Kommentar
08:55 Uhr, 04.11.2013

Schwellenländer in der Krise III

Den Währungstrend sollten Anleger bei Schwellenländer ganz besonders im Auge behalten. Der Währungstrend beinhaltet die meisten Faktoren, die in den kommenden Jahren weiter Thema bleiben werden.

Im Schatten der Eurokrise und der Unklarheit über das Ende von QE befinden sich die Schwellenländer in einer Krise. Der internationale Währungsfonds ließ unlängst verlauten, dass dieser Übergang die Schwellenländer möglicherweise bis Ende des Jahrzehnts beschäftigen wird. Trifft dies nur annähernd zu, müssen sich Anleger ernsthaft damit auseinandersetzen.

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Viele Fronten und kein Ausweg

In den ersten beiden Teilen des Artikels habe ich die Gründe für die Krise beschrieben (hier und hier). Grob zusammengefasst sind es drei Entwicklungen, die den Schwellenländern zu schaffen machen: der langsame Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik in den USA führt zu einer Normalisierung des Zinsniveaus. Das bedingt einen Rückfluss von Kapital aus Schwellenländern in entwickelte Länder. Die Umkehrung der Kapitalströme führt zu rapiden Währungsabwertungen. Seit Ankündigung des Ausstiegs verlor etwa die indische Rupie in der Spitze über 20%. Auch der jetzt verschobene Ausstieg ändert an der Tendenz nichts. Kurzfristig sinken die Zinsen wieder, die Währungen der Schwellenländer werten wieder auf. Das ist eine Unterbrechung des Trends, aber keine Umkehr.

Neben dem Ende von QE befindet sich China gerade im Übergang von einem Wirtschaftssystem zum nächsten. China wird von der Werkbank der Welt zum Konsumenten. Die gigantischen Handelsüberschüsse werden abgebaut, die Wirtschaft wird freier, vor allem aber effizienter. Es geht weg von der Masse hin zu komplexeren Produkten. Mit dem Abschluss dieser wichtigen Phase der Industrialisierung wird Chinas Nachfrage nach vielen Rohstoffen in den kommenden Jahren weniger stark wachsen als in den vergangenen Jahren, teils sogar abnehmen. Da China aber einer der größten Konsumenten von Rohstoffen weltweit ist, wird sich das abnehmende Nachfragewachstum auch auf die Rohstoffpreise auswirken. Viele Schwellenländer sind stark von Rohstoffexporten abhängig. Gehen die Preise weiter zurück, fehlen ihnen Wachstumsimpulse und Investitionen in den Rohstoffsektor.

Auch das Ende von QE wirkt sich auf die Preise aus. Es ist tendenziell mit einer Aufwertung des Dollars zu rechnen. Während sich das bei den Hauptwährungspaaren wie EUR/USD derzeit überhaupt nicht manifestiert, hat der Dollar gegenüber den Währungen der Schwellenländer massiv aufgewertet. Innerhalb von wenigen Monaten verloren die lokalen Währungen gegenüber dem Dollar zwischen 10 und 30%.

Damit stehen viele Schwellenländer vor großen Problemen. Die Preise für Rohstoffe sinken, d.h. sie generieren weniger Einnahmen in einem der wichtigsten Sektoren überhaupt. Da in vielen Ländern der Rohstoffsektor 10% oder mehr des BIPs ausmacht, schlagen sich hier Rückgänge direkt im BIP nieder. Wegen zurückgehender Einnahmen in dem Sektor fallen auch Steuereinnahmen weg und Investitionen bleiben aus. Gleichzeitig wertet die Währung ab, was die Inflation erhöht. Zinsen müssen erhöht werden, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Das wiederum schadet der ohnehin schwachen, wirtschaftlichen Entwicklung. Der Staat verliert gleichzeitig Handlungsspielraum, weil die Defizite wachsen, da weniger Steuern eingenommen werden. Auch die Notenbanken verlieren ihren Handlungsspielraum. Die Zinspolitik ist von den externen Faktoren de facto festgelegt. Es ist nur mehr eine reaktive Politik möglich. Im schlimmsten Fall kann es für einige Länder sogar zu einer Krise wie in den 90ern zur Zeit der Asienkrise kommen. Anzeichen gibt es dafür teilweise. So verlor etwa Indonesien in den letzten 6 Monaten 14% seiner Währungsreserven. Geht das in dem Tempo so weiter, dann ist ein Szenario wie vor 15 Jahren kaum zu vermeiden. Denn Devisen werden dringend gebraucht. Viele Länder sind im Ausland verschuldet. Wertet die Währung stark ab, erhöhen sich damit die Schulden drastisch.

