Kommentar
08:57 Uhr, 20.10.2005

Rohöl: Lagerbestände besser als erwartet

1. Die heute veröffentlichten Öllagerbestände in den USA fielen weitgehend besser aus als erwartet. Die Rohöllagerbestände stiegen im Vergleich zur Vorwoche um 5,6 Mio. Barrels (Bloomberg- Median: +2,3 Mio. Barrels). Dies dürfte teils auf den deutlichen Anstieg der Rohölimporte zurückzuführen sein, welche sich nach den Hurrikan-bedingten Terminal-Schließungen im Golf von Mexiko nun langsam wieder normalisieren. Darüber hinaus konnte man aber auch bei der Wiederaufnahme der Rohölförderung im Golf von Mexiko gewisse Fortschritte verzeichnen. Dennoch ist festzustellen, dass dieser Prozess weiterhin sehr schleppend verläuft und immer wieder ins Stocken gerät. Aktuell belaufen sich die Förderausfälle im Golf von Mexiko immer noch auf 65 % der gesamten Förderkapazitäten. Die kumulierten Förderausfälle haben die 60 Mio. Barrel-Marke bereits überschritten.

Ein deutliches Plus war auch bei den Benzinlagerbeständen zu verzeichnen, die im Vergleich zur Vorwoche um 2,9 Mio. Barrels zulegen konnten. Erwartet wurde ein Rückgang um 1,5 Mio. Barrels. Der Anstieg verwundert nicht, wenn man einen Blick auf die Importe von Ölprodukten wirft. Diese legten im Vergleich zur Vorwoche noch einmal um 600.000 Barrels pro Tag zu und notieren damit auf absoluten Rekordständen. Einen ähnlich starken Beitrag zum Anstieg der Benzinlagerbestände dürfte die Wiederinbetriebnahme zahlreicher Raffinerien in der Golfregion geleistet haben. Mit einem Anstieg der Benzinproduktion um knapp 700.000 Barrels gegenüber der Vorwoche hat das Produktionsniveau damit beinahe wieder Vor-Hurrikan- Niveaus erreicht. Rückläufig entwickelten sich hingegen die Heizöl- und Diesellagerbestände, welche im Vergleich zur Vorwoche um 1,9 Mio. Barrels sanken (Bloomberg-Median: -2,3 Mio. Barrels). Die Kapazitätsauslastung stieg im Vergleich zur Vorwoche um 4,23 Prozentpunkte. Dennoch sind aktuell immer noch sechs Raffinerien mit Kapazitäten von rund 1,6 Mio. Barrels pro Tag komplett außer Betrieb, und weitere sieben Raffinerien haben den Grad der Vollauslastung noch nicht erreicht. Mittlerweile dürften sich die kumulierten Produktionsausfälle bereits auf weit mehr als 120 Mio. Barrels belaufen.

2. Am Ölmarkt wird weiterhin voll und ganz auf die vermeintlich schwächere Nachfrage gesetzt, was für anhaltenden Preisdruck nach unten sorgt. Auch wenn die Preisrückgänge der vergangenen Wochen bestens zu unserer Prognose passen, welche für das vierte Quartal einen durchschnittlichen WTI-Preis von lediglich 61 USD/bbl vorsieht, so halten wir das aktuelle Preisniveau dennoch für eine spekulative Untertreibung, die der Situation vom November und Dezember vergangenen Jahres sehr ähnelt. Die derzeit veröffentlichten Nachfragedaten als Beleg für einen deutlichen Nachfragerückgang zu sehen, ist nicht haltbar. Unserer Einschätzung zufolge sollte es daher nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die derzeit an den Märkten gespielte Geschichte eines deutlichen Nachfragerückgangs in sich zusammenbricht. Die vermeintliche Evidenz für diese Theorie ist bereits jetzt sehr dünn und dürfte in den nächsten Wochen weiter bröckeln. Zudem belegen die jüngsten Nachfragedaten aus Asien, dass sich die Nachfrage in dieser Region trotz der Preisanstiege der vergangenen Monate weiterhin recht stabil zeigt. Viel gewichtiger ist unserer Ansicht die Angebotsentwicklung, die weiterhin das größte Preisrisiko nach oben birgt.

3. An der New York Mercantile Exchange haben die Netto-Short-Positionen der Spekulanten währenddessen den höchsten Stand seit September 2003 erreicht. Auch hier wird ganz klar auf die vermeintliche Nachfrageschwäche gesetzt. Sollte diese Nachfrage-Geschichte allerdings in den nächsten Wochen in sich zusammenbrechen, wovon wir ganz klar ausgehen, dürften sich viele Spekulanten gezwungen sehen, ihre Short-Positionen zu schließen, was für zusätzlichen Preisdruck sorgen dürfte.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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