlt an neuen Produkten. Es wurde einfach zu wenig investiert. Man kann nicht nachweisen, dass IBM heute besser dastehen würde, wenn es nur 50 Mrd. ausgeschüttet hätte. Mit 50 Mrd. lässt sich jedoch ziemlich viel bewegen. Investiert man 50 Mrd. in die Produktentwicklung kann mir keiner erzählen, dass da nichts bei herauskommt.

Die Extrahierung von Werten aus Unternehmen ist problematisch. Sie verringern die Erfolgsaussichten für die Zukunft und verteilen Vermögen um. An Innovation und Mitarbeitern wird gespart. Ihnen wird Wert entzogen und an Aktionäre ausgeschüttet. Das ist eine Umverteilung in ganz großem Stil.
Der Trend begann Anfang der 80er Jahre. Damals wurde die Kompensation von Managern nach und nach umgestellt. Immer größere Anteile der Kompensation wurden in Aktien abgegolten. Das steigert natürlich den Anreiz den Gewinn je Aktie zu steigern. Das durch Wachstum zu bewerkstelligen ist schwierig. Aktien zurückzukaufen ist die leichtere Wahl.

Grundsätzlich sollen Manager ja daran interessiert sein, dass Aktionäre profitieren. Es ist nur eine Frage des Zeithorizonts. In organisches Wachstum zu investieren ist ein langer Prozess. Ein Aktienrückkaufprogramm ist innerhalb von 5 Minuten beschlossen und wirkt sofort. Den meisten fällt die Wahl leicht. Verhindern kann man das nur, indem Aktienpakete von Managern sehr lang gehalten werden müssen. Man könnte auch eine gestaffelte Steuer einführen. Verkauft ein Manager Aktien nach einem Jahr, dann werden 90% Steuern fällig, nach zwei Jahren 80%, nach drei Jahren 70% usw.
Wie dem auch sei, Value Extraction funktioniert noch. Es ist eine Methode, die das gesamte wirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet, aber sie funktioniert – mittelfristig zumindest. Grafik 1 zeigt das jährliche Kapital, welches von Unternehmen in Form von Aktienrückkäufen vom Markt genommen wurde. Dabei handelt es sich um Aktienemissionen weniger der Rückkäufe. Seit Jahrzehnten verschwindet Kapital und wird an Aktionäre zurückgegeben.
Dieses Zauberwerkt funktioniert seit vielen Jahren. Als Anleger kann man davon direkt profitieren. Vergleicht man unterschiedliche Indexstrategien, dann ist jene am erfolgreichsten, die auf Unternehmen mit den größten Aktienrückkäufen setzt. Grafik 2 zeigt den S&P 500, einen Dividendenindex und einen Buyback Index (ProShares Buyback Achievers Index, ISIN: FR0010588210). Der Buyback Index schlägt andere Strategien um Längen.

Wieso das so ist, ist klar. Die Sinnhaftigkeit kann man allerdings bezweifeln. Als Aktionär macht es Sinn in einen solchen Index zu investieren, weil die Strategie einfach gut funktioniert. Der Wirtschaft hilft sie natürlich nicht. Man muss sich auch fragen womit Aktionäre den Geldsegen verdient haben. Wer heute Aktien kauft, der tut dies meist auf Sicht von Wochen. Es handelt sich um kein Investment, sondern um Spekulation. Ebenso hat ein Aktionär, der heute Apple Aktien kauft, keinen Deut zum Erfolg des Unternehmens beigetragen. Das haben nur die Aktionäre der ersten Stunde, die bei Börsengang Aktien zeichneten und damit das Wachstum des Unternehmens möglich machten. Ein Spekulant wie Carl Icahn hat das nicht. Er fordert nur Value Extraction. Wieso aber hat ein Carl Icahn mehr Recht auf das erwirtschaftete Geld als ein Mitarbeiter, der direkt den Erfolg ermöglicht?

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5 Kommentare

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  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Ich glaube schon, dass es Unternehmen ab einer gewissen Größe äußerst schwer fällt, ihre Gewinne sinnvoll zu investieren.

    Ich gehe mal davon aus, dass es dort schon eine Forschungs - und Entwicklungsabteilung gibt, die auch mit genügend Kapital ausgestattet ist.

    Was sollen die Unternehmen machen? Alles Geld in den Ring werfen und hoffen, dass viel auch viel hilft? Das ist leicht dahin geschrieben.

    Ein anderer Ansatz ist Wachstum um jeden Preis, alles kaufen, was nicht niet und nagelfest ist.

    Am Ende stehen die Aktionäre von Unternehmen mit dieser Strategie oftmals mit leeren Händen da - keine Dividenden, der Kurs dümpelt seit Jahren abwärts oder seitwärts.

    Hinterher wird den Mangern dann wieder Unfähigkeit bzw. Größenwahn nachgesagt.

    Also was will man eigentlich als Aktionär?

    Dass IBM heute besser dastehen würde, wenn sie die 50 Mrd. mehr investiert hätten, lässt sich wirklich nicht beweisen. Man hätte mit dem Geld auch viel falsch machen können - falsche Übernahmen, unrentable Forschungsprojekte ect.

    Außerdem hört sich das immer so an, als ob die Unternehmen bei Forschung und Entwicklung kein Geld in die Hand nehmen. Ich glaube das NICHT.

    Es ist auch immer besser, ein Unternehmen stets auf schlanke Linie zu trimmen, als das Geld mit Gießkannen im Konzern zu verteilen.

    Dann lieber den Aktionären geben, bevor es verschleudert wird.

    10:15 Uhr, 30.04. 2015
  • student
    student

    Stakeholder value schafft Werte, da die Gewinne allen zugute kommen. Der Kreislauf aus Geld und Arbeit ist intakt. Die reale Wirtschaft wächst.

    shareholder value reduziert Werte, da die Gewinne von unten nach oben an wenige umverteilt werden. Für Arbeit gibt es immer weniger Geld. Der Kreislauf wird immer schwächer. Die Wirtschaft auch. . .

    Das geht auf keinen Fall so weiter, wenn das so weiter geht . . .

    19:37 Uhr, 29.04. 2015
  • Publius
    Publius

    Sehr interessanter Artikel. Man sollte aber nicht unerwähnt lassen, dass gerade in den neunziger Jahren häufig "Empire Building" angesagt war: da wurden riesige Summen verschleudert, um Umsatz, Mitarbeiterzahlen, u.Ä. zu steigern, selbst wenn sich diese Summen nie und nimmer wieder reinholen ließen...

    Es gibt eben sowohl gute als aus schlechte Manager, die das Geld ihrer Aktionäre sinnvoll anlegen oder aber sinnlos verprassen. Nicht ohne Grund hat Berkshire Hathaway noch nie eine Dividende ausgeschüttet...

    15:12 Uhr, 29.04. 2015
  • netzadler
    netzadler

    das wird noch ein sehr großes Thema, weil es defacto langfristig hochgradig deflationär wirkt. das wäre dann ja nach us-lesart teufelszeug

    15:05 Uhr, 29.04. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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