RWI senkt Wachstumsprognosen für 2024 und 2025
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat seine Prognosen für das deutsche Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr gesenkt. Im Jahr 2024 nahm das Institut die Prognose von 0,8 auf 0,3 Prozent zurück, für 2025 erwartet es 1,2 Prozent statt 1,4 Prozent. Das gab das RWI in seiner neuen Konjunkturprognose bekannt. Die hohe Unsicherheit dämpfe weiterhin die Binnennachfrage, die privaten Haushalte dürften angesichts deutlich steigender real verfügbarer Einkommen jedoch die Konsumnachfrage steigern.
"Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr sind gedämpft", betonte das RWI. Durch die anhaltend hohen Energie- und Rohstoffpreise dürften die Kosten für die Unternehmen und Haushalte im Prognosezeitraum hoch bleiben. Zudem dürfte die Unsicherheit bei den Marktteilnehmern nur allmählich nachlassen "und auch eher aufgrund von Gewöhnung als aufgrund der Auflösung der derzeitigen geopolitischen Spannungen". Dennoch dürften die privaten Haushalte die Konsumnachfrage steigern. Sinkende Zinsen und eine etwas zunehmende Auslandsnachfrage dürften dann auch die Investitionen wieder stärker anziehen lassen.
Auf dem Arbeitsmarkt sinken im Prognosezeitraum bis 2025 Beschäftigung und Arbeitslosenquote. Einerseits sinke die Einstellungsbereitschaft wegen der gedämpften Konjunkturerwartungen, andererseits verschärfe der demografische Wandel die Arbeitskräfteknappheit. Ab dem zweiten Halbjahr 2024 dürfte die Beschäftigung ihren Zenit überschritten haben und bis zum Ende des Prognosezeitraums leicht zurückgehen. Gleichzeitig dürfte mit besserer Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten und einer Erholung der deutschen Wirtschaft auch die Arbeitslosenquote wieder sinken und 5,7 Prozent in diesem Jahr und 5,5 Prozent im nächsten Jahr betragen. Die Zahl der Arbeitslosen sah das RWI 2024 bei 2,668 Millionen und 2025 bei 2,566 Millionen.
Für die Inflation erwartet das RWI in diesem Jahr eine Rate von 2,2 Prozent und für 2025 von 2,0 Prozent. Angesichts der schwachen Konsumnachfrage dürfte die Teuerung in den kommenden Monaten weiter abnehmen. Dazu trage auch ein Basiseffekt durch die starken Preisanstiege im Vorjahr bei. Zudem dürfte der Kostendruck für die Unternehmen nachlassen, da die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte deutlich gesunken seien. Allerdings kehrten viele dieser Preise nicht wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurück, so dass die dämpfenden Effekte geringer seien.
Budgetdefizit sinkt
Das staatliche Budgetdefizit dürfte nach den Berechnungen des Essener Instituts im laufenden Jahr auf knapp 46 Milliarden Euro zurückgehen und damit 2024 und auch 2025 rund 1,1 Prozent des BIP betragen. Die Einnahmen des Staates stiegen kräftig an, die Sozialbeiträge legten stärker als die Bruttolöhne zu. Auch wüchsen die Steuereinnahmen stärker als das BIP, nicht zuletzt, da die Löhne kräftig stiegen. Gleichzeitig führten die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und die steigenden Zinszahlungen zu höheren Ausgaben. Im Jahr 2025 dürfte das Finanzierungsdefizit gut 48 Milliarden Euro betragen. Die Staatsausgaben dürften in ähnlichem Maße wie die Einnahmen zunehmen.
Risiken für die Prognose sah das RWI in einer "Gemengelage aus anhaltenden hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie hoher Unsicherheit über die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Perspektiven". In dieser Situation könnten sich die Unternehmen in Deutschland im Prognosezeitraum stärker mit Investitionen und Neueinstellungen zurückhalten, als dies in der Prognose unterstellt sei. Kippe die Stimmung unerwartet schnell ins Positive, würden die Investitionen voraussichtlich deutlich stärker ausgeweitet werden als in der Prognose angenommen. Das dürfte dann auch den privaten Konsum stimulieren.
Darüber hinaus gingen von den derzeit starken geopolitischen Spannungen Risiken für die Konjunktur aus. Sie könnten zu steigenden Importpreisen und steigender Unsicherheit führen, was vor allem die Investitionstätigkeit der Unternehmen stärker dämpfen könnte. "Die hohe Unsicherheit über wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Perspektiven verunsichert Unternehmen und belastet den privaten Konsum", sagte RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. "Eine durchgreifende Erholung der deutschen Wirtschaft kann nur gelingen, wenn diese so weit wie möglich reduziert wird."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/kla
Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.