All diese Faktoren sollten Anlegern zu denken geben, wenn sie in Entwicklungs- und Schwellenländer investieren wollen. Die möglichen Auswirkungen und Szenarien vor allem für stark rohstoffexportabhängige Länder möchte ich für einige Staaten andiskutieren.

Abhängigkeit tut selten gut

Während die oben genannten Faktoren und Probleme auf alle Entwicklungsländer zutreffen, sind jene, die am Tropf des Rohstoffexports hängen besonders betroffen. Ein gutes Beispiel dafür ist Chile. Chile ist wie kaum ein anderes Land vom Rohstoffexport abhängig. Die Nettoexporte (Exporte-Importe) betragen 20% des BIPs. 13% des BIPs sind auf Kupferexporte zurückzuführen. Das ist enorm. Preisrückgänge bei Kupfer haben einen durchschlagenden Effekt auf das Wachstum. Natürlich wertet auch die Währung tendenzielle gegenüber dem USD ab. Saldiert man diese zwei Effekte, dann bedeutet derzeit 1 Dollar Preisrückgang ca. 0,33 Cent weniger an Einnahmen.

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Käme es an den Rohstoffmärkten zu einem Preisverfall wie 2008/09 – wenn auch über mehrere Jahre und nicht in wenigen Monaten – dann wäre denkbar, dass der Rohstoffexport bis zu 2% negatives Wachstum beiträgt. Da in Chile der Zusammenhang von Wachstum, Unternehmensgewinnen und Kupferpreis besonders stark ist, macht sich das auch entsprechend am Aktienmarkt bemerkbar. Aktienmarkt und Kupferpreis laufen seit 1994 parallel. Der chilenische Peso ist ebenfalls positiv korreliert. Die Aufwertung der Währung (man bekommt für einen Dollar weniger Peso) fällt mit steigendem Aktienmarkt zusammen. Das zeigt sich schön zwischen 2003 und 2008.

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Was bringt die Zukunft für Chile? Sowohl Kupfer als auch der Aktienmarkt befinden sich an wichtigen Unterstützungszonen. Ein gewisser Seitwärtstrend ist zunächst zu erwarten. Insgesamt dürfte 2014 der Abwärtstrend weitergehen. Longpositionen sollten tendenziell vermieden werden. Anleger können allerdings von Shortpositionen profitieren, sowohl auf Aktien als auch auf den Peso.

Betrachtet man andere Länder, die in die Schlagzeilen kommen – Brasilien etwa – dann stellt man fest, dass diese Länder nicht so stark vom Rohstoffexport abhängig sind wie z.B. Chile. Die Nettorohstoffexporte betragen zwar 4% des BIPs, allerdings ist das keine Größenordnung, die das Land in die Krise führt. Würden sich auch hier die Preise halbieren, könnte der negative Effekt auf das Wachstum immer noch im Bereich von 0,5% liegen, aber das ist noch verkraftbar.

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Es macht daher Sinn, die Währung als Hauptindikator in Fällen wie Brasilien herzunehmen. Die Währung bildet sowohl den Rohstofftrend als auch die anderen Faktoren ab. Zu den anderen Faktoren gehört vor allem der Kapitalstrom. Die Währung beinhaltet also beides, sinkende Nachfrage nach der Währung aufgrund geringerer Exporte bzw. geringerer Preise, und Kapitalabzug. Dennoch kann man in der Grafik auch sehr gut die Korrelation von Aktienmarkt und Rohstoffen sehen. Energie-, Metall- und landwirtschaftliche Rohstoffe machen den Großteil der Exporte aus. Der Aktienmarkt läuft fast parallel zu den Rohstoffpreisen. Seit April 2013 sinkt der Aktienmarkt jedoch deutlicher als die Rohstoffpreise. Das fällt mit einem starken Abwertungsschub der Währung zusammen. Die Interpretation dazu ist, dass seit April der bisherige Kapitalstrom stark gestört ist. Betrachtet man allein den Währungstrend, dann ist in den kommenden Monaten mit einer gewissen Entspannung zu rechnen. Wenn die Fed dann den Ausstieg allerdings wirklich beginnt, dürfte sich der Trend fortsetzen. Auch wenn immer wieder zu lesen ist, dass Brasilien sich wieder so langsam erholt, wäre ich da äußerst skeptisch.

