Rohöl: Lagerbestände irrelevant
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1. Die am Mittwoch veröffentlichten US-Öllagerbestände sind wieder einmal mit großer Vorsicht zu genießen. Aufgrund der umfangreichen Verwerfungen durch Hurrikan Rita sollte man aus diesen Daten keine weitreichenden Schlüsse ziehen, schon gar nicht aufgrund der Abweichungen gegenüber den Erwartungen der von Bloomberg befragten Analysten. Denn die derzeit abgegebenen Prognosen unterscheiden sich kaum noch von einem reinen Glücksspiel. Dennoch, hier die Lagerdaten der vergangenen Woche: Erneut sanken die Rohöllagerbestände um 2,4 Mio. Barrels (Bloomberg-Median: -1,8 Mio. Barrels). Die Benzinlagerbestände stiegen hingegen um 4,4 Mio. Barrels (Bloomberg-Median: -2,3 Mio. Barrels). Die Lagerbestände an Diesel und Heizöl notierten 573.000 Barrels niedriger als in der Vorwoche (Bloomberg-Median: -1,9 Mio. Barrels). Schließlich lag die Kapazitätsauslastung 4,06 Prozentpunkte unter dem Niveau der Vorwoche.
2. Nachdem die Auswirkungen von Hurrikan Rita auf den Ölmarkt noch zu Beginn der Woche von vielen Marktteilnehmern als minimal abgetan wurden, tritt nun langsam die Ernüchterung ein. Fakt ist, dass sich durch Rita die Lage auf den Produktmärkten noch stärker zugespitzt hat als zuvor durch Katrina. Zum Vergleich: Durch Katrina sind bisher kumuliert knapp 40 Mio. Barrels an Raffineriekapazitäten ausgefallen. Immerhin hat Katrina die USA bereits Ende August getroffen. Die durch Rita verursachten zusätzlichen Raffinerieausfälle belaufen sich bereits nach einer Woche auf knapp 25 Mio. Barrels. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen dürfte sich ein beachtlicher Anteil der durch Rita verursachten Ausfälle deutlich länger hinziehen als ursprünglich angenommen. Bis Ende des Jahres könnten sich die durch Katrina bedingten Ausfälle aufgrund der andauernden Schließung von vier Raffinerien auf kumuliert etwa 100 Mio. Barrels erhöhen. Ein aggregierter Ausfall von Raffineriekapazitäten im Umfang von mindestens 135 Mio. Barrels bis Ende des Jahres dürfte wohl noch eine konservative Schätzung sein. Zudem liegt die gesamte Rohölförderung im Golf von Mexiko bereits fünf Tage in Folge vollkommen lahm.
Wenn man nun bedenkt, dass die Raffinerie-Kapazitäten bereits vor Katrina das größte Problem für den Ölmarkt waren, dann wird schnell klar, dass die aktuelle Situation ein noch viel größeres Problem darstellt, das sich zwangsläufig in weiter steigenden Produktpreisen (Heizöl und Benzin) niederschlagen wird. Der Druck auf den Ölpreis sollte eher moderat ausfallen, da erstens immer noch einige Auslieferungen aus den strategischen Rohölreserven anstehen. Zweitens wird durch den Kapazitätsausfall bei den Raffinerien insgesamt etwas weniger Rohöl nachgefragt und drittens ist davon auszugehen, dass bei einem erneuten deutlichen Anstieg des Rohölpreises die IEA weitere Verkäufe aus den strategischen Ölreserven anordnen wird. Dass die Preise für Brent und WTI dennoch immer wieder mit nach oben gezogen werden, lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass sich aus diesen leichteren schwefelarmen Sorten deutlich mehr leichte Produkte (Benzin, Heizöl, ...) herstellen lassen als aus qualitativ minderwertigeren Sorten wie beispielsweise Dubai. In einer Situation, in der es Engpässe bei den Raffineriekapazitäten gibt, wird daher versucht, den Output an leichten Produkten zu maximieren, indem man qualitativ höherwertigere Rohölsorten als Input verwendet. Insofern erhöht sich natürlich auch die Nachfrage nach diesen Sorten, was sich in steigenden Preisen niederschlägt, während die Preise für schwefelhaltigere Sorten kaum steigen.
3. Auf Sicht der nächsten Monate wird die Musik vor allem auf den Produktmärkten spielen. Zwar werden auch die Rohölpreise auf hohem Niveau verharren und immer wieder Ausschläge nach oben aufweisen, doch de facto ist Rohöl in dieser Situation wertlos, denn die Kapazitäten fehlen, um aus diesem an sich wertlosen Rohprodukt ein für den Wirtschaftsprozess wertvolles Produkt zu machen. Folglich ist auf der Produktseite, also beispielsweise bei Benzin und Heizöl, mit deutlich stärkerem Preisdruck zu rechnen. Mittelfristig haben die beiden Hurrikans aber auch negative Implikationen für die Rohölmärkte, denn es steht zu befürchten, dass die Förderanlagen im Golf von Mexiko, aber auch die umliegende Infrastruktur, Schäden davon getragen haben, deren Behebung ein sehr langwieriger Prozess sein dürfte. Während die kurzfristigen Engpässe durch die strategischen Rohölreserven mehr oder weniger abgemildert werden können, steht mittelfristig wieder die Entwicklung auf der Angebotsseite im Fokus. Die Internationale Energieagentur sah sich bereits in den vergangenen Monaten regelmäßig dazu gezwungen, die Angebotsschätzungen der Nicht-OPEC-Staaten nach unten zu korrigieren. Die Produktion in der Nordsee fällt erheblich schneller ab als bisher angenommen, Russland könnte bereits im nächsten Jahr Produktionsrückgänge verzeichnen, und nun dürfte auch noch das ohnehin rückläufige Angebot aus den USA enttäuschen. Über einen schrumpfenden Marktanteil muss sich die OPEC unter diesen Umständen mit Sicherheit keine Sorgen machen.
Auf eine Entspannung an den Ölmärkten, ausgelöst durch eine Entspannung auf der Angebotsseite wird man daher unserer Ansicht nach weiterhin vergeblich warten. Wenn überhaupt, müsste sich diese durch eine deutlich schwächere Entwicklung auf der Nachfrageseite ergeben, die sich aber immer noch nicht abzeichnet.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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