Kommentar
20:29 Uhr, 13.02.2008

Seltsame Gemengelage - Rezession ist da, Aktienmarkt steigt wieder an und wie geht es weiter ?

Nach aller Erfahrung wird es noch ein ganze Weile dauern, bis die Börsen das jüngste Kursgewitter verdaut haben. Und die Insider liegen nach unserer Erfahrung mit ihren Käufen tendenziell zwar sehr oft richtig, das Timing lässt jedoch oft zu wünschen übrig.

Für uns gibt es derzeit noch genügend Hinweise, unseren Optimismus zu zügeln. Ein bedeutendes Ereignis der vergangenen Woche war etwa die Veröffentlichung der aktuellen Zahlen zum US-amerikanischen ISM-Index für den Dienstleistungssektor.

Die Werte für Januar hatten den Anlegern gehörig die Laune verdorben: Der Index war auf 41,9 Punkte regelrecht eingebrochen. Im Dezember waren noch 54,4 Punkte erreicht worden. Werte unter 50 weisen auf eine Kontraktion des Gewerbes hin.

Damit ist nun offensichtlich, dass die Rezession in den USA den Beteuerungen der Politiker zum Trotz längst begonnen hat. Dass dieser massive Einbruch beim ISM-Dienstleistungsindex kein gutes Zeichen ist, wurde noch am gleichen Tag deutlich: Der Dow Jones verbuchte den größten Punkteverlust seit mehr als einem Jahr. Und für den S&P 500, auch das ist jetzt amtlich, war es der schlechteste Jahresauftakt seit 1939.

Was uns vorsichtig bleiben lässt, ist die Tatsache, dass die Indizes auf den ISM-Index überhaupt derart heftig reagierten. Als antizyklisch agierende Investoren achten wir besonders darauf, wann schlechte Nachrichten kein Kursbeben mehr auslösen, sondern im Idealfall sogar zu steigenden Notierungen führen. Dann wird es für uns wirklich interessant.

Derzeit ist eher das Gegenteil zu beobachten: Der ungewöhnlich scharfe Einbruch beim ISM-Dienstleistungsindex und die heftige Reaktion der Börsen darauf ist ein Warnsignal und muss als Fingerzeig auf eine weitere Abschwächung der US-Wirtschaft gewertet werden.

Das eröffnet natürlich die Chance auf weitere Zinssenkungen, was an sich positiv wäre – die Frage ist nur, warum der jüngste fast schon panikartige Zinsschritt der US-Notenbank um 1,25 Prozentpunkte scheinbar völlig wirkungslos verpufft.

Ein unschönes Bild liefern auch die jüngsten Gewinnrevisionen der Rating-Agenturen. Sie zeigen, dass viele Analysten mit ihren Gewinnschätzungen für US-Unternehmen der Realität weit hinterher hinken. Diese sind oftmals viel zu optimistisch, Kritiker sagen auch: "blauäugig". Müssen sie aber reihenweise revidiert werden, dann drohen neue Kurseinbrüche.

Die Konsenszahlen der Analysten unterstellen etwa für den S&P 500 immer noch ein Gewinnwachstum von 17 Prozent für 2008. Doch woher nehmen die Analysten ihren Optimismus? Die zuletzt sehr schlechten Konjunkturdaten lassen vielmehr befürchten, dass es zu weiteren Gewinnrevisionen kommen wird.

Schlechte Zahlen liefert auch der US-Arbeitsmarkt: Erst kürzlich hatte das US-Handelsministerium bekannt gegeben, dass die größte Volkswirtschaft der Welt im Januar erstmals seit mehr als vier Jahren Stellen eingebüßt hatte. Und laut der aktuellen Sentix-Einschätzung hat sich die Wirtschaftslage in den USA drastisch verschlechtert: Sie ist massiv von minus 18 auf minus 43 Zähler eingebrochen. Im November lag der entsprechende Wert noch bei Null.

Vermutlich wird es auf ein Szenario hinauslaufen, das wir schon in der Januar-Ausgabe skizziert hatten: Nach einem holprigen ersten Halbjahr könnte die zweite Jahreshälfte neuen Schwung bringen.

Warum es nun nicht schnurstracks wieder nach oben gehen wird, hat mehrere Gründe:

Weil im aktuellen Rezessions-Zyklus mehrere Ereignisse gleichzeitig eintraten, etwa der Preisverfall am Immobilienmarkt, die Kreditkrise und Rohstoffpreisinflation, ist das Geschehen bislang wenig durchschaubar. Gleichzeitig setzte der Rückgang bei den Gewinnspannen erst ein, nachdem sie den höchsten Stand aller Zeiten erreicht hatten.

Es dürfte diesmal daher um einiges anders laufen als während der Rezession der Jahre 2001 und 2002. Damals sorgten schwache Unternehmensbilanzen für Sorgenfalten, jetzt sind es die Verbraucherbilanzen. Damals schienen die Aktienbewertungen übertrieben, jetzt sind es die erwarteten Gewinnspannen der Unternehmen.

Unter dem Strich muss man sich in 2008 auf Abwärtskorrekturen bei den Unternehmens-Gewinnen einstellen. Ein Ertragsrückgang von rund zehn Prozent dürfte mittlerweile vorweggenommen sein. Für eine leichtere Rezession der US-Wirtschaft dürfte dies genügen. Stellt sich aber heraus, dass es doch schlimmer kommt, wird an den Börsen die nächst tiefere Etage angesteuert. Doch das wird man erst in den kommenden Monaten sehen. Talsohle erreicht?

In der Regel erreichen die Gewinne zwölf Monate nach Beginn einer Rezession ihre Talsohle. Die Märkte nehmen diese Entwicklung meist um vier bis sechs Monate vorweg. Das würde bedeuten, dass eine nachhaltige Erholung im Sommer einsetzen könnte, die Erträge sollten dagegen erst Anfang 2009 auf ihren tiefsten Stand fallen. Eine Rallye mit Beginn des Sommers würde auch ganz gut zum durchschnittlichen Verlauf eines USWahljahres passen. Hier kam es in der Vergangenheit nach einer schwachen ersten Jahreshälfte zu einem starken zweiten Halbjahr mit einer rasanten Herbst-Rallye.

Doch das wird uns zu gegebener Zeit interessieren. In den kommenden Monaten werden die Aktienmärkte zunächst einmal ihren Boden suchen. Gut möglich, dass dabei die Januar-Tiefs nochmals getestet werden. Die Schwankungsbreite in beide Richtungen dürfte dabei hoch bleiben. Zyklische Werte und Small Caps dürften es noch eine Weile schwer haben, da zunächst Enttäuschungen bei der Gewinnentwicklung anstehen könnten. Finanzwerte könnten sich schon etwas eher erholen und bereits im ersten Quartal ein wichtiges Tief erreichen.

Langfristig agierende Anleger mit konservativer Ausrichtung sollten vorerst defensiv ausgerichtete Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen bevorzugen. In einer der kommenden Ausgaben des Antizyklischen Börsenbriefs werden wir uns mit dividendenstarken Titeln beschäftigen.

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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