Kommentar
16:29 Uhr, 22.01.2008

Rezessionsängste beherrschen die Finanzmärkte

Auch in der vergangenen Woche und am heutigen Montag beherrschten wachsende Befürchtungen vor einer Rezession in den USA die Finanzmärkte. Die Hiobsbotschaften aus dem Bankensektor wollen nicht abreißen. Eine beherzte Zinssenkung der Fed wird immer wahrscheinlicher. Auch die EZB nimmt inzwischen die gestiegenen Konjunkturrisiken zur Kenntnis. Der Dollar konnte sich zuletzt gegenüber dem Euro erholen.

Bankensektor erneut als Störenfried

Die in der Berichtswoche vor dem Hintergrund der US-Subprime-Krise mit Spannung erwarteten Quartalszahlen aus dem US-Bankensektor übertrafen zumeist noch die schlimmsten Erwartungen. Insbesondere Citigroup und Merrill Lynch schockten die Anleger. So wies Citigroup für das vierte Quartal 2007 einen Verlust von fast zehn Mrd. USD aus, der aus Abschreibungen auf zweitklassige Hypotheken in Höhe von über 17 Mrd. USD resultierte. Zudem kündigte das Institut erstmals eine Dividendenkürzung an. Bei Merrill belief sich der Quartalsverlust ebenfalls auf nahezu zehn Mrd. USD, wobei die Abschreibungen knapp 15 Mrd. USD betrugen. Beide Häuser haben sich bereits Kapitalspritzen unter anderem von ausländischen Staatsfonds in Südkorea, Singapur und Kuwait gesichert.

Aber nicht nur US-Banken sorgten für Negativschlagzeilen. In Europa war es die deutsche Hypo Real Estate (HRE), die mit ihrem Eingeständnis von Belastungen aus der Hypothekenkrise eine Schockwelle an den Märkten auslöste. Das Münchener Institut musste mit 390 Mio. Euro Risiken aus ihrem Wertpapierportefeuille auffangen. Zudem dürfte die avisierte Nettorendite von zwölf Prozent auf das Eigenkapital 2007 wohl nicht zu erzielen sein. Was Marktteilnehmer in diesem Zusammenhang besonders aufbrachte, war der Zeitpunkt der Mitteilung. Wurde zuvor immer betont, dass keine Leichen im Keller liegen, kam nun im Anschluss an die Citigroup-Zahlen diese Hiobsbotschaft. Am Markt sprachen Händler von einem "Vertrauensbruch" und straften die HRE-Aktie mit einem Tagesverlust von 35 Prozent ab.

Auch Konjunkturdaten belasten

Neben den katastrophalen Ergebnissen aus dem Bankensektor bereitete zudem die Konjunkturentwicklung in den USA zunehmend Sorgen. Jenseits des Atlantiks wurden für Dezember überraschend nachgebende Einzelhandelsumsätze gemeldet, der Inflationsdruck setzte sich fort, auf dem Häusermarkt blieb die Situation desolat und das Beige Book bestätigte eine signifikante Konjunkturverlangsamung. Zudem sackte der viel beachtete Philadelphia-Fed-Index entgegen den Erwartungen deutlich ab, was die Rezessionsgefahr erhöhte. FED-Chef Ben Bernanke bestätigte vor diesem Hintergrund in einer Stellungnahme vor dem Kongress die Bereitschaft der Notenbank zu substanziellen Zinssenkungen. Zum Wochenende schließlich stellte Präsident George W. Bush ein Hilfspaket vor, das in Höhe von rund 140 Mrd. USD Steuererleichterungen für private Haushalte und Unternehmen vorsieht.

Staatsanleihen weiter gefragt

Vor dem Hintergrund der sich wieder verschärfenden Kreditkrise hielt in der abgelaufenen Woche der Run auf sichere Staatsanleihen sowohl in Europa als auch in den USA an. In Europa sind beispielsweise die zehnjährigen Bund-Renditen wieder deutlich unter vier Prozent gefallen. Bei amerikanischen Staatsanleihen haben die Renditen mit 3,6 Prozent sogar wieder das Niveau vom Sommer 2003 erreicht. Immerhin kam es hier seit Jahresanfang bereits zu einem Rückgang von fast 40 Basispunkten. Auf Indexebene (JP Morgan EMU Bond Index) legten Euro-Rententitel seit dem 1. Januar bis zum vergangenen Freitag bereits um kräftige 2,0 Prozent zu.

