Kommentar
21:11 Uhr, 14.09.2005

Rohöl: Kräftiger Rückgang der Lagerbestände

1. Die heute in den USA veröffentlichten Öllagerbestände haben doch etwas erstaunt. Erneut war bei den Rohöllagerbeständen ein kräftiger Rückgang um 6,6 Mio. Barrels zu verzeichnen. Erwartet wurde lediglich ein Minus von 2,0 Mio. Barrels. Dies überraschte insofern, als man eigentlich davon ausgehen musste, dass die Wiederaufnahme eines Teils der Ölförderung im Golf von Mexiko und die Wiederinbetriebnahme des Louisiana Offshore Oil Port (LOOP), wenn auch nur zu 75 %, den Rückgang begrenzen hätte sollen. Dem war offensichtlich nicht so. Die Rohölimporte fielen im Vergleich zur Vorwoche noch einmal um 400.000 Barrels pro Tag und notierten damit nahezu 2 Mio. Barrels unter den Rekordniveaus vom August. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Wochen eine Trendwende vollziehen wird. Eine Rückkehr auf mehr oder weniger normale Importniveaus sowie die derzeit ins Stocken geratene Wiederaufnahme der Ölförderung im Golf von Mexiko sollten relativ schnell wieder zu steigenden Rohöllagerbeständen führen.

Noch viel erstaunlicher als der starke Rückgang der Rohöllagerbestände war allerdings das Plus bei den Benzinlagerbeständen. Entgegen den Erwartungen stiegen diese im Vergleich zur Vorwoche um 1,9 Mio. Barrels an (Bloomberg-Median: -2,2 Mio. Barrels). Die Heizöl- und Diesellagerbestände hingegen sanken im Vergleich zur Vorwoche um 1,1 Mio. Barrels. Hier wurde von den von Bloomberg befragten Analysten ein Rückgang von lediglich 150.000 Barrels prognostiziert. Die Daten dürften auch noch in dieser Woche erheblichen Verwerfungen aufgrund der Nachwehen von Hurrikan Katrina unterliegen. Insofern sollte man nicht zuviel hineininterpretieren. Dennoch gibt es zwei interessante Entwicklungen: Erstens sind die Produktimporte im Vergleich zur Vorwoche wieder deutlich gestiegen. Sie notierten mit 3,6 Millionen Barrels rund 600.000 Barrels über dem Niveau der Vorwoche und damit nahe dem Niveau vor Hurrikan Katrina. Zweitens ist die Benzinproduktion im Vergleich zur Vorwoche wieder sehr kräftig gestiegen. Gleichzeitig war bei der Produktion von Heizöl und Diesel aber ein weiterer Rückgang nach dem starken Einbruch der Vorwoche zu sehen. Möglich ist daher, dass das Hauptaugenmerk vorerst zu Lasten der Produktion von Heizöl und Diesel auf die Benzinproduktion gelegt wird, da dort die Lage bereits vor dem Hurrikan aufgrund niedriger Lagerbestände sehr angespannt war. Die Kapazitätsauslastung verbesserte sich im Vergleich zur Vorwoche um lediglich 0,45 Prozentpunkte. Auch das überraschte, da im Laufe der vergangenen Woche zahlreiche Raffinerien den Betrieb wieder aufnahmen.

Es dürfte wohl noch ein bis zwei Wochen dauern, bis die Daten einen klarerer Blick auf die tatsächliche Lage am amerikanischen Markt erlauben. Insbesondere sollte man sich hüten, den deutlichen Rückgang der Benzinnachfrage, der sich aus den heute veröffentlichten Daten ergibt, zu dramatisieren. Tatsächlich handelt es sich bei den Nachfragedaten lediglich um die implizite Nachfrage, die sich aus der Entwicklung der Produktion und der Lagerbestände ergibt. Unter normalen Umständen gibt dies zwar Aufschluss über die tatsächliche Endnachfrage, doch unter den derzeit vorherrschenden Verwerfungen sind diese Daten mit ausgesprochen großer Vorsicht zu genießen.

2. Der Ölpreis gab in den vergangenen Tagen deutlich nach. Einerseits hat die Teilfreigabe der strategischen Reserven für eine deutliche Beruhigung bei den Marktteilnehmern gesorgt. Andererseits hat die Internationale Energieagentur am Freitag in ihrem Monatsbericht die Prognose für das Wachstum der Ölnachfrage im laufenden Jahr deutlich nach unten genommen. Auch wenn man diese Abwärtsrevision auf keinen Fall überbewerten sollte, so reichte sie doch aus, die Marktteilnehmer etwas „bearisher“ für die zukünftige Ölpreisentwicklung zu stimmen. Der heutige Rückgang der Rohöllagerbestände dürfte diese Euphorie wohl etwas gedämpft haben. Allzu starke Preisanstiege sollte dies aber dennoch nicht auslösen, da der Markt trotz der anhaltenden Förderausfälle im Golf von Mexiko zumindest vorerst gut versorgt ist. Im vierten Quartal dürfte sich der Ölpreis daher auf hohem Niveau halten, erneute Rekordniveaus halten wir zumindest im laufenden Jahr für weniger wahrscheinlich. Deutlich skeptischer sehen wir hingegen die Lage an der Produktfront. Auch wenn die Tankstellenpreise auf hohen Niveaus verharren, so sind die Preise für Terminkontrakte auf Benzin in den vergangenen Tagen eingebrochen und notieren aktuell noch niedriger als vor der Verwüstung der Golfregion. Dies halten wir angesichts der zu erwartenden Versorgungslücke aufgrund der Raffinerieausfälle für ein deutliches Unterschießen, das zwar vor dem Hintergrund der jüngst günstigen Lagerdaten noch etwas andauern kann, mittelfristig jedoch nicht haltbar ist. Insbesondere für die Benzinpreisentwicklung sind wir daher sehr skeptisch und erwarten hier im vierten Quartal erneute und deutliche Preisanstiege.

3. Die spekulativen Positionen an der New York Mercantile Exchange befinden sich indes weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Daran hat auch Hurrikan Katrina wenig geändert.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten