Richtungsweisende Änderungen in Europa
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Die letzten beiden Wochen in Europa waren recht ereignisreich...
Am 22. Mai 2005 verlor die Sozialdemokratische Partei (SPD) des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahlen gegen die konservativen Christdemokraten (CDU). Dies veranlaßte Bundeskanzler Schröder dazu, vorgezogene Neuwahlen zu fordern. Obwohl eine Neuwahl nicht sicher ist, könnte sie frühestens Mitte September stattfinden. Alle Umfragen deuten derzeit auf einen Sieg der CDU hin. Gleichzeitig wurde die Ratifizierung der EU-Verfassung durch das „Nein“ bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden unmöglich gemacht. In beiden Fällen hat das Ausmaß der Ablehnung gegen die Verfassung Europas überrascht.
Französische Wähler machen einen Schritt zurück
Das Lager der „Neinsager” in Frankreich fand sich aus einer Reihe von Gründen zusammen: wegen des Verlustes des französischen Einflusses in Europa, Furcht vor Zuwanderung und Ängste vor einer „ultra-liberalen“ Wirtschaft. Entscheidend für die Kampagne war der Aufruf, das Sozialmodell Frankreichs angesichts dieser Herausforderungen beizubehalten. Nach dieser Abstimmung haben Präsident Chirac und sein neuer Premierminister De Villepin klar gemacht, daß sie nicht vorhaben, das „französische Modell“ zu demontieren. Die neue Regierung wird wahrscheinlich keine Arbeitsmarktreform durchführen, die die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Volkswirtschaft verbessern könnte. Und da die nächsten Präsidentschaftswahlen nicht vor 2007 anstehen, wird sich die Lage wahrscheinlich auch nicht allzubald ändern.
Deutsche Wähler müssen vorwärts gehen
Im Gegensatz dazu machen die Aussichten auf einen Wandel in Deutschland einen erfreulicheren Eindruck. Die deutschen Wähler haben nun die Wahl zwischen zwei Parteien, die beide weitere Arbeitsmarktreformen favorisieren. Schröder hat bereits einige Fortschritte gemacht, indem er die Arbeitslosenunterstützung gesenkt und mit den Gewerkschaften eine Vereinbarung erzielt hat, für das gleiche Geld länger zu arbeiten. Er hat ferner angedeutet, daß er sein Reformprogramm „Agenda 2010“ fortsetzen wird. Die CDU unter Angela Merkel wird die Reformen wahrscheinlich noch beschleunigen. Da die CDU bereits den Bundesrat kontrolliert, wird sie durch eine Mehrheit im Parlament eine sehr starke Position einnehmen, um Veränderungen voranzutreiben.
Von Reformen und festen Wechselkursen
In einem Euroraum mit festen Leitzinsen und festen Wechselkursen wächst immer eine der großen Volkswirtschaften auf Kosten einer anderen. Italien hat beispielsweise mit seinen strengen Arbeitsmarktvorschriften unter diesem Umfeld überproportional gelitten. Da die politische Option einer Abwertung seiner Währung nicht mehr besteht, hat sich die Wettbewerbsfähigkeit Italiens im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten stetig verschlechtert. Die nachfolgende Graphik zeigt die Lohnstückkosten in den drei größten Volkswirtschaften des Euroraums.
La dolce vita?
Die Lohnstückkosten in Italien sind seit Mitte der 90er Jahre nun bis auf ein Niveau angestiegen, auf dem sie nun deutlich über denen in Deutschland liegen. Es ist deshalb unserer Meinung nach auch kein Zufall, daß Italien derzeit das einzige bedeutende Euroland ist, das sich technisch gesehen in einer Rezession befindet. Wir befürchten, daß die französische Volkswirtschaft in Ermangelung von Reformen denselben Abwärtstrend nehmen wird wie Italien. Wie die obige Graphik illustriert, sind die Arbeitskosten in Frankreich von einem wettbewerbsfähigen Stand nun auf das Niveau in Deutschland angestiegen. Falls dieser Trend anhält, könnte Deutschland davon auf Kosten seiner Nachbarstaaten profitieren.
Der Euro und die EU-Erweiterung
Nach den Ergebnissen der Referenden stand die Schwäche des EUR sehr im Mittelpunkt. Einige Kommentatoren haben bereits über eine Auflösung der Währung spekuliert. Unserer Meinung nach ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Währung in diesem oder im nächsten Jahr auseinander fallen wird, sehr gering. Die Erweiterung der EU ist jedoch ein wesentlich drängenderes Problem. Die Chancen von EU-Aufnahmekandidaten wie Bulgarien und Rumänien machen allmählich einen unsichereren Eindruck. Die Aussichten für Länder wie die Ukraine und die Türkei, die sowieso eher in der weiten Zukunft lagen, sind nun noch schlechter geworden.
Für die drei großen osteuropäischen Mitgliedsstaaten (Polen, Ungarn und die Tschechische Republik) sind die Signale in vielerlei Hinsicht unheilvoll. Sie sind zwar bereits EU-Mitglieder, aber ihr jüngster Aufschwung basierte auf flexiblen, wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften, die Investments aus den westlichen Industriestaaten anzogen und im Gegenzug Güter sowie Dienstleistungen exportiert haben. Der zunehmende populistische Protektionismus in einem Land wie Frankreich könnte Probleme mit sich bringen. Die enorm erfolgreichen Aktien- und Rentenmärkte dieser Länder haben diese Schwierigkeiten in den Kursen nämlich noch nicht wirklich berücksichtigt.
Die Wiederkehr der Länderanalyse
Unserer Meinung nach gewinnen Länderfaktoren bei der Einzelwertselektion zunehmend an Bedeutung. In Osteuropa kann man eine EU-Mitgliedschaft nicht mehr in allen Ländern als garantiert ansehen. Deshalb müssen länderspezifische Risiken einbezogen werden. In Westeuropa muß man die unterschiedlichen Auffassungen im Hinblick auf Reformen und die Folgen, die diese auf die relative Wettbewerbsfähigkeit haben, berücksichtigen. Selbstverständlich sind die europäischen Fonds stark einzeltitelfokussiert (so halten wir in den kontinentaleuropäischen Fonds nur 50 und in gesamteuropäischen Fonds lediglich 60 Positionen). Darüber hinaus sind zwar auch viele unserer Blue Chip-Unternehmen selbst sehr breit aufgestellt, aber in einigen Fällen hat uns die Einzelwertentscheidung dazu veranlaßt, in Italien untergewichtet zu bleiben und unsere Übergewichtung in Frankreich abzuschwächen. Außerdem haben wir Deutschland von untergewichtet auf übergewichtet angehoben.
Quelle: Mellon Global Investments
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