Analyse
16:24 Uhr, 24.03.2008

Raus aus den Rohstoffen - Rein in die Banken?

Auszug aus dem Antizyklischen Börsenbrief, der in der Weekend Edition veröffentlicht wurde.

In der März-Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs hatten wir rechtzeitig vor dem jüngsten Kurseinbruch vor einer heftigen Korrektur bei den Rohstoffen gewarnt – und waren damit so ziemlich die einzigen auf weiter Flur. Wörtlich hatten wir geschrieben:

„Die aktuelle Rohstoffrallye dürfte vor allem eine Flucht der Anleger in sichere Häfen sein. Doch einige werden sich vermutlich schon bald wundern, wie „sicher“ diese Häfen wirklich sind. (...) Gerade an den Rohstoff-Märkten wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Ob Gold oder Silber, Erdöl oder Palladium, Weizen oder Nickel, für massive Käufe ist jetzt nicht mehr die richtige Zeit. Wir würden bestehende Positionen deshalb jetzt unbedingt mit einem Stopp-Loss absichern.

Das hat gute Gründe: Erstens dürfte ein Teil der jüngsten Rohstoff-Rallye auf spekulative Käufe zurück zu führen sein. Zweitens spricht einiges dafür, dass sich die USA bereits mitten in einer Rezession befinden. In der Vergangenheit hat noch jede Rezession über sinkende Nachfrage zu fallenden Preisen an den Rohstoffmärkten geführt. Das wird diesmal nicht anders sein."

Und noch einen weiteren Grund für den massiven Rohstoff-Einbruch hatten wir in der März-Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs beschrieben: Sollte es an den breiten Märkten nochmals zu einem Rückgang kommen, würde es sich anbieten, bei den Rohstoffen Gewinne mitzunehmen, um andernorts günstige Einstiegsgelegenheiten wahrnehmen zu können. Genau danach sieht es gerade aus.
Im Übrigen ist klar, dass eine Rezession über sinkende Nachfrage bei vielen Gütern auch sinkende Inflationsgefahren nach sich zieht. Die Angst vor Geldentwertung jedoch hatte einen Großteil der Preisanstiege bei vielen Rohstoffen verursacht.

Tolle Einstiegsgelegenheit?
Natürlich konnten wir nicht ahnen, dass uns die Realität derart schnell einholen würde. Fakt ist: Was sich bei einigen Rohstoffen im Moment abspielt, das hat durchaus crashartige Züge. Natürlich beeilen sich die Kommentatoren jetzt, darauf hinzuweisen, dass die Aufwärtstrends weiterhin intakt und der Einbruch eine „tolle Einstiegsgelegenheit“ sei. Das allerdings ist ein schwacher Trost, wenn man es im Vorfeld des Ausverkaufs versäumt hatte, die oben erwähnten Stopp-Kurse zu platzieren...

Sieht man sich den breit gefassten CRB-Rohstoff-Index an, sind ohnehin Zweifel angebracht. Nach einem derart massiven Einbruch dürfte die Sache noch nicht vom Tisch sein. Es war die heftigste Korrektur seit vielen Monaten. Hier wird ganz offensichtlich nicht nur Kasse gemacht – auch die durch eine Rezession bedingten Nachfragerückgänge werden jetzt in die Kurse eingearbeitet. Rückschläge in dieser Größenordnung ziehen fast immer einen Rattenschwanz an weiteren Verkäufen nach sich. Wie das immer so ist an der Börse: Erst wollen nur ein paar wenige durch die eine Tür nach draußen – und ganz plötzlich kommen sehr viele auf die gleiche Idee...

Ganz besonders übel erwischt es gerade den Silberpreis. Seit Mitte März hat das Edelmetall mehr als 21 Prozent an Wert verloren. Auch das ist keine Überraschung. Silber zählt zu den schwankungsfreudigsten Rohstoffen überhaupt. Wir hatten unsere Leser immer wieder auf das Risiko in diesem Segment hingewiesen. Hier genügen schon vergleichsweise geringe Kapitaleinsätze um erratische Kursbewegungen auszulösen. Aktuell nähert sich die Notierung einer wichtigen Unterstützungszone zwischen 15 und 16 US-Dollar (blaue Linien). Geduldige Anleger, die über 2008 hinausblicken, können dort wieder erste Positionen aufbauen.

Mit dem Test des alten Silber-Hochs bei 48 US-Dollar aus dem Jahr 1980 wurde es nun leider nichts. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Nur sollte man sich keine Illusionen machen: Nach einer derart heftigen Korrektur wird das eine ganze Weile dauern. Zu beachten ist auch, dass das zweite Halbjahr bei den Edelmetallen traditionell eher schwach verläuft, wie die folgende saisonale Betrachtung des Silberpreises zeigt. Der stärkste Anstieg war während der vergangenen 30 Jahre von November bis Februar zu verzeichnen, das galt auch in diesem Jahr.

Lassen Sie sich daher von den vielen guten Ratschlägen aufgeregter Rohstoff-Bullen nicht verrückt machen: Erstens war die Korrektur bei den Rohstoffen überfällig und zweitens wird es vorerst keinen Durchmarsch über die alten Hochs vom März 2008 hinaus geben, dazu war die Korrektur zu heftig. Das spekulative Kapital hat Kasse gemacht und wird sich vorerst woanders tummeln...

Doch nicht nur an den Rohstoff-Märkten reagieren die Anleger derzeit übernervös. Auch die Aktionäre der Deutschen Telekom (WKN 555750) bekamen die Stimmungslage in dieser Woche deutlich zu spüren. Auslöser der Turbulenzen war ein Bericht im Handelsblatt, wonach der Betriebsgewinn (EBITDA) im Festnetzbereich der Telekom in diesem Jahr um rund sechs und der Umsatz um etwa fünf Prozent schrumpfen werde.
In der Spitze rauschten die Papiere daraufhin um fast 14 (!) Prozent in die Tiefe. Mit einer Dividendenrendite von mehr als sieben Prozent wird belohnt, wer da jetzt antizyklisch zugreift. Nebenbei bemerkt: Deutsche Staatspapiere werfen etwa halb soviel Rendite ab.

Interessant ist auch die langfristige Betrachtung des Telekom-Kurses. Hier wird deutlich, dass Indikatoren wie etwa RSI und Stochastik ein Niveau erreicht haben, von dem aus seit Anfang 2002 immer wieder deutliche Gegenbewegungen losgetreten wurden:

Fundamental ist der Konzern jetzt ein Schnäppchen: Aktuell wird die Deutsche Telekom zum Buchwert gehandelt, das KGV für 2008 liegt bei 10,0, das Kurs-Umsatz-Verhältnis bei 0,7. Hinzu kommen eine Dividenderendite von 7,4 Prozent und ein Kurs-Cashflow-Verhältnis von 3,4.

Japan bricht ein
Sorgenfalten treibt auch der US-Dollar manchem Börsianer auf die Stirn. Zur japanischen Währung etwa notierte der Greenback kürzlich bei 95,77 Yen und markierte den größten Tagesverlust seit 1998.

Der dramatische Dollarverfall zum Yen angesichts der Angst vor einer globalen Kreditkrise hat auch die Kurse in Tokio einbrechen lassen. Der Nikkei stürzte erstmals seit August 2005 kurzzeitig wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 12.000 Punkten...
Aber auch beim Dollar dürfte ein vorläufiges Ende der Abwärtsbewegung bald erreicht sein: Die massiven Zinssenkungen der Fed wurden in den vergangenen Monaten vorweg genommen. Weitere Zinssenkungen werden nun zunehmend unwahrscheinlich, damit dürfte auch weiteres Abwärtspotential beim Dollar vorerst begrenzt sein.

Kaufkurse in Sicht!
Ob Dollarverfall, Börsendebakel oder Bankenkrise - in zahlreichen Kommentaren war in dieser Woche von „Panik“ die Rede. Auch die Stimmung unter den Internet.-Bloggern in den USA nähert sich einem Tiefpunkt, fast 53 Prozent Bären, das gefällt uns sehr:

Aus antizyklischer Sicht nähern wir uns einer interessanten Kaufzone. Hierfür spricht auch noch ein anderer Grund:

Während Angst und Nervosität um sich greifen, Rohstoffe, der vermeintlich „sichere Hafen“, unter die Räder kommen, scheint sich ein Sektor, den es zuletzt ganz besonders übel erwischt hatte, allmählich zu stabilisieren. Die Rede ist von den US-amerikanischen Banken.
Erinnern wir uns: In dieser Woche hat sich J.P. Morgan Chase (US-Kürzel JPM) die angeschlagene Investmentbank Bear Stearns (US-Kürzel BSC) zum eher symbolischen Preis von 2,00 US-Dollar je Aktie einverleibt.

Interessant ist daran folgendes: Was zunächst wie eine Bankrott-Erklärung für die gesamte Branche klingt, das hat unter dem Strich keine weiteren Kursverluste in dem Sektor mehr ausgelöst. Im Gegenteil: Die US-Banken konnten die Woche mit einer freundlichen Tendenz beschließen. Und das wohlgemerkt, nach dieser Meldung!

Im Kursverlauf des US-Bankenindex zeigt sich nun andeutungsweise eine doppeltes Tief im Bereich von 75 Punkten. Auch positive Divergenzen bei MACD und RSI (rote Linien) deuten auf eine anstehende Trendwende hin:

Es dürfte daher Sinn machen, die gerade herrschende Panik abzuschütteln und in den kommenden Monaten die Banken wieder stärker zu gewichten. Wenn selbst ein Konkurs bei Bear Stearns, denn nichts anderes hat hier de facto stattgefunden, im Bankensektor mit steigenden Kursen beantwortet wird, dann sind zweifellos jede Menge schlechte Nachrichten „verarbeitet“.

Anlass zur Hoffnung ist das auch für die breiten Märkte: Sollte der Bankensektor wieder auf die Füße kommen, wird dies auch eine Kurserholung am Gesamtmarkt unterstützen. Insbesondere der Technologiesektor zeigt erste Anzeichen einer Stabilisierung, wie ein Blick auf den Nasdaq100 verdeutlicht:

Doch riskieren Sie noch nicht zu viel: Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat kürzlich eine konzertierte Aktion von Notenbanken, Anlegern und Regierungen gefordert, um die Krise zu bewältigen. Nach Meinung Ackermanns würden die Selbstheilungskräfte des Marktes in der gegenwärtigen Situation versagen.

Der Eingriff des Staates sei gefordert, so Ackermann. Die Kritik, die daraufhin einsetzte, geht jedoch am Kern der Sache vorbei: Ackermann sieht die Risiken vermutlich wesentlich deutlicher als die meisten Kommentatoren. Nur so ist die ungewöhnliche Wortwahl zu erklären. Im Übrigen ist auch Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der Ansicht, die Finanzkrise werde bis ins Jahr 2009 hinein anhalten.

Fazit und Empfehlung:
Einiges deutete darauf hin, das wir derzeit ein wichtiges Tief an den Märkten sehen: Die Stimmung ist eine einzige Katastrophe, Panik und Nervosität führen zu Übertreibungen wie in dieser Woche etwa bei der Deutschen Telekom.

Auch die Tatsache, dass die Pleite bei Bear Stearns keinen weiteren Einbruch an den Börsen ausgelöst hat, ist ermutigend. Hinzu kommen Stabilisierungstendenzen bei wichtigen Indizes.

Das Zünglein an der Waage sind die US-Banken: Von diesem Sektor ist die Krise ausgegangen. Hier dürften die größten Kursgewinne zu verzeichnen sein, sollte sich die Lage jetzt stabilisieren. Anleger mit Weitblick kaufen sich in den kommenden Wochen im Finanzsektor und bei den großen Technologiewerten ein. Auch US-Anlagen könnten so langsam wieder interessant werden, das Abwärtsrisiko beim US-Dollar dürfte vorerst begrenzt sein. Viele Telekom-Aktien sind auf dem aktuellen Niveau ein langfristiges Schnäppchen.

Aktuell scheinen Umschichtungen von den Rohstoffen in die Aktienmärkte einzusetzen. Rohstoffe würden wir daher vorerst untergewichten.

Ein frohes und erholsames Osterfest wünscht

Ihr Andreas Hoose

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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