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Um noch einmal auf ein Beispiel für ein Land zurückzukommen, welches in besonderem Maße von Rohstoffen abhängig ist, möchte ich Russland vorstellen. Die Nettorohstoffexporte betragen 20% des BIPs. Bezieht man nicht nur Rohstoffimporte, sondern auch alle anderen Importe mit ein, dann ist der Nettobeitrag immer noch bei 10%. Das ist ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Länder wie Brasilien haben zwar einen positiven Beitrag über Rohstoffexporte. Dieser wird allerdings mehr als kompensiert, weil viele andere Güter importiert werden. Die Handelsbilanz ist daher in Ländern wie Brasilien inzwischen nicht mehr positiv, sondern ausgeglichen oder sogar negativ.

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Russland ist wie kein anderes Land vom Preis eines einzelnen Rohstoffes abhängig. Das zeigt sich auch im Währungs- und Aktientrend. Ölpreis und Aktienmarkt sind de facto ident. Die Währung reiht sich in die parallelen Verläufe sehr gut ein. Ein starker Einbruch des Ölpreises ist vielleicht nicht zu erwarten. Ein massiver Preisschub ist derzeit aber auch nicht auszumachen. Der russische Aktienmarkt ist daher bestenfalls für die Watchlist geeignet.

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Nicht ganz so ausgeprägt wie Russland, aber sehr ähnlich, verhält es sich mit Kolumbien. Das Land ist sehr stark von Ölexporten abhängig. Entsprechend verhält es sich auch mit dem Aktienmarkt und der Währung. Luftsprünge sind nicht zu erwarten. Die positive Nachricht ist für das Land allerdings, dass es wenig unter der Umkehrung der Kapitalströme leidet. Die Währung läuft parallel zum Ölpreis. Kolumbien hat unter den Entwicklungsländern die besten Chancen, die weltweiten Verschiebungen beinahe unbeschadet zu überstehen.

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Die Liste an Ländern lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ganz interessant ist vielleicht noch Indien. Auch hier zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen Aktienmarkt und Währung. Die Rupie wertet tendenziell ab. Der Aktienmarkt stieg allerdings nur bzw. hauptsächlich, wenn die Währung aufwertet. Auch hier ist die pauschale Interpretation: aufwertende Währung=erhöhter Kapitalfluss ins Land. Dieser Kapitalfluss endet nicht nur in der Realwirtschaft, wo durch Investitionen das Wachstum gestützt wird, sondern auch in den Aktienmarkt direkt.

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Als Fazit möchte ich festhalten: den Währungstrend sollten Anleger bei Schwellenländer ganz besonders im Auge behalten. Der Währungstrend beinhaltet die meisten Faktoren, die in den kommenden Jahren weiter Thema bleiben werden. Dazu gehört der QE-Ausstieg sowie die Nachfrage nach Rohstoffen und Rohstoffpreisen. Mittelfristige Unterbrechungen des Trends wie derzeit sind nur natürlich. Ein Ende der großen Makrotrends, steigende Zinsen in den USA und nachlassender Rohstoffboom, ist nicht abzusehen. Wie die IWF Chefin Largarde meinte, könnte das die Welt bis Ende des Jahrzehnts beschäftigten. Dessen sollten sich Anleger unbedingt bewusst sein, wenn sie über Investments in Aktienmärkte wie Türkei, Indien, Russland, Brasilien, Indonesien, Malaysia, Thailand usw. nachdenken.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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