Kommentar
08:26 Uhr, 01.07.2004

Rentenmärkte der Schwellenländer

Im vergangenen Jahr verzeichneten Anleihen aus Schwellenländern (Emerging Markets) von allen Rentensegmenten die höchste Performance. Die Renditeaufschläge (Spreads) des für die Emerging Markets relevanten Index EMBI+ verringerten sich in diesem Zeitraum um über 300 Basispunkte bei gleichzeitig deutlich reduzierter Spreadvolatilität. Ein gestiegener Risikoappetit der Investoren, die nachlassende Auslandsverschuldung vieler aufstrebender Länder und die hierdurch eingeleitete Tendenz zu Ratingverbesserungen sorgten für ein günstiges Marktumfeld.

Im ersten Halbjahr 2004 wurde der positive Trend jedoch gebrochen. In der Spitze legte der Renditeaufschlag des EMBI+ gut 150 Basispunkte zu, um sich in jüngster Zeit wieder etwas zu erholen. Von den Spreadausweitungen waren dabei in erster Linie Länder mit hohem Refinanzierungsbedarf wie Brasilien, die Türkei, Venezuela oder die Philippinen betroffen. Ausgelöst wurden die Kursverluste der jüngsten Zeit vor allem durch den zeitweisen Rückzug internationaler Investoren, welche das zuvor erreichte Spreadniveau für Gewinnmitnahmen nutzten. Sie agierten dabei unter dem Eindruck eines insgesamt verschlechterten Zinsumfelds. An den internationalen Rentenmärkten hat sich der Trend zu steigenden Renditen beschleunigt. Bei zehnjährigen US-Treasuries zogen sie im bisherigen Jahresverlauf nochmals um 30 Basispunkte an, nachdem sie bereits im 2. Halbjahr 2003 um über 100 Basispunkte zulegten. Den Emerging Markets machte auch die wieder zunehmende Risikoaversion zu schaffen. Die sich zuspitzende Lage im Irak sowie Sorgen vor neuerlichen Terroranschlägen boten nicht gerade ideale Bedingungen für risikoreichere Anlagen.

Für den weiteren Jahresverlauf bleiben wir jedoch vorsichtig optimistisch. Die in den letzten Monaten erfolgten Spreadausweitungen erscheinen uns aus einer Reihe von Gründen übertrieben:

Zinsumfeld: Die an den Kapitalmärkten gehandelten Zinssteigerungen die US-Geldmarktfutures preisen beispielsweise binnen der kommenden 12 Monate Leitzinsanhebungen von über 150 Basispunkten ein entsprechen nicht unseren Erwartungen. Wir gehen zwar auch davon aus, dass die Federal Reserve Bank in den vor uns liegenden Monaten die Zielrate sukzessive erhöhen wird, der Zinserhöhungspfad sollte jedoch eher moderat verlaufen. Damit sollte auch der Druck auf die Kurse von Emerging Market Bonds etwas nachlassen. Mit massiven Kapitalabflüssen rechnen wir nicht.

Weltwirtschaftliches Umfeld: Von der gestiegenen Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft profitieren die Schwellenländer in besonderem Maße. Die lateinamerikanischen Länder haben beispielsweise in 2003 erstmals seit 50 Jahren zusammengenommen eine ausgeglichene Leistungsbilanz erzielt. Zunehmende Exporterlöse, die nicht zuletzt auf kräftige Rohstoffpreissteigerungen zurückzuführen sind, erleichtern ihnen den Schuldendienst und verringern die Gefahr von Zahlungsausfällen. Dies schlägt sich in einem anhaltend positiven Ratingtrend d.h. die Heraufstufungen übersteigen die Herabstufungen nieder.

Währungsreserven: Viele der aufstrebenden Länder verfügen heute über erhebliche Fremdwährungsreserven. In Kombination mit überwiegend flexiblen Wechselkursen hat sich dadurch die Verwundbarkeit durch Währungsturbulenzen in den meisten Emerging Markets deutlich vermindert. Damit ist auch die Gefahr von Ansteckungseffekten, wie sie im Falle der Russlandkrise 1998 zu beobachten waren, signifikant geringer geworden.

Mittelrückflüsse: Bezogen auf das gesamte Anlagesegment stehen in nächster Zeit Mittelrückflüsse an die ausländischen Bondholder an, die das Refinanzierungsvolumen deutlich übersteigen, sodass sich die Emerging Markets in der Rolle von Nettozahlern wiederfinden. Die Auslandsverschuldung geht zurück zu Gunsten der Kapitalaufnahme an den heimischen Kapitalmärkten, deren Entwicklung spürbar voranschreitet.

