Kommentar
11:06 Uhr, 20.01.2012

Seit 18. Januar: nur noch 1% Mindestreserve!

Eine in der Öffentlichkeit kaum beachtete Maßnahme der EZB wurde zusammen mit der letzten Zinssenkung beschlossen: Die Halbierung des Mindestreservesatzes auf 1%.

Bei der Mindestreserve handelt es sich um eine zwingende Einlage von Geschäftsbanken bei der Zentralbank. Wenn Sie z.B. ein Girokonto bei einer Bank unterhalten mit einem Volumen von 100 TSD EUR, dann müssen davon 1000 EUR (=1%) bei der Zentralbank auf ein entsprechendes Konto, das mit dem aktuell geltenden Leitzins rentiert. Was an Zentralbankguthaben darüber hinausgeht, kommt in die vielzitierte Einlagefazilität, die nur mit 0,25% verzinst wird.

In „normalen Zeiten“ (was ist das überhaupt?) spielt diese Fazilität kaum eine Rolle, die Geschäftsbanken vermeiden es, Zentralbankgeld über die Mindestreserve hinaus zu halten. Es ist ganz einfach ein schlechtes Geschäft. Statt dessen leihen sich die Banken gegenseitig Geld (die einen haben oft zuviel, andere zu wenig Zentralbankgeld). Dieser Interbankenmarkt ist seit der Finanzkrise praktisch tot. (Die Wiederbelebung desselben ist das Ziel der EZB, und die Senkung der Mindestreserve soll dazu beitragen).
Mangelndes Vertrauen ist der Grund. Hinzu kommt, dass ein Polster an Zentralbankgeld beruhigend wirkt. Ein Grund dafür: Man weiß ja nie, ob Kunden auf die Idee kommen könnten, massiv Gelder abzuziehen (bei Überweisungen zu anderen Instituten oder Barabhebungen verliert die Geschäftsbank Zentralbankgeld in Höhe der Überweisung/Abhebung).

Diese Faktoren haben dazu geführt, dass die Banken schon lange über weit mehr Zentralbankgeld verfügen, als sie formal eigentlich bräuchten. Es ist ein chronischer Zustand geworden. (Es gibt aber auch Banken, v.a. in den PIGS-Staaten, die das Zentralbankgeld in Form von EZB-Krediten als Ersatz für wegbrechende Kunden-Einlagen benötigen...)

Zum 18. Januar wurde die Halbierung des Mindestreservesatzes wirksam. Aus rund 207 Mrd. EUR Mindestreserveerfordernis im EZB-System wurden rund 103 Mrd. EUR.

Man hätte im Gegenzug erwarten können, dass die Einlagefazilität entsprechend steigt, denn das Zentralbankguthaben, das die Mindestreserve übersteigt, landet automatisch in der Fazilität. Dem war aber nicht so, was mich ziemlich überrascht hat. Die tagesaktuellen Daten können Sie hier einsehen: http://www.ecb.int/stats/monetary/res/html/index.en.html

Demnach ist am 18. Januar die Einlagefazilität sogar deutlich gesunken von zuvor 528 Mrd. EUR (Rekordwert!) auf 395 Mrd. EUR. Am gestrigen Tag stieg sie wieder auf 421 Mrd. EUR. Einen überzeugenden Reim kann ich mir auf die Daten nicht machen. Wenn Sie eine Idee haben, dann kontaktieren Sie mich gerne unter kuehn@boerse-go.de

Da im Februar die nächste LTRO (Long Term Refinancing Operation) ansteht, bei der sich Geschäftsbanken erneut für drei Jahre Liquidität holen können, dürfte spätestens dann die Einlagefazilität neue Hochs erklimmen.

Nachtrag: Das Problem scheint gelöst: Am 18. Januar begann die Mindestreserve Erfüllungsperiode, die am 14.02.2012 endet. In diesem Zeitraum betrachtet die EZB die Erfüllung der Mindestreserve der Banken anhand der durchschnittlichen Tagesendguthaben auf den Mindestreservekonten.
Es ist keine tagesaktuelle Erfüllung der Mindestreservepflicht nötig, sondern es zählt der Durchschnitt. Am Anfang der Periode kommt es offensichtlich zur Übererfüllung des Solls, woraus man direkt schließen kann, dass es gegen Ende andersherum sein wird.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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