Kommentar
08:08 Uhr, 28.07.2016

Rückläufige Investitionen in den USA

  • Die amerikanische Wirtschaft hat in diesem Jahr weniger in Maschinen und Ausrüstungen investiert als vor einem Jahr.
  • Das hat zum Teil vorübergehende Gründe. Zum Teil liegt es aber auch an ernst
    zu nehmenden strukturellen Belastungen der Unternehmen.
  • Sie werden langfristig Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der USA beein­trächtigen. Kurzfristig werden Aktien, Zinsen und die Wechselkurse beeinflusst.

Eigentlich müsste die amerikanische Wirtschaft ganz in Ordnung sein. Das reale Sozialprodukt wächst (im zweiten Quartal vermutlich mit einer Rate von 2 % bis 2,5 %). Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Die Federal Reserve denkt da­rüber nach, die monetären Bedingungen zu normalisieren. Die Aktienkurse sind seit Jahresbeginn nicht gefallen, son­dern gestiegen. Wie schön wäre es, wenn wir auch in Euro­pa so gute Bedingungen hätten!

Das gilt aber nur "eigentlich". Wenn man genauer hin­schaut, sieht das Bild nicht so gut aus. Ich bin hellhörig geworden, als ich beobachtete, dass in letzter Zeit mehr und mehr Institutionen ihre Prognosen für das Wachstum in den USA zurückgenommen haben. Morgan Stanley und Deutsche Bank Research beispielsweise taxieren die reale Zunahme der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr nur noch auf 1,5 %. Das ist für die USA, die über Jahre an Wachs­tumsraten von 3 % und mehr p. a. gewöhnt waren, außer­ordentlich wenig. Was ist hier los?

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Auf den ersten Blick ist es natürlich der private Verbrauch, der wegen geringerer Lohnsteigerungen nicht mehr so stark nach oben geht. Das ist in einer so auf den Konsum fixier­ten Wirtschaft wie der der USA nur selbstverständlich. Es ist aber nicht der entscheidende Punkt. Wo sich die Verhältnis­se viel stärker geändert haben, ist bei den Investitionen. Schauen Sie sich die Grafik an. Da zeigt sich, dass die Zunahme der realen Bruttoinvestitionen in der amerikanischen Wirtschaft seit Jahren deutlich zurückgeht. In den letzten zwölf Monaten hat sich der Abfall so stark beschleunigt, dass er auf unter null gefallen ist.

Das ist ungewöhnlich. Es bedeutet, dass in den USA Kapa­zitäten derzeit nicht aufgebaut, sondern abgebaut werden. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung im Verarbei­tenden Gewerbe, weniger im Bau.

»Investitionen sind das Herz der Wirtschaft. Wenn es hier Probleme gibt, dann sind das ernst zu nehmende Krankheitssymptome.«

Ich will das nicht unnötig dramatisieren. Zum Teil hängt es mit den niedrigen Ölpreisen zusammen, die einige Investi­tionen im Energiebereich unrentabel gemacht haben. In die­sen Sektor wird nicht nur kein neues Geld gesteckt, es wird sogar Geld abgezogen. Zum Teil spielt auch eine Rolle, dass sich die Wirtschaft in der Spätphase der zyklischen Entwicklung befindet. Der Aufschwung dauert jetzt schon sieben Jahre. Er müsste bald auslaufen. In solchen Zeiten gehen die Investitionen normalerweise zurück. Beides ist vorübergehend. Es ist verkraftbar.

Es ist aber nur die halbe Wahrheit. Was Sorgen machen muss ist, dass die unternehmerische Aktivität nachlässt. Firmen bauen ihre Verschuldung ab (das berühmte "Deleve­raging"). Sie kaufen lieber Aktien zurück, statt in neue Anla­gen zu investieren. Das ist ein Phänomen, das wir in Euro­pa schon lange beobachten. Es macht sich jetzt aber offen­bar auch in den USA breit. Es liegt zum einen daran, dass die Unternehmensgewinne nicht mehr so reichlich sind. Die Margen gehen zurück. Hinzu kommen die gestiegenen poli­tischen Unsicherheiten. Auch die USA sind gegen den Ter­ror nicht gefeit. Niemand weiß, welche Prioritäten beispiels­weise ein Präsident Trump (wenn er denn gewählt würde) setzt.

Auf was müssen wir uns einstellen? Das erste ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen leidet. Sie brin­gen nicht mehr so viele Innovationen auf den Markt. Sie le­ben von der Substanz. Das ist auf den ersten Blick schwer zu verstehen, wenn man sich etwa die Dynamik im Silicon Valley oder die Expansion beim Automobilhersteller Tesla anschaut. Aber man muss bedenken, dass das nur ein klei­ner Teil von Amerika ist. Zudem dauert es immer eine Wei­le, bis sich weniger Investitionen im Marktergebnis zeigen. Im Übrigen dürfen wir das Ganze nicht nur mit der Brille der Europäer sehen, die im IT-Bereich kaum etwas auf die Waage bringen.

Das zweite ist, dass das Wachstumspotenzial der amerika­nischen Wirtschaft nicht mehr so stark steigt. Auch das ist ein langfristiges Problem. Im Augenblick sind die Kapazitä­ten noch kein Engpassfaktor für die amerikanische Wirt­schaft. Es kann auch mit den bestehenden Maschinen und Ausrüstungen noch mehr produziert werden. Aber wenn die Investitionsschwäche anhält, dann gibt es eines Tages Pro­bleme. Dann gibt es Engpässe, die am Ende zu Ungleich­gewichten führen.

Drittens gibt es aber auch kurzfristige Wirkungen. Eine ist, dass der US-Dollar auf den Devisenmärkten nicht mehr so stark sein wird. Trotz aller Probleme auch in Europa rechne ich für die nächsten Monate eher mit einer Abwertung der amerikanischen Währung. Darüber hinaus hat das natürlich auch Auswirkungen auf die Zinsen. Die Fed schaut zwar of­fiziell nur auf die Inflation und den Arbeitsmarkt (wo es der­zeit gut aussieht). Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie die Zinsen – auch unabhängig von allen Problemen mit dem Brexit – erhöht, wenn die amerikanische Wirtschaft langsamer wächst.

Für den Anleger

Im Augenblick stehen die amerikanischen Aktienmärkte nach wie vor im Fokus der Investoren. Sie haben sich im bisherigen Verlauf des Jahres wesentlich besser entwickelt als die europäischen. Wenn meine Diagnose aber richtig ist, dann wird das nicht so bleiben. Ich vermute freilich, dass es nicht Europa sein wird, das die USA als Zugmaschine der Finanzmärkte ablösen wird. Es werden die Emerging Mar­kets sein. Dies nicht zuletzt, weil sie im nächsten Jahr wie­der höhere gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten aufwei­sen werden.

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