Zudem dürfte eine Reihe säkularer Trends die langfristigen Aussichten der heutigen Schwellenländer positiv beeinflussen:

Als Rohstofflieferanten werden viele aufstrebende Ländern von einer strukturellen Nachfrageerhöhung profitieren. Dem Weg Chinas, welches neben den Vereinigten Staaten bereits heute zu den Hauptabnehmern auf den Rohstoffmärkten zählt, dürften Länder wie Indien folgen. Mit vier Prozent der globalen Wirtschaftsleistung verbraucht das Reich der Mitte aktuell 20 bis 30 Prozent des weltweit erzeugten Zements, Stahls oder Eisenerzes sowie rund sieben Prozent des geförderten Öls. Für den Preis des bedeutendsten Rohstoffes der Weltwirtschaft ist daher mit einem dauerhaft höheren Niveau zu rechnen. Das bedeutet nicht unbedingt 40 US-Dollar pro Barrel, wie wir es bis vor kurzem erlebten, eine Rückkehr auf ein Level von spürbar unter 30 US-Dollar erscheint uns vor diesem Hintergrund aber eher unwahrscheinlich. Von dieser Entwicklung sollten insbesondere die OPEC-Staaten, aber auch Länder wie Mexiko, Russland oder Kasachstan profitieren.

Der Prozess der ökonomischen Integration geht weiter. Die bestehenden Gravitationszentren USA, Europa und Japan vergrößern ihre jeweiligen Wirtschaftsräume. Nach der kürzlich vollzogenen EU-Osterweiterung stehen mit Bulgarien, Rumänien und Kroatien sowie langfristig der Türkei bereits die Kandidaten der nächsten EU-Erweiterungsrunden bereit. Auf dem amerikanischen Kontinent dürfte die Freihandelszone NAFTA noch an Bedeutung gewinnen. Vergleichbare Entwicklungen sind auch in Asien zu erwarten. Durch die engere Anbindung wird den Schwellenländern der Marktzugang in den Industrieländern erleichtert und die Voraussetzungen für ausländische Direktinvestitionen verbessert. Damit erhöhen sich ihre Wachstumsaussichten zusätzlich.

Die demografische Entwicklung spricht für die aufstrebenden Länder. Während in vielen Industriestaaten das Durchschnittsalter der Bevölkerung kräftig im Steigen begriffen ist, verfügen diese über junge dynamische Gesellschaften mit hoher Nachfrage nach Arbeitsplätzen, aber auch mit Nachholbedarf bei Konsumgütern. Das weltwirtschaftliche Wachstum dürfte schon in einem überschaubaren Zeitraum zu einem nicht unerheblichen Teil diesen Regionen entstammen.

Sowohl die fundamentale als auch die technische Seite liefern damit gute Argumente für ein fortgesetztes Engagement in den Emerging Markets. Wir erwarten, dass vor allem unter dem Gesichtspunkt der Risikodiversifikation ihre Bedeutung noch wachsen wird. Der strategische Charakter der Investments sollte dabei im Rahmen einer globalen Asset Allokation zu Lasten kurzfristiger Anlagen zunehmen. Eine länger andauernde Phase hoher Risikoaversion z.B. in Folge einer Eskalation des internationalen Terrorismus oder einer weiteren Verschärfung der Situation im Nahen Osten stellt dabei aber weiterhin den größten Risikofaktor dar. Emerging Market Bonds erscheinen hier noch anfälliger als andere höherverzinsliche Anlagen wie beispielsweise Corporate Bonds. Dass sich Krisen in einzelnen Länder - die immer wieder auftreten können, wie das jüngste Beispiel Venezuela zeigt - zu einem Flächenbrand entwickeln, halten wir derzeit dagegen für fast ausgeschlossen.

Was bedeutet dies für den Anleger?

Die Emerging Markets bieten trotz der Aussicht auf höhere US-Zinsen nach wie vor einen attraktiven Aufschlag gegenüber Benchmarkanleihen. Wir erwarten auch nicht, dass dieser Spread durch einen allgemeinen Zinsanstieg und den damit einher gehenden Kursverlusten zunichte gemacht wird. Union Investment offeriert mit dem im August 2002 aufgelegten UniRenta EmergingMarkets einen Fonds, der dieses Marktsegment abdeckt. Bis Ende 2003 verzeichnete das Portfolio eine imposante Performance von 18,2 Prozent. Vor dem Hintergrund des schwierigeren Umfelds in 2004 musste der Fonds im bisherigen Jahresverlauf jedoch einen Verlust von 0,5 Prozent hinnehmen. Wir sind aber der Ansicht, dass das zweite Halbjahr sich freundlicher gestalten lassen sollte und auf Jahressicht eine angemessene Wertsteigerung zu erzielen ist. In der längerfristigen Betrachtungsweise sind wir angesichts der genannten Argumente davon überzeugt, dass Emerging Market Bonds einen positiven Ergebnisbeitrag in einem ausgewogenen Rentenportfolio liefern werden. Sie gehören daher als Beimischung in jedes gut diversifizierte Depot.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 113,2 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende März 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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