Kommentar
07:30 Uhr, 15.08.2016

Schlechte Wirtschaftsdaten - gut für die Börse?

Zur Abwechslung kamen aus den USA am Freitag schlechte Konjunkturdaten. Ein Grund zu jubeln?

Je nach Marktphase werden Wirtschaftsdaten sehr unterschiedlich interpretiert. Manchmal sind gute Daten gut, manchmal sind sie ein Grund für Anleger zu verkaufen. Das war in den Jahren 2013 bis 2015 oftmals der Fall, denn gute Daten bedeuteten, dass die Notenbank die Zinsen irgendwann anheben würde. Schlechte Daten wurden daher vom Markt oftmals besser aufgenommen als gute.

Am Freitag kamen ernüchternde Daten. Der Markt reagiert darauf alles in allem gelassen, hat heute jedoch einen leichten Abwärts-Bias. Ob das nun mit den Daten in Zusammenhang steht, sei dahingestellt. Gejubelt wird jedenfalls nicht. Das passt zum Verhalten der Marktteilnehmer in den letzten Wochen. Seit dem Brexit-Votum werden gute Wirtschaftsdaten gekauft und schlechte tendenziell verkauft.

Dies geschieht, obwohl nun die Wahrscheinlichkeit für den nächsten Zinsschritt deutlich gefallen ist. Das CME FedWatch Tool, welches aus den Fed Funds Future Preisen die vom Markt implizierte Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt berechnet, zeigt einen klaren Trend. Die Wahrscheinlichkeit für eine Zinsanhebung im September hat sich von Donnerstag auf Freitag halbiert (von 12 % auf 6 %). Die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im Dezember sank von 45 auf 35 %.

Soweit das FedWatch Tool in die Zukunft reicht (Juli 2017) sehen nun knapp 50 % die Zinsen unverändert in der aktuellen Bandbreite von 0,25 %-0,5 %. Gestern konnte sich immerhin eine Mehrheit von knapp 70 % für die Möglichkeit höherer Zinsen im Sommer 2017 begeistern.

Es ist innerhalb von Stunden ganz schön etwas geschehen. Aber was waren das nun für Daten, die den Markt so in seiner Einschätzung bewegt haben? Es waren vor allem die Einzelhandelsumsätze für den Monat Juli. Diese gingen im Vergleich zum Vormonat minimal zurück. Auf Jahressicht beträgt die Wachstumsrate nach wie vor 2,26 %. Das ist jedoch eine merkliche Abkühlung gegenüber den Vormonaten.

Lesen Sie dazu auch: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession?

Die stagnierenden Konsumausgaben kamen unerwartet. Die Überraschung lässt sich unter anderem damit erklären, dass Konsumenten eigentlich in bester Kauflaune sind. Grafik 1 zeigt den Vergleich von Verbraucherstimmung und Wachstum der Einzelhandelsumsätze. Grundsätzlich gilt: je besser Konsumenten gelaunt sind, desto mehr geben sie auch aus. Das galt viele Jahrzehnte. Seit 2011 divergieren die Stimmung und das Ausgabenwachstum allerdings erheblich. Die Stimmung steigt, doch das Wachstum der Konsumausgaben sank tendenziell. Solche Divergenzen konnten sich in der Vergangenheit meist zugunsten des Konsumwachstums auflösen, doch die aktuelle Divergenz hält sich bereits so lange, dass es keinen Präzedenzfall dafür gibt.

Wenn man das Wachstum besser prognostizieren will, dann sollte man nicht unbedingt darauf blicken, wie Konsumenten in diesem Moment gelaunt sind, sondern vielmehr darauf, was sie erwarten. Die Erwartung ist seit anderthalb Jahren rückläufig (Grafik 2).

Die Erwartungskomponente konnte sich zuletzt stabilisieren. Daher würde ich persönlich nicht davon ausgehen, dass die Konsumausgaben auf Sicht von Monaten wirklich rückläufig sein werden. Allerdings: Amerikaner blicken zunehmend besorgt auf die Präsidentschaftswahlen. Es treibt sie stark um und verunsichert sie. Das kann das Konsumwachstum bis in den Herbst hinein bremsen.

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Das Wirtschaftswachstum der USA war im vergangenen Quartal mit 1,2 % nicht gerade berauschend. In diesem Quartal wird es wohl kaum besser werden. Wenn der Konsum weniger zum Wachstum beiträgt, gleichzeitig aber die Investitionen der Unternehmen niedrig bleiben, dann dürfte das Wachstum eher enttäuschen.

Die Flinte muss man deswegen nicht ins Korn werfen. Die US Wirtschaft bleibt aus stabilen Expansionskurs. Eine Beschleunigung des Kurses wird es wohl aber im laufenden Quartal nicht geben. Der Markt sieht das mit leichter Sorge, wie die Zinswahrscheinlichkeiten andeuten. Das halte ich für eine Übertreibung, doch realistischerweise muss man den September von der Liste der möglichen Termine für den nächsten Zinsschritt nehmen.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • Ridicule
    Ridicule

    Guter Artikel! Mit der erwarteten Beschleunigung des Wirtschaftswachstums wird dann eine solche wieder bei den Unternehmensgewinnen einsetzen. Auch die noch teils vorherrschende Gewinnrezession wird dann überstanden sein. In der Tat, kein Grund die Flinte ins Korn zu werfen.

    13:16 Uhr, 15.08.2016
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Das sich überhaupt noch jemand mit irgendwelchen US-Daten auseinandersetzt und das auch noch so ernst nimmt wie sie Herr Schmale, ist mir ein Rätsel!!

    12:07 Uhr, 15.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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