Kommentar
09:16 Uhr, 21.01.2016

Rohstoffe: Preise an der Realität vorbei?

Der Crash der Aktien- und Rohstoffmärkte geht ungebrochen weiter. Inzwischen befindet sich der Rohstoffmarkt in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Unternehmen kommen mit Kosteneinsparungen gar nicht mehr hinterher.

Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Rohstoffen aber nach wie vor gesund.

Wenn die Nachfrage steigt, die Preise aber fallen, dann stimmt doch etwas nicht, oder?

Was wir derzeit an den Märkten erleben ist schlichtweg bemerkenswert. Rohstoffpreise klappen in sich zusammen. Innerhalb eines Jahres haben die meisten Rohstoffpreise zwischen 30 % und 50 % nachgegeben. Dieser Rückgang folgte einem bereits seit 2011 anhaltenden Abwärtstrend. Dieser beschleunigte sich 2015 und setzt sein hohes Tempo derzeit ungebrochen fort.

Ein beschleunigter Abverkauf deutet häufig eine Übertreibung an, vor allem, wenn der Trend bereits mehrere Jahre andauert. Es weist auf Panik hin. Diese Panik hat wenig mit dem makroökonomischen Umfeld zu tun. Die Weltwirtschaft wächst nach wie vor. Die hohe Dynamik der Jahre von 2003 bis 2011, unterbrochen von 2008/09, wird sich nicht fortsetzen. Eine Rückkehr zu einem Weltwirtschaftswachstum von 4 % oder 5 % ist nicht absehbar.

Die Weltwirtschaft dürfte in den kommenden Jahren noch immer um 2,5 % bis 3 % wachsen. Mit ihr wächst auch die Nachfrage nach Rohstoffen. Gleichzeitig kürzen Rohstoffunternehmen ihre Investitionen in einem Tempo, dass der Atem stockt. Viele beginnen ihre Produktionsmengen deutlich zu reduzieren. Einige Märkte, z.B. Zink, werden 2016 wohl ein Unterangebot sehen. Unter diesen Umständen ist der anhaltende Preisverfall nicht mehr nachvollziehbar.

Als Anleger muss man die Fakten, die der Markt schafft, anerkennen. Der Markt ist eine Richtung losgelaufen und Vernunft hat den Markt noch nie aufgehalten. Die Vernunft setzt momentan vor allem wegen China aus. China ist der größte Rohstoffkonsument der Welt. Fast 50 % des weltweiten Metallverbrauchs entfällt auf China und keiner weiß genau wie es der Wirtschaft dort geht.

Trotz aller Ängste und Unsicherheiten importiert China nach wie vor kräftig Rohstoffe. Die ersten Zahlen für 2015 sind veröffentlicht. Demnach hat China im Vergleich zum Vorjahr 1,3 % mehr Eisenerz importiert. Der Kupferimport blieb konstant (Grafik 1).

Auch wenn man nicht weiß wie schnell die chinesische Wirtschaft noch wächst und die offiziellen Daten unzuverlässig sind, weiß man mit höherer Sicherheit, wie viel China importiert. Die Zahlen werden von denen berichtet, die nach China exportieren. Sie sind daher vertrauenswürdiger als die chinesischen Statistiken.

Den Zahlen zufolge hat sich das Wachstum deutlich abgeschwächt, doch der Rohstoffbedarf ist nach wie vor hoch. Eine Trendumkehr ist (noch) nicht auszumachen. Vermutlich haben Anleger genau davor Angst. Da China einen so großen Rohstoffhunger hat wäre eine Trendumkehr im Verbrauch fatal. Fragt China in einem Jahr 10 % weniger nach, dann liegt das weltweite Überangebot bei konstanter Produktion automatisch bei 5 %.

China selbst sagt, dass sich die Wirtschaft wandelt und in Zukunft weniger von gigantischen Infrastrukturprojekten getrieben sein wird. Infrastrukturprojekte und Produktion werden mehr und mehr vom Dienstleistungssektor abgelöst. Das weist auf sinkende Nachfrage hin. Man kann davon ausgehen, dass die Nachfrage nicht mehr stark steigen wird, aber wird sie auch sinken?

China hat nach wie vor einen großen Nachholbedarf. Viele hundert Millionen Menschen leben nach wie vor auf dem Land mit mäßig guter Infrastruktur. Städte sind stark gewachsen, doch um den Zuzug zu bewältigen muss die Infrastruktur ständig ausgebaut und erneuert werden. Ein dramatischer Nachfrageeinbruch ist nicht zu erwarten.

Fundamental dürften sich viele Rohstoffmärkte bald in einem Zustand des Unterangebots befinden. Anleger scheint das nicht zu stören. Es wird weiterhin verkauft. Das liegt auch daran, dass Unternehmen ihre Produktionskosten massiv gesenkt haben. Grafik 2 zeigt die Cash Kosten für Kupfer und Eisenerz. Die Cash Kosten sind die kurzfristigen Produktionskosten, die keine Investitionen und nicht mit der Produktion in Zusammenhang stehenden Fixkosten enthalten.

Für Unternehmen macht es Sinn so lange zu produzieren, so lange die Preise über den Cash Kosten liegen. Demnach könnten die Kupferpreise noch einmal um ein Drittel fallen, bevor massive Produktionskürzungen folgen. Eisenerz könnte theoretisch noch einmal um 50 % fallen, bevor es soweit kommt. Ob es wirklich soweit kommt, sei dahingestellt.

Die Preise sind vor allem von Angst um die Nachfrage Chinas getrieben. Das ist nicht komplett an der Realität vorbei. Vermutlich aber übertreibt der Markt, der gerade einen deutlichen Rückgang der Nachfrage einpreist. Dieser ist momentan nicht abzusehen. Auch wenn der Markt immer Recht hat, so dürfte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit herausstellen, dass der Markt falsch lag...

Anleger müssen sich darauf einstellen, dass die Preise bis zu den Cash Kosten fallen können. Erst darunter kommt es zu einer Angebotsverknappung. Anleger sollten sich nicht der Hoffnung hingeben, dass nach 50 % Preisrückgang Schluss sein muss. Theoretisch kann man deutlich niedrigere Kurse gut begründen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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