Analyse
18:17 Uhr, 06.12.2013

Rainman Trader - Schlimmer geht es nicht

Wer kennt das nicht als Trader: Man legt sich einen Tradingplan zurecht, hält sich am Ende aber nicht daran. Oft geht es gut, manchmal war die Entscheidung vielleicht sogar bessern. Doch wenn es mal schief geht, dann richtig. Ein kleines Beispiel, wie man es nicht machen sollte ...

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 9.172,41 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 9.172,41 Punkte (XETRA)

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

eine turbulente Woche neigt sich dem Ende zu, eine Woche extremer Bewegungen an den Märkten und endlich wieder erhöhter Volatilität. Es wurden viele Trades getätigt im Rainman Trader und so rege wie noch nie in der wachsenden Community diskutiert. Ich habe viele richtige Entscheidungen bei meinen Trades getroffen, aber auch ein paar denkbar schlechte. Von einer dieser fatalen Entscheidungen möchte ich diesem Artikel erzählen. Warum gerade von einer schlechten? Nun, ich denke der Lerneffekt ist hierbei am größten, viele Trader dürften in ihrer Traderkarriere das ein oder andere Mal wohl ähnliche Situationen erlebt haben.

Es war Mittwoch, der 04. Dezember, der DAX zeigte sich schwach und rutschte in der Spitze vom Tageshoch um 184 Punkte ab. Mit einem bullischen Reversal am frühen Nachmittag und einer Aufholjagd der US Indizes kletterte der Index schließlich wieder um 116 Punkte. Gegen Handelsende kam es dann wieder zu deutlichen Gewinnmitnahmen. Um 17:30 entschloss ich mich, einen DAX KO Call aufzunehmen, weil der DAX den vorangegangenen Anstieg sehr tief korrigiert hatte. Anbei das Posting aus meinem Stream:

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Der DAX Future pendelte sich nach dem DAX-Handelsschluss seitwärts ein, gegen 18 Uhr kam es dann mit dem schwachen US-Markt zu einem deutlichen Kursrutsch. Dabei wurde mein angepeilter "Stop unterhalb von 9.130", was konkret etwa so viel wie 9.123 - 9.130 bedeutet, mit Schwung direkt und weit unterschritten. Zur Erläuterung: So lange ich vor dem Bildschirm sitze und handeln kann, lege ich meine Stop Loss Orders nicht in den Markt, sondern führe sie manuell aus - auf die Gefahr hin, auch mal schlechter wegzukommen. Genannte Stop Loss sind Richtwerte, bei deren Bruch das Szenario kippt und ein Ausstieg gesucht werden muss.

Ein Grundzug meines intuitiven Tradings ist es, den Markt jederzeit neu einzuschätzen und die eigenen Tradingpläne zu justieren. Das birgt natürlich das Risiko, in Drucksituationen in einen Zustand des "Hoffens und Bangens" zu geraten und unvernünftige Entscheidungen zu treffen. Mit über 13 Jahren Börsenerfahrung im Nacken weiß ich meine Emotionen einigermaßen im Griff zu haben, allerdings komme auch ich immer wieder in brenzlige Situationen. Sind diese Situationen jedoch nur selten, überwiegen die Vorteile der Flexibilisierung der Tradingpläne: Spontanes Anpassen der Tradingparameter im Sinne der veränderten Situation im Gesamtmarkt verkleinert oftmals die Verluste oder sichert neue Gewinnchancen.

Doch zurück zum Trade: Stop Loss wurde gerissen, ich war noch in der Position drin. Angepeilter Maximalverlust bei meinen Trades sind 1,0-1,5% des Gesamtdepotvolumens. Nach aktuellem Stand entspricht das etwa 220-330 Euro. Die DAX Indikation fiel bis etwa 9.111 Punkte, womit ich 29 Punkte oder ca. 180 Euro im Minus war. Mehr als bei Tradeeröffnung angepeilt, aber absolut im Rahmen des Moneymanagements. Die nicht übermäßige Positionsgröße von 600 Stücken war der hohen Tagesvolatilität angepasst. Also alles noch im Rahmen.

Anschließend kam es zu einer Erholung, die DAX Indikation erreichte den Preisbereich bei 9.130 - 9.134 Punkten, wo ich mit 40-60 Euro Verlust den Trade hätte planmäßig beenden können. Das Anfangssetup war durch den tiefen Rücksetzer ohnehin gekippt.

Doch ich tat es nicht. Ich wollte dabeibleiben, sah konstruktive Muster bei den US Indizes und hoffte hier auf eine weitere Erholungswelle, um den Trade noch im Plus zu beenden. Diese Entscheidung, sich an diesem Punkt nicht an den ursprünglichen Plan zu halten, ist mir letztlich zum Verhängnis geworden. Was dann nach 19:10 Uhr passierte, erwischte mich eiskalt. Der DAX Future startete mit den fallenden US Indizes einen massiven Kurseinbruch. Obwohl der Handelstag durch enorme Volatilität geprägt war, hatte ich dem Future insbesondere nach der starken Erholung am Nachmittag keinen solchen Kursrutsch mehr zugetraut. Das Tagestief wurde ohne Gegenwehr in einem Rutsch durchbrochen, bis auf 9.066 wurde der DAX in der Indikation hinuntergetaxt. Kurzzeitig stand also ein Buchverlust von 74 Punkten oder 444 Euro auf dem Kurszettel. Autsch, das waren plötzlich 2% meines Gesamtdepotwertes und damit mehr als das Moneymanagement eigentlich als Maximalverlust für einen Einzeltrade zuließ.

In diese größte Verkaufspanik hinein wollte ich aber nicht verkaufen, eine Gegenbewegung war nach 25 Minuten strammer Abwärtsbewegung mehr als überfällig. Also kühlen Kopf bewahren, die Charts von Dow, Nasdaq und S&P500 weiter checken. Um 19:31 erreichte der Dow Jones seinen markanten Unterstützungsbereich bei 15.790 - 15.800 Punkten (Hochs vom 07./11./12.11), ich entschloss mich, eine neue DAX Call Position aufzunehmen.

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Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Ich hatte tatsächlich das Tagestief erwischt. Doch genau ist das Dilemma an der Geschichte. Ich war in einer psychologisch denkbar schlechten Ausgangslage. Ich war mit einer (der Tagesvolatiliät entsprechen) viel zu großen Position (1.200 Stücke) im Markt und dazu mit dieser Riesenposition in einem tiefen Drawdown. Unweigerlich schießen dann unangenehme Gedanken in den Kopf: Was ist, wenn der Markt jetzt trotzdem weiter fällt? Dow sitzt zwar auf solidem Support, Gegenbewegung ist kurzfristig überfällig nach einem Rutsch von 122 DAX Punkten in drei Stunden.

Doch was ist, WENN ...? Ich habe den 11. September 2001 live am DAX Chart (und mit einem DAX Call Optionsscheinim Depot) verfolgt, ich habe den "Flash-Crash" am 06.05.2010 (10% Rutsch im Dow Jones in wenigen Stunden) live miterlebt und getradet, dazu noch viele weitere heikle Situationen in den letzten 13 Jahren erfahren. Solche Erlebnisse brennen sich ins Traderhirn. Es schwingt immer die Angst mit, das wieder einer dieser schwarzen Schwäne auftaucht, ein unerwartetes Ereignis, das Realität-Werden kleinster Wahrscheinlichkeiten. Ist man in so einem Moment investiert, und das auch noch mit einer etwas größeren Position, kommt man ins Schwitzen. Und Angst und Zweifel sind die schlechtesten Ratgeber beim Traden!

Doch zurück zum Trade: Wie im letzten Bild zu sehen, bin ich dann keine 5 Minuten später komplett aus den beiden Trades ausgestiegen. Übrig blieb ein Verlust von 266 Euro oder ca. 1,2% vom Gesamtdepotwert.

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Doch warum zum Teufel bin ich schon so früh ausgestiegen? Das waren die Nerven. Wie oben beschrieben war der psychische Druck in dem Moment sehr groß, die Angst vor erneuten, größeren Verlusten (ich war ja bereits 444 Euro in den Miesen gewesen!) hat mich aus dem Trade gezerrt. Ob diese Entscheidung aus strategischer Sicht (Moneymanagement!) richtig war oder nicht, sei dahingestellt. Mit Blick auf den Chart und den weiteren Verlauf war sie denkbar ungünstig.

DB DAX Indikation, 5-Minuten-Chart (1 Kerze = 5 Minuten), dargestellter Zeitraum oben links im Chart:

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Wie sagt man auf gut deutsch? Ich habe mir im Laufe des Abends noch kräftig in den Allerwertesten gebissen. Wenn man so einen Verlauf sieht, beginnt man die was-wäre-wenn-Spielchen. Was wäre, wenn ich meinen Stop Loss im ersten Trade eingehalten hätte und dann den zweiten Trade mit kleiner Größe und ohne Buchverlust gefahren hätte?

Es wäre eine ungleich entspanntere Situation gewesen, in der ich Gewinne erstmal hätte laufen lassen können. Schließlich hatte der Dow Jones seine Unterstützung ja bestätigt und war nach oben abgeprallt - ideales Setup für eine Erholung, ein Einstieg fast exakt am Tief und der Trade sofort komfortabel im Plus. Was will man mehr als Trader? Zurücklehnen und Gewinne laufen lassen. Vergleicht man die psycholigische Situation des realen und des fiktiven Trades, ergibt sich ein völlig unterschiedliches Bild. Ob man entspannt ist bei einem Trade oder unter Druck steht beeinflusst das Ergebniss unmittelbar. In meiner Drucksituation habe ich die unvernünftige (?) Entscheidung getroffen, frühzeitig aus dem Trade zu gehen. Mit dem fiktiven Tradingverlauf wäre am Ende kein Minus mit 266 Euro da gestanden, sondern vermutlich ein Plus von 100-150 Euro (je nachdem, wie lange ich den zweiten Trade hätte laufen lassen).

Warum erzähle ich euch von einer Tradingsituation, in der ich mich nicht an meine Regeln gehalten habe und mich dazu noch denkbar ungeschickt angestellt habe? Das könnte ja ein schlechtes Licht auf mich werfen. Letztlich muss das jeder von euch selbst beurteilen. Ich trade öffentlich im Rainman Trader, auch auf die Gefahr hin, mich womöglich zu blamieren, eine schlechte Phase zu haben oder einen fatalen Fehler zu machen. Warum tue ich das dann? Weil es bei mir in den letzten Jahren ganz gut lief im Trading und ich Freude daran habe, meine Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen. Das ist auch das Ziel des ganzen Projekts: Sowohl mit Neulingen als auch mit Profis im Trading Erfahrungen und Ansichten zu teilen, um daraus zu lernen und zu profitieren.

Als Trader ist man weiterhin ein Mensch, mit all seinen Emotionen, Fehler gehören zum Geschäft. Der richtige Umgang mit Fehlern und ihren Konsequenzen ist das Wichtigste dabei. Die Lehre aus dieser Geschichte war: Stops konsequenter Umsetzen, um nicht in Drucksituationen zu geraten.

P.S. Am Ende war doch alles gut! Die Gewinntrades haben überwogen, das Rainman Trader Depot geht auf einem Allzeithoch ins Wochenende. Wer mir zuschauen möchte beim Gewinne- und Fehlermachen ist herzlich eingeladen: Rainman Trader.


Ein schönes Wochenende,

André Rain - Technischer Analyst und Trader bei GodmodeTrader.de

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3 Kommentare

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  • André Rain
    André Rain Technischer Analyst und Trader

    @Rocco - Ja solche Situationen kenne ich zu gut. Weiter pyramidiseiern im Verlust kann ganz schön reinhauen. Aber ich denke, in 90% der Fällen hat man es mit "normalen" Bewegungen zu tun, wo die Gegenbewegung schnell folgt. Ich bin aber auch sehr vorsichtig geworden und betrachte es wie Michael: Mit kleiner Anfangsgröße und weiterhin kleinen Positionen und genügend Abstand dazwischen macht das Pyramidisieren durchaus Sinn - wobei ein Restrisiko nie von der Hand zu weisen ist! Irgendwann ist die Position zu groß und irgendwann muss man abhängig von der Zeitebene die Reißleine ziehen.

    Im Falle des hier dargestellten Trades habe ich versucht, den zweiten Trade als "neue" Chance zu sehen (Dow an markantem Support), nicht unbedingt als Verbilligen der alten Position. Diese Idee des neuen Trades konnte ich letztlich aber nicht voll ausspielen. Die erste, falsche Entscheidung, den Stop nicht auszulösen, hatte unmittelbare Auswirkung auf das Ergebnis von ZWEI Trades: Der erste hatte einen viel zu großen Verlust, der zweite einen viel zu kleinen Gewinn. Und das nur auf Grund der psychischen Drucksituation, welche es unbedingt zu vermeiden gilt.

    08:47 Uhr, 09.12. 2013
  • Michael Borgmann
    Michael Borgmann Technischer Analyst und Trader

    Ich weiß nicht, ob man das pauschal ausschließen kann/soll, das kommt sicherlich aufs Setup an und die zuvor gewählte ERSTE Positionsgröße, bei etwas unsicherem SetUp erst mit einer Drittel-Posi rein und im Bedarfsfall etwas tiefer an der nächsten Unterstützung Trubledouble zu machen bzw. bei Anlauf entsprechend zuzukaufen halte ich für legitim, einzig an so einem Tag mit crashartigem Verlauf geht das natürlich tendenziell eher NICHT auf

    22:35 Uhr, 08.12. 2013
  • Rocco Gräfe
    Rocco Gräfe Technischer Analyst und Trader

    Gut erzählt. Mal eine Frage: Wie bist Du denn um Gottes Willen auf die Idee gekommen, im Verlust nachzukaufen? Das sollte man von vornherein ausschließen oder? Ich hatte so eine Sache mal im Jahr 2002. Da hatte ich mit je 4000 DAX KnockOuts, 3x im Verlust nachgekauft in der Zeit von 9-13 Uhr. Ich saß dann auf 16000 DAX KnockOuts (SHORT), pro Punkt bewege sich mein Depot um 160 Euro, und der DAX wollte einfach nicht fallen. 13-15 Uhr war der Druck so groß (ich hatte 80% des Depots investiert), dass ich mich im Freien aufhalten musste. Die KO Schwelle war nicht so weit weg, also hätte an dem Tag auch 80% meines Depots verschwinden können. Mit dem US Handelsstart 15:30 Uhr fiel der DAX dann doch noch zu allen 4 SHORT Tranche Einstiegen zurück. Der Verlust war dann letztlich auch gering. Auf was für einem Pulverfass ich da allerdings für mehrere Stunden saß, war extrem. Das war das einzige und letzte Mal, dass ich so eine Harakiri Aktion gucken ließ. Zukaufen im Verlust ist seitdem für mich eine Sache die nicht mehr vorkommt. An dem Tag habe ich den Schritt 1, "das Überleben" an der Börse, gelernt! Das ist nun auch schon mehr als 10 Jahre her. :-)

    20:46 Uhr, 06.12. 2013

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Über den Experten

André Rain
André Rain
Technischer Analyst und Trader

André Rain ist seit dem Jahr 2000 im Aktienhandel aktiv. Hier startete er bereits mit seiner autodidaktischen Ausbildung in Chartanalyse. Die Faszination für die Charttechnik führte ihn im Mai 2005 zu GodmodeTrader, dem Vorgänger-Portal von stock3.com, wo er als Technischer Analyst mit Schwerpunkten auf Aktien- und Indexanalysen tätig ist. Seit 2004 handelt er privat intensiv Aktien und Hebelzertifikate im kurzfristigen Zeitfenster von wenigen Minuten bis mehreren Stunden. Dabei hat er sich auf den Handelsstil des Ausbruchstradings spezialisiert, mit dem er an kurzen, dynamischen Marktbewegungen partizipiert. Seiner Meinung nach ist der Chart das beste Instrument zur Auswertung und Prognose von Bewegungen an den Finanzmärkten.

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