Kommentar
15:30 Uhr, 22.08.2007

Recht behalten und Geld verdienen, sind nicht dasselbe

Auf Investmentkonferenzen sind immer jene Vortragendenden die Stars, die einem Informationen über einen hochprozentigen Einstieg verraten können. Wenn man sagt „versuchen Sie beim Handeln die Chancen auf Ihre Seite zu haben“, und jemanden eine Technik zeigen, die eine Trefferquote von 75 % hat, dann werden Sie vor großem Publikum sprechen. Dennoch haben die meisten Techniken dieser Natur große Verluste zur Folge und wahrscheinlich keinen positiven Erwartungswert. Dennoch reicht es in 75 % alle Fälle richtig zu liegen, um die Leute dazu zu bringen das System zu traden. Wie wichtig ist es Ihnen Recht zu haben? Nehmen wir an, ich könnte Ihnen garantieren, dass Sie bis zum Jahresende Geld verdienen werden. Eine Menge Geld sogar, allerdings würde 90 % Ihrer Trades Verlusttrades darstellen. Würde Ihnen das gefallen? Könnten Sie dies tolerieren? Wäre es für Sie akzeptabel? Die meisten Menschen würden wohl auf alle drei Fragen mit „Nein“ antworten. Und wenn das auch Ihre Antwort sein sollte, dann verschließen Sie sich möglicherweise gegenüber der Möglichkeit Geld zu verdienen, nur weil Sie Recht behalten wollen. Sie werden jetzt vielleicht denken, „wie kann man in 90 % aller Fälle falsch liegen und dennoch Geld verdienen?“ Die Antwort auf diese Frage bringt uns zur goldenen Regel des Trading zurück. „Versuchen Sie Verluste zu begrenzen und Gewinne laufen zu lassen“. Nehmen wir nun an, dass 90 % Ihrer Trades Verlusstrades sind und sich der durchschnittliche Verlust auf 100 $ beläuft. In einem Jahr, in dem Sie 100 Trades durchführen, werden genau 90 davon Verlusttrades darstellen. Dies führt zu einem Gesamtverlust von 9000 Dollar. Nehmen wir nun an, dass Ihr durchschnittlicher Gewinn bei einem Gewinntrade ein R-Multiple ist. Es ist ein R-Multiple von 100 bzw. ein 10.000 $ Gewinntrade. Sie haben nun also 10 solcher Trades jährlich. Somit verdienen Sie mit diesen Trades 100.000 $. Wenn Sie nun die Verluste von Ihren Gewinnen abziehen, dann haben Sie am Ende des Jahres einen Profit von 91.000 $. Sie machen also 91.000 $ Gewinn, obwohl 90 % Ihrer Trades Verlierer waren. Meiner Schätzung nach schaffen es 99 % aller Trader nicht, eine System zu traden, das derartige Resultate liefert. Der Grund dafür liegt darin, dass Sie in zu wenig fällen Recht behalten. Sie haben zu viele Verlustserien. Sie haben Verlustserien, die 5 Verluste in Folge übersteigen. Die meisten Menschen können mit Verlustserien nicht umgehen. Wenn diese auftreten, dann würden Sie aufhören, nach diesem System zu handeln. In solch einem System ist es durchaus möglich 25 Verluste in Folge zu haben. Wenn dieser Fall eintritt glaubt man Gewissheit darüber zu haben, dass das System nicht funktioniert und versucht etwas anderes. Sehen wir uns nun die Gegenseite an. Nehmen wir nun an, Sie schaffen es in 90 % aller Fälle richtig zu liegen. Nehmen wir nun an, dass der durchschnittliche Gewinn bei 100 $ liegt und Ihr durchschnittlicher Verlust bei 200 $. Das heißt, dass Sie insgesamt Gewinne von 9.000 $ und Verluste von 20.000 $ haben. Sie würden also 11.000 $ verlieren. Würden Menschen dieses System handeln? Ja, das würden sie. Sie würden es wahrscheinlich über mehrere Jahre hinweg traden. Solange bis sie bankrott sind. Warum? Weil Sie es ganz einfach nicht aushalten falsch zu liegen und versuchen auch bei den Verlusttrades Recht zu behalten. Sie werden sich nun vielleicht die Frage stellen, warum die Leute Verluste von 11.000 $ nach 100 Trades akzeptieren? Die Antwort ist ganz einfach. Sie verwandeln ihre Verlusttrades mental in Langfristinvestitionen und sagen sich „Es ist ja nur ein Buchverlust“. Ich hatte beispielsweise Workshopteilnehmer, die überdurchschnittlich begabt waren. Ich habe Sie dann gebeten, ihre Hände zu heben, wenn sich ein Investment in Ihrem Portfolio befindet, dass 50 % oder mehr verloren hat. Insgesamt hoben 11 Leute ihre Arme. Immerhin mehr als ein Viertel der gesamten Klasse. Meiner Schätzung nach befindet sich unter allen Börsianern eine große Anzahl von Leuten, die auf großen Verlustpositionen sitzen. In der Hoffnung, dass die Kurse wieder zurückkommen würden. Warum? Weil Sie es ganz einfach nicht akzeptieren wollen, dass Sie bei einer Investmententscheidung daneben lagen und darauf warten, auch bei den Verlusttrades richtig gelegen zu haben. Welche Kosten entstehen nun durch Verlustinvestments im Portfolio? Ganz erhebliche. Erstens binden Sie kostbares Kapital in unproduktiven Investments. Des Weiteren versäumen Sie auch noch weitere attraktive Tradingmöglichkeiten. Warum Recht haben so wichtig erscheint Es gibt zwei Hauptgründe warum wir uns aufs Rechthaben konzentrieren. Erstens lehrt uns schon unser Schulsystem, dass Recht haben wichtig ist. Zweitens gibt jeder in der Tradingindustrie den Leuten, was sie wollen. Und zwar die „Wege um Recht zu behalten“. Genau das treibt das Mysterium voran. Werfen wir nun einen genaueren Blick auf diese beiden Aspekte. Zunächst werden wir vom Schulsystem auf die Wichtigkeit des Rechthabens konditioniert. In der Schule lernen wir, dass es richtige und falsche Antworten gibt. Aber was ist eine richtige Antwort? Wenn Sie gelernt haben in diesem System zu überleben, dann wissen Sie, dass die „richtige“ Antwort genau die ist, die der Lehrer gerne hören will. Ihre Leistung wurde regelmäßig in Tests gemessen, in denen es Ihre Aufgabe war, die richtigen Antworten zu geben. Wenn es Ihnen nicht gelungen ist mehr als 70 % richtig zu beantworten, dann wurden Sie als Versager etikettiert und verbannt. Und Ihre Demütigung geschah vielleicht auch noch vor all Ihren Freunden. Und wenn sie nicht publik war, dann zumindest semipublik. Ihre „schwache“ Leistung begleitet Sie als Note mit dem Kommentar „Johnny ist ein bisschen langsem oder Johnny ist zwar klug, aber er bemüht sich nicht“ nach Hause. Normalerweise treten hier, die Ihnen wichtigsten Menschen ihres jungen Lebens in Erscheinung, und zwar Ihre Eltern. Auch wenn Sie das System durchschauen und hart daran arbeiten, die richtigen Antworten zu wissen, wird Ihnen erklärt, dass ihre Leistung nicht ausreichen war. Normalerweise ist es notwendig 94 % zu erreichen um eine Bestnote zu bekommen. Aber wie viele Kinder mit einem Ergebnis von 94 % haben zu Hause schon ihre Arbeit hergezeigt, nur um von ihrem Vater den Kommentar „und warum hast du nicht 100 % geschafft?“ zu hören. Der zweite Grund, warum Menschen Recht behalten wollen, liegt darin, dass Serviceanbieter für Trader und Investoren Ihnen suggerieren Recht haben zu müssen. Zunächst bieten Softwareanbieter Systeme an, die stark optimiert werden können. Wenn Sie Ihr Trading erst einmal optimiert haben, können Sie eine Linie über die Kurse ziehen und sehen sofort, wann Sie gekauft bzw. verkauft haben sollten. Es sieht ganz einfach aus. Dennoch erreicht das optimierte System in der richtigen Welt nur eine sehr schwache Performance. Die Lösung: Der Erwartungswert Worüber Sie nun lernen sollten, wenn Sie in der wirklichen Welt überleben wollen ist der Erwartungswert. Mein Buch „Trade Your Way To Financial Freedom“ ist eine der besten Quellen zu dieser Thematik, die mir bekannt ist. Definitionsgemäß repräsentiert der Erwartungswert, jenen Wert, den Sie durchschnittlich bei einem Trade von einer Großzahl an Trades verdienen. Im besten Falle legt man den Erwartungswert so um, dass man erfährt, wie viel man pro riskierten Dollar verdient. Ich behandle genau dieses Thema sowie die genauen Rechenschritte am Weg zum Erwartungswert. Mein Ziel ist, ihnen zu zeigen, wie man den Erwartungswert in ein erfolgreiches, Profit generierendes Trading System implementiert.

Autor: Van K. Tharp, Ph.D. - Auszug aus dem Buch "Beruf : Trader"

[Link "Das Buch für Trader - Titel: "Beruf : Trader" - Details und Bestellmöglichkeit - Bitte hier klicken." auf www.finanzbuch-verlag.com/... nicht mehr verfügbar]

Anbei finden Sie den Link zum Wissensbereich von GodmodeTrader.de mit dem Themenschwerpunkt "Chartanalyse und Trading" , in dem für Neueinsteiger und Fortgeschrittene die Materie ausführlich erläutert wird:

http://www.godmode-trader.de/wissen/chartlehrgang/

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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