Kommentar
18:09 Uhr, 31.01.2005

Rohöl: OPEC hält Förderquoten konstant

1. Die OPEC hat auf ihrem gestrigen Treffen in Wien beschlossen, die Förderquoten konstant auf dem Niveau von 27 Millionen Barrels pro Tag (mbd) zu halten. Gleichzeitig soll die bestehende Überproduktion weiter zurückgefahren werden. Für die Märkte stellte diese Entscheidung keine Überraschung dar. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Äußerungen einiger Ölminister in diese Richtung gedeutet. Abgesehen davon haben die Mitgliedstaaten angemerkt, dass sich die weltweiten Rohöllagerbestände in ihren Augen auf einem angemessenen Niveau befinden. Ein stärkerer Anstieg ist offensichtlich nicht erwünscht. Die OPEC hat sich deshalb die Option offen gelassen, die Förderquoten bei Bedarf (weiterer Aufbau der Lagerbestände oder zu starker Preisrückgang) auch schon vor dem nächsten Treffen am 16. März in Isfahan (Iran) zu senken.

2. Interessant war, dass sich die Organisation endlich dazu durchgerungen hat, das ohnehin hinfällige Preisband von 22 bis 28 US-Dollar für den OPEC-Korb außer Kraft zu setzen. In den nächsten Wochen soll eine Expertenkommission darüber beraten, in welche Region das Band angehoben werden soll. Die Äußerungen der Ölminister schwanken zwischen 35 und 50 US-Dollar pro Barrel (USD/bbl). Am wahrscheinlichsten erscheint, dass die OPEC einen durchschnittlichen Preis für den OPEC-Korb von etwa 40 USD/bbl anstrebt. Angesichts der niedrigeren Qualität gegenüber den Sorten West Texas Intermediate (WTI) bzw. Brent Blend entspricht dies in etwa einem Preis von 45 bis 50 USD/bbl für diese beiden Sorten. Sollte sich die OPEC wieder für ein Band entscheiden, wird die Politik auch in Zukunft darauf abzielen, die Untergrenze mit aller Macht zu verteidigen, während man bei einem Ausbruch nach oben die zusätzlichen Exporterlöse ohne großes Murren mitnehmen dürfte, es sei denn, ein zu starker Preisanstieg gefährdet das Wachstum der Weltwirtschaft. Grundtenor des gestrigen Treffens war somit, dass die Weltwirtschaft offensichtlich auch bei Ölpreisen nahe der 50-USD/bbl-Marke relativ unversehrt weiter wächst und die Mitgliedstaaten daher auch in den nächsten Jahren deutlich höhere Ölpreise anstreben.

3. Obwohl das gestrige Treffen einmal mehr belegt, dass die OPEC langfristig ein deutlich höheres Preisniveau anstrebt, dürfte die Entscheidung zumindest kurzfristig für Preisrückgänge sorgen. Die Tatsache, dass die Förderquoten vorerst konstant gehalten werden, dass die Wahlen im Irak mehr oder weniger glimpflich vonstatten gingen und dass die Temperaturen in den USA wieder deutlich steigen, sollten erstens für Erleichterung sorgen. Zweites kann die Ankündigung der OPEC, die Quoten im Bedarfsfall auch vor dem nächsten Treffen im März zu senken, durchaus einige Spekulanten dazu verleiten, vorerst auf fallende Preise zu wetten, um auszutesten wie bzw. wann die OPEC reagiert. Dieses Muster ist bereits hinreichend bekannt, der Markt glaubt vorerst nicht, dass die OPEC bereit ist, im Bedarfsfall das Angebot zu kürzen und dadurch die Preise hoch zu halten. Wenn sie das Angebot dann doch verringert, was angesichts der Erfahrung der vergangenen beiden Jahre durchaus wahrscheinlich erscheint, wird die Überraschung groß sein, und die Preise werden wieder deutlich steigen. Sollte sich die Nachfrage dann auch noch stärker entwickeln als bisher erwartet, was in den vergangenen Jahren regelmäßig der Fall war, könnte sich die Lage sehr schnell wieder zuspitzen.

4. Insgesamt hat sich an unserer Sichtweise des Ölmarkts nichts geändert. Das Motto wird auch im laufenden Jahr lauten: Ausgesprochen volatile Preise auf hohem Niveau. Preisbewegungen von mehr als 10 USD/bbl innerhalb weniger Tage oder Wochen dürften auch im laufenden Jahr keine Seltenheit sein. Im Jahresdurchschnitt sollte sich der Preis für WTI tendenziell in einer Region von 45 bis 50 USD/bbl bewegen, wobei ein kurzfristiges Über- oder Unterschießen jederzeit möglich ist. Obwohl der Markt aktuell eher die Ängste vor einem Überangebot spielt, was tendenziell für fallende Preise spricht, gehen wir mittelfristig davon aus, dass das Thema Kapazitätsverknappung, ähnlich wie bereits 2004, wieder stärker in den Vordergrund treten wird.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten