Scope: Italien könnte Kandidat für Defizitverfahren werden
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Italien könnte nach Einschätzung der Ratingagentur Scope trotz der sehr hohen Mittelzusagen aus dem Programm Next Generation EU (NGEU) in den nächsten Jahren zu einem Kandidaten für ein EU-Defizitverfahren werden. Grund sind die zu erwartende steigende Zinsbelastung und Zweifel daran, dass die Regierung die Mittel fristgerecht abrufen kann. "Die wachsende Zinslast, die wahrscheinlich 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen wird, wird das Gesamtdefizit mittelfristig in der Nähe von oder über 3 Prozent des BIP halten", heißt es in einer Analyse der Ratingagentur.
Auf dieser Grundlage wird die Schuldenquote Scope zufolge im Großen und Ganzen stabil bleiben, aber: "In Anbetracht der hohen, wenn auch rückläufigen Haushaltsdefizite könnte Italien nach den überarbeiteten EU-Fiskalregeln in den kommenden Jahren zu einem von mehreren EU-Mitgliedstaaten gehören, gegen die ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits läuft."
Die Bewältigung der hohen Staatsverschuldung von etwa 137 Prozent des BIP ist laut Scope wichtig für das italienische Kreditrating von BBB+. Dieses Rating könnte unter Druck geraten, wenn sich die Haushaltsaussichten verschlechtern oder sich das mittelfristige Wirtschaftswachstum abschwächt, was zu einer höheren Verschuldung im Verhältnis zum BIP führen würde.
In diesem Zusammenhang sei die fortgesetzte Unterstützung durch die europäischen Institutionen weiterhin von entscheidender Bedeutung. "Dazu gehört, dass italienische Anleihen für Programme der Europäischen Zentralbank wie das Transmissionsschutzinstrument in Frage kommen und im Gegenzug die überarbeiteten haushaltspolitischen Vorschriften der EU eingehalten werden - ebenso wie die erfolgreiche Umsetzung des italienischen Konjunkturprogramms", merkt die Ratingagentur an.
Im Rahmen von NGEU hat Italien Scope zufolge 34 Prozent seiner Meilensteine erreicht. Die bisher gezahlten Zuschüsse belaufen sich auf 41,5 Milliarden Euro und die Kredite auf 60,9 Milliarden. Die Regierung schätzt, dass die damit zu finanzierenden Strukturreformen das BIP langfristig um 10 Prozent steigern könnten, wobei die größten Gewinne durch Reformen des Arbeitsmarktes, des Bildungswesens und der öffentlichen Verwaltung erzielt werden. Allerdings müssen die Anleihen zur Finanzierung von NGEU bis Ende 2026 begeben werden.
"Die Mittel effizient zu verteilen, könnte für die Regierung schwierig werden, da Italien in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten eine niedrige Absorptionsrate von EU-Mitteln aufwies", gibt Scope zu bedenken.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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