Fundamentale Nachricht
15:01 Uhr, 06.04.2016

Rückkehr zu Bretton Woods?

  • Seit der Abschaffung des Systems fester Wechselkurse war der US-Dollar noch nie so stabil wie in den letzten zwölf Monaten.
  • Das könnte den Zentralbanken den Mut gegeben haben, in Shanghai ein geheimes Währungsabkommen zu schließen.
  • Es wird keine Rückkehr zu Bretton Woods geben. Es könnte aber eine Periode mit geringerer Wechselkursunsicherheit bevorstehen.

Auf den Devisenmärkten ist in den letzten Monaten etwas Merkwürdiges passiert. Das hat es meines Wissens seit dem Zusammenbruch des Systems fester Wechselkurse vor vierzig Jahren nicht mehr gegeben. Der Euro/US-Dollar-Kurs hat seit mehr als einem Jahr kaum noch geschwankt. Seit Anfang 2015 lag er im Schnitt bei 1,11. Die Bewegun­gen nach oben und unten waren kaum größer als es früher im System fester Wechselkurse der Fall gewesen war. Sie­he die Grafik.

Dies geschah ausgerechnet in einer Zeit, in der die meisten eigentlich etwas ganz Anderes erwartet hatten. Wegen des schwachen Wachstums hatten viele einen Währungskrieg befürchtet. Zudem lagen wegen der unterschiedlichen Geld­politik in den USA und in Europa erhebliche Währungstur­bulenzen in der Luft. Nichts davon ist eingetreten. Was ist hier passiert? Noch wichtiger: Welche Schlussfolgerungen soll man daraus ziehen?

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Über die Gründe für die relative Wechselkursstabilität wird viel gerätselt. Meine These ist: Aufgrund der unterschied­lichen Geldpolitik in den USA und in Europa hätte sich der US-Dollar eigentlich aufwerten müssen. Andererseits litten die amerikanischen Unternehmen unter der starken Wäh­rung. Die Konjunktur entwickelte sich nicht so dynamisch wie erwartet. Das hätte den US-Dollar schwächen müssen. Beide Kräfte hielten sich offenbar mehr oder weniger die Waage. Erleichtert wurde das dadurch, dass der derzeitige Euro/US-Dollar-Kurs gemessen an den Kaufkraftparitäten etwa im Gleichgewicht ist.

Kann das so weitergehen? Hierzu gibt es zwei Meinungen. Professionelle Händler sind beunruhigt. Aufgrund der Erfah­rung der Vergangenheit müsste nach einer so langen Seit­wärtsbewegung eigentlich ein stärkerer Ausbruch kom­men. Die meisten denken dabei an eine größere Aufwer­tung des US-Dollars gegenüber dem Euro. Sie ziehen sich warm an.

Die andere Meinung sagt: Wenn die Wechselkurse in schwieriger Zeit so lange relativ stabil waren, könnte das ja auch ein Zeichen sein, dass sich an den Märkten etwas ver­ändert hat. Alte Regeln gelten nicht mehr. Mehr Wech­selkursstabilität ist offenbar möglich. Das könnte vor allem die Zentralbanken bei ihren Bemühungen um mehr Ruhe an den Devisenmärkten ermutigen. Dazu passt das Gerücht, dass sich die Notenbanken der großen Industrieländer auf dem Treffen der Gruppe der 20 wichtigsten Länder der Welt in Shanghai auf einen "Geheimpakt" zur Stabilisierung der Wechselkurse geeinigt haben. Danach verpflichteten sich Europa und Japan angeblich, sich bei weiteren Zinssenkun­gen zurückzuhalten. Die Amerikaner versprachen, bei der geplanten Zinserhöhung vorsichtig vorzugehen. Die Chine­sen sagten zu, keine weitere Abwertung des Renminbi her­beizuführen.

Nun ist dies natürlich nur ein Gerücht und niemand weiß, was daran wahr ist. Was dafür spricht, dass es nicht ganz abwegig ist, sind zwei Dinge. Zum einen waren die Wech­sel­kurse auch in einem Monat mit so vielen schwierigen Zentralbankentscheidungen wie dem letzten März relativ ruhig. Das war ungewöhnlich. Zum anderen hat EZB-Chef Draghi auf seiner letzten Pressekonferenz explizit gesagt, dass die Zinsen zunächst nicht weiter gesenkt werden müs­sten. Die Amerikaner haben ihrerseits die Zinserhöhungs­fantasie gedämpft und erklärt, dass sie bei allen künftigen Aktionen auf die internationale Situation Rücksicht nähmen. Beides passt zu der These, dass sie mehr Ruhe haben wol­len.

