Kommentar
09:57 Uhr, 12.05.2022

Renten profitieren von schwachen Aktien

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Erleichterung im US Rentenmarkt nach Veröffentlichung der amerikanischen Inflationsdaten – aber nicht, weil die Jahresteuerung leicht zurückging, sondern weil ein einflussreiches Mitglied des Offenmarktausschusses seine Überlegungen zu 75-Bp-Zinsanhebungen nicht forciert hat. Derweil kristallisiert sich seitens der EZB ein wahrscheinlicher Zinsanhebungspfad heraus. Nach einer kurzen Erholung geht es an den Aktienmärkten mittlerweile wieder bergab. Konjunktursorgen und das Warten auf die „Dip Buyer“ lässt für heute sogar ein Unterschreiten der Tiefs vom vergangenen Montag befürchten.

Ein klares „Ja“ und ein ebenso klares „Nein“ waren die Antworten auf den gestrigen Inflationsbericht aus den USA. „Ja“, die Jahresteuerung ist im April von 8,5 % auf 8,3 % zurückgegangen, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Märzwert den Gipfel dieses Inflationszyklus markiert haben dürfte. Und „Nein“, wir dürfen nicht davon sprechen, dass der Inflationsdruck ernsthaft abnehmen würde. Der Preisauftrieb im Monatsvergleich fiel für den Gesamtindex (+0,3 %) und insbesondere für die Kernrate (+0,6 %) stärker aus als erwartet. Leichten Preisrückgängen in einigen Güterkategorien wie Kleidung und Gebrauchtwagen standen kräftige Zuwächse beispielsweise bei Neuwagen und im Dienstleistungsbereich bei den Flugtarifen gegenüber. Besonders preistreibend war die Kostenentwicklung bei Mieten und Mietäquivalenten eigengenutzter Wohnungen. Gerade letzteres ist eine Entwicklung, die von Monat zu Monat relativ wenig schwankt, weshalb der enge Immobilienmarkt auch in den kommenden Monaten noch einen entscheidenden Beitrag zur allgemeinen Inflationsentwicklung beitragen dürfte.

Unter dem Strich lagen die Inflationsdaten damit über den Erwartungen der Volkswirte. Die erste Marktreaktion fiel denn auch so aus, wie man es für diesen Fall hätte erwarten können: Aktien runter, Dollar rauf. Am Rentenmarkt war ein Sprung der Renditen nach oben jedoch nur von kurzer Dauer. Ein Grund für die bis heute früh anhaltende gute Unterstützung im US Treasurymarkt könnten Äußerungen von James Bullard gewesen sein. Bullard gilt als der prononcierteste geldpolitische Falke im Offenmarktausschuss der Federal Reserve. Seine ambitionierten Einschätzungen zur geldpolitischen Ausrichtung der Notenbank mutierten in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder zur Konsensmeinung innerhalb des FOMC. Ob Beendigung der Anleihekäufe im März, Zinsanhebungen in 50-Bp-Schritten oder seine Forderung von „100 Basispunkten bis zur Jahresmitte“ – all dies trat zwischenzeitlich ein beziehungsweise gilt als gesichert. Bullard war es auch, der vor einigen Wochen die Diskussion über die Möglichkeit von Zinsanhebungsschritten im Ausmaß von 75 Bp anstieß. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hatte derlei Überlegungen im Rahmen der Pressekonferenz im Anschluss an die letzte FOMC-Sitzung vor einer Woche vom Tisch genommen. Die gestrigen Inflationsdaten hätten Bullard grundsätzlich die Chance gegeben, das „75-Bp-Thema“ wiederzubeleben. Er tat es jedoch nicht. Stattdessen betonte er, 75-Bp-Schritte seien nicht Teil seines Basisszenarios. Diese Äußerung sollte helfen, den Ball diesbezüglich in den Märkten fortan flach zu halten. Allerdings: Bullard wiederholte auch sein Ziel für den Leitzins zum Ende dieses Jahres: 3,50 %. Dies würde für jedes der verbleibenden fünf FOMC-Treffen eine Anhebung um 50 Bp erfordern. Diese Einschätzung ist (bislang) weder innerhalb der Fed noch in den Märkten konsensfähig.

Seitens der EZB gab Notenbankchefin Christine Lagarde gestern ziemlich deutliche Hinweise darauf, eine erste Zinsanhebung stünde bereits auf der Sitzung am 21. Juli auf der Agenda. Zuvor bereits hatte sich eine Vielzahl von Ratsmitgliedern in diese Richtung ausgesprochen. Ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte ungenannte Quellen aus dem Kreis der Notenbankvertreter, wonach sich innerhalb des geldpolitischen Rats eine Mehrheit formiere, die bis Ende des Jahres ein positives Leitzinsniveau anstrebe. Dies würde für Juli, September und Dezember jeweils eine Zinsanhebung um 25 Bp bedeuten. Im Markt gilt diese Einschätzung ausweislich der Geldmärkte auf jeden Fall als „konsensfähig“.

Insgesamt vermitteln die Notenbankvertreter den Eindruck, sie gewichteten die Inflationsrisiken stärker als mögliche Rezessionsgefahren. In den Märkten hingegen scheinen die Rezessionssorgen den Inflationsängsten den Rang abgelaufen zu haben. Anhaltend schwache Aktienmärkte verhindern (über „Safe-Haven Flows“) einen erneuten Anstieg der Anleiherenditen. „Dip Buyer“, die Kursrückschläge an den Aktienmärkten gerne als Einstiegsmöglichkeit nutzen, halten sich bislang noch zurück. Somit steht zu befürchten, dass das Tief in den Aktienindizes noch nicht erreicht ist – andererseits aber die Rentenmärkte vorerst noch etwas Unterstützung genießen können…

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