Nach wie vor geben die US-Bondmärkte die generelle Richtung in der Renditeentwicklung vor. Der Vorsitzende der amerikanischen Notenbank, Ben Bernanke, hat bereits klar signalisiert, dass die Fed die Leitzinsen Ende Januar weiter senken will, um die heimische Konjunktur zu stützen. Die Frage ist nur noch, wie hoch der Zinsschnitt sein wird. Einige Marktteilnehmer gehen nicht mehr nur von 50, sondern sogar schon von 75 Basispunkten aus. Bislang wollte die EZB dagegen von Zinssenkungen nichts wissen und verwies stattdessen auf die anhaltenden Inflationsgefahren im Euroraum. Doch hat auch die EZB unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in Amerika einen Meinungsumschwung vollzogen. Denn es ist unbestritten, dass sich auch die hiesige Wirtschaft von der dortigen Entwicklung nicht abkoppeln kann.

Corporate-Bond-Markt bleibt unter Druck

Neben den bereits veröffentlichten Rekordverlusten aus dem US-Bankensektor droht nun neues Ungemach von Seiten der amerikanischen Anleiheversicherer. Die Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's prüfen aktuell die bisherigen AAA-Ratings der beiden größten Gesellschaften MBIA und Ambac. Sollte es hier zu einer Herabstufung kommen, ist eine weitere Kettenreaktion zu erwarten. Diese so genannten Monoliner-Versicherungen haben nämlich in großem Stil Garantien auf verbriefte Kredite vergeben. Wenn sie ihr Premium-Rating verlieren, drohen Milliardenverluste auf die von ihnen garantierten Papiere. So verwundert es nicht, dass aktuell sämtliche Kreditpapiere aus dem privaten Sektor gemieden werden. Dies gilt nicht nur für verbriefte Hypothekenkredite, sondern inzwischen auch für alle Arten von Konsumentenkrediten. Dementsprechend sind auch die Renditeaufschläge für Unternehmensanleihen in die Höhe geschnellt. Alleine in der abgelaufenen Woche sind die Corporate Spreads um 5 Basispunkte gestiegen.

Aktuelle Entwicklung am heutigen Montag

Während die amerikanischen Börsen heute feiertagsbedingt geschlossen sind, kam es im Verlauf des Tages an den internationalen Aktienbörsen zu einem regelrechten Ausverkauf. In diesem Kontext sind alleine heute die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen um weitere 6 Basispunkte auf 3,91 Prozent gefallen. Die wieder deutlich anziehende Risikoaversion der Investoren zeigt sich auch an der Entwicklung der iTraxx-Indizes für die Absicherung von Unternehmensanleihen. Anfang 2008 notierte der iTraxx Crossover für europäische Unternehmen noch bei 340 Basispunkten. Letzten Freitag lag er bereits wieder bei 450 Bp, während er alleine heute auf 485 Bp gestiegen ist. Das Hoch vom vergangenen Sommer, als der Index bei 505 Bp lag, ist also nicht mehr weit entfernt. Alles deutet zurzeit darauf hin, dass dies auch noch nicht das Ende der Fahnenstange war.

Ausblick

In dieser Woche kommen nur wenige Daten in den Markt, die Aufschluss über die weitere konjunkturelle Entwicklung in den USA geben könnten. Zu nennen ist hier lediglich die Veröffentlichung der Verkäufe bestehender Häuser am Donnerstag. In Europa werden am Mittwoch die Einkaufsmanagerindizes und Auftragseingänge aus der verarbeitenden Industrie und dem Dienstleistungssektor gemeldet. Aus Deutschland erwarten wir darüber hinaus am Donnerstag den Ifo-Index sowie am Freitag den GfK-Konsumklima-Index für Januar.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 163,4 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. März 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten