Kommentar
12:09 Uhr, 11.04.2006

Rentenmärkte weiterhin unter Druck

Fortgesetzte Renditeanstiege setzten die Rentenmärkte in den USA und Europa weiter unter Druck. Der nächste Zinsschritt der EZB wird aller Voraussicht nach erst im Juni erfolgen. Das Ende des FED-Zinserhöhungskurses ist noch ungewiss. Ölpreise ziehen wieder auf breiter Front an.

USA: Feste Konjunktur sorgt für höhere Realrenditen

Die amerikanische Konjunktur präsentiert sich weiterhin in guter Verfassung. Insbesondere der Arbeitsmarkt sendet erfreuliche Impulse aus. Wie am Freitag berichtet wurde, lag die Zahl der neu geschaffenen Stellen im März bei 211.000. Damit erhöhte sich im ersten Quartal 2006 die Beschäftigung um 200.000 pro Monat. Die Arbeitslosenquote verringerte sich dadurch auf 4,7 Prozent. Da auch die Stundenlöhne weiter steigen, dürfte der Konsum der privaten Haushalte auf hohem Niveau verbleiben und damit der Konjunktur kräftigen Rückenwind verleihen. Die leichte Wachstumsdelle aus dem vierten Quartal 2005 sollte im ersten Quartal 2006 überwunden worden sein. Es ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten in diesem Zeitraum um aufs Jahr hochgerechnete vier Prozent zugenommen haben dürfte.

Am US-Rentenmarkt sind die Renditen vor diesem Hintergrund weiter gestiegen. Binnen zwei Wochen erhöhte sich die Rendite zehnjähriger Treasuries um beachtliche 30 Basispunkte, was bei bisherigen Anleihebesitzern zu spürbaren Kursverlusten führte. Mit fünf Prozent rentieren die Benchmarkpapiere inzwischen so hoch wie seit vier Jahren nicht mehr. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Inflationserwartungen bislang nicht, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, deutlich nach oben entwickelt hätten. Der Renditeanstieg kann stattdessen, wie aus dem Vergleich mit inflationsgeschützten Tips abzulesen ist, im Wesentlichen auf erhöhte Realrenditen zurückgeführt werden. Dies spricht aber wiederum dafür, dass die Marktteilnehmer zumindest auf mittlere Sicht von einer prosperierenden Wirtschaft mit Wachstumsraten am und sogar oberhalb des Produktionspotenzials ausgehen. Das deckt sich auch mit der Entwicklung an den Aktienmärkten, wo die Indizes angesichts eines freundlichen konjunkturellen Umfelds und steigender Unternehmensgewinne kräftige Zuwächse verbuchten. Dass die US-Notenbank vor diesem Hintergrund ihren Zinserhöhungskurs nach ihrem jüngsten Schritt auf 4,75 Prozent beenden wird, erscheint eher unwahrscheinlich. Vielmehr ist noch mit mindestens einer Erhöhung um 25 Basispunkte zu rechnen. Darauf deuten auch Äußerungen führender FED-Mitglieder in letzter Zeit hin. Eine Entspannung am langen Ende ist derzeit noch nicht absehbar.

Euroraum: 4-Prozent-Marke in Reichweite

Bundesanleihen folgen US-Treasuries weiter im 100-Basispunkte-Abstand nach oben. Die 4-Prozent-Marke für die Rendite zehnjährigen Bundesanleihen könnte deshalb auch schon bald fallen. Seit Jahresanfang ist nunmehr bereits ein Anstieg von 0,6 Prozentpunkten zu verzeichnen. Auf Indexebene (JPMorgan EMU Bond Index) führte dies bei Rentenmarktinvestoren zu ungewohnten Verlusten von 2,6 Prozent, nachdem die zurückliegenden sechs Jahre allesamt mit einem teilweise sogar deutlichen Plus beendet wurden.

Allerdings dürfte der Renditeanstieg jenseits der 4-Prozent-Marke begrenzt sein. Die Spitze sollte daher schon in absehbarer Zeit erreicht werden. Dafür, dass die Zinserhöhungsfantasien nicht in den Himmel wachsen, hat auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, mit seinen Aussagen in der Vorwoche gesorgt. Wenig verklausuliert hat der oberste Währungshüter den Märkten zu verstehen gegeben, dass die nächste Leitzinsanhebung nicht, wie allgemein erwartet wurde, im Mai erfolgen wird, sondern vermutlich erst im Juni. An den europäischen Rentenmärkten führte dies zu einer kurzfristigen Entspannung. Heftiger war die Reaktion am Devisenmarktmarkt. Nachdem der Euro im Wochenverlauf bereits den Wert von 1,23 US-Dollar überschritten hatte, fiel er nach den Trichet-Aussagen auf 1,21 US-Dollar zurück. Dies lässt darauf schließen, dass die Wechselkurs-entwicklung weiterhin von den Zinsunterschieden bzw. den Erwartungen an die Geldpolitik der großen Zentralbanken bestimmt wird.

Ausblick:

Die in den beiden vor uns liegenden Wochen zur Veröffentlichung anstehenden Konjunkturdaten sollten eine Bestätigung des konjunkturellen Erholungskurses im Euroraum bringen. Dies gilt sowohl für die Stimmungsindikatoren (ZEW-Index) als auch für die harten ökonomischen Fakten (Industrieproduktion). Für die Prognose der mittelfristigen EZB-Politik dürfte zudem die Inflationsentwicklung von zentralen Bedeutung sein. Ein Unterschreiten des EZB-Zielwerts von zwei Prozent ist für März jedoch nicht zu erwarten. In den USA erwarten wir ebenfalls eine Bestätigung der robusten Konjunkturentwicklung. Relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem die Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion. Darüber hinaus dürften aber auch die Daten vom Immobilienmarkt sowie die Inflationszahlen die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer wecken.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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