Wir wissen nicht, wie der Geheimpakt im Einzelnen aus­sieht. Sicher ist es kein neues formelles Abkommen über die Wiedereinführung fester Wechselkurse. Es gab wohl auch keine Verpflichtungen zu Devisenmarktinterventionen. Die Wechselkurse wurden bestimmt auch nicht für "immer und ewig" fixiert. Schließlich wurde die Vereinbarung nicht in die Öffentlichkeit getragen. Damit soll verhindert werden, dass neue Unruhe entsteht, wenn Hedge-Fonds Positionen aufbauen, um die Bereitschaft der Zentralbanken zur Stabili­sierung der Wechselkurse zu testen.

Das neue System, wenn es das denn gibt, würde auch nicht alle großen Währungen einschließen. Der Japanische Yen, der Chinesische Renminbi und das Britische Pfund hätten ei­nen Sonderstatus. Hier müssen erst vernünftige Niveaus bei den Wechselkursen erreicht werden.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass es eine Chance für mehr Währungsstabilität gibt. Das ist positiv. Jeder weiß, dass die Konjunktur durch Zinssenkungen und Liquiditäts­ausweitung allein nicht wieder zum Laufen gebracht werden kann. Gebraucht werden Reformen in der Realwirtschaft. Hilfreich wäre aber auch weniger Wechselkursunsicherheit. Sie entlastet die Unternehmen im internationalen Geschäft. Andererseits büßt die Geldpolitik an Schlagkraft ein, wenn sie bei Wertpapierkäufen nicht auf eine Abwertung setzen kann.

Für den Anleger

Man muss bei Marktgerüchten immer vorsichtig sein. Nie­mand nimmt einem die Verluste ab, die entstehen, wenn die Sache nicht stimmt. Vergessen Sie also nicht die Sicherung gegen Währungsrisiken. Wenn das Gerücht aber richtig sein sollte, ergeben sich daraus zwei Dinge. Zum einen würde die Absicherung bei einem Andauern der Wechsel­kursstabilität billiger. Man kann sich also auch Anlagen an­schauen, die man sonst wegen dieser Kosten ausgeschlos­sen hätte. Zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Zentralbanken aus Rücksicht auf die Devisenmärk­te die Zinsen nicht überstrapazieren. In den USA werden die Leitzinsen eher moderater angehoben als bisher erwar­tet. Die EZB wird mit weiteren Vorstößen in den Negativbe­reich der Zinsen vorsichtiger sein. Das hilft sowohl Aktien- als auch Rentenmärkten.

Über die Gründe für die relative Wechselkursstabilität wird viel gerätselt. Meine These ist: Aufgrund der unterschied­lichen Geldpolitik in den USA und in Europa hätte sich der US-Dollar eigentlich aufwerten müssen. Andererseits litten die amerikanischen Unternehmen unter der starken Wäh­rung. Die Konjunktur entwickelte sich nicht so dynamisch wie erwartet. Das hätte den US-Dollar schwächen müssen. Beide Kräfte hielten sich offenbar mehr oder weniger die Waage. Erleichtert wurde das dadurch, dass der derzeitige Euro/US-Dollar-Kurs gemessen an den Kaufkraftparitäten etwa im Gleichgewicht ist.

Kann das so weitergehen? Hierzu gibt es zwei Meinungen. Professionelle Händler sind beunruhigt. Aufgrund der Erfah­rung der Vergangenheit müsste nach einer so langen Seit­wärtsbewegung eigentlich ein stärkerer Ausbruch kom­men. Die meisten denken dabei an eine größere Aufwer­tung des US-Dollars gegenüber dem Euro. Sie ziehen sich warm an.

»Es gibt eine Chance für
mehr Währungsstabilität.«

Die andere Meinung sagt: Wenn die Wechselkurse in schwieriger Zeit so lange relativ stabil waren, könnte das ja auch ein Zeichen sein, dass sich an den Märkten etwas ver­ändert hat. Alte Regeln gelten nicht mehr. Mehr Wech­selkursstabilität ist offenbar möglich. Das könnte vor allem die Zentralbanken bei ihren Bemühungen um mehr Ruhe an den Devisenmärkten ermutigen. Dazu passt das Gerücht, dass sich die Notenbanken der großen Industrieländer auf dem Treffen der Gruppe der 20 wichtigsten Länder der Welt in Shanghai auf einen "Geheimpakt" zur Stabilisierung der Wechselkurse geeinigt haben. Danach verpflichteten sich Europa und Japan angeblich, sich bei weiteren Zinssenkun­gen zurückzuhalten. Die Amerikaner versprachen, bei der geplanten Zinserhöhung vorsichtig vorzugehen. Die Chine­sen sagten zu, keine weitere Abwertung des Renminbi her­beizuführen.

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