Quo vadis Nachhaltigkeit? Weiter voran!
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Die Erde wird immer wärmer, und Extremwetterlagen häufen sich. Nicht nur die Intensivlandwirtschaft gefährdet die Natur. Mehr denn je müssen wir uns für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen und sie auch finanzieren. Zum Glück sind wir aber im Großen und Ganzen auf dem richtigen Weg. Für Politik, Unternehmen und Investoren wird Nachhaltigkeit zu einem zentralen Wert, der regelmäßig Anlagechancen schafft. In den letzten fünf Jahren ist der Markt für grüne Anleihen um 500% gewachsen, und es werden immer neue Technologien entwickelt, die bei der Dekarbonisierung helfen und das Artensterben bremsen. Aktienanleger können dadurch in neue Geschäftsmodelle investieren und werden daran auch verdienen. Wie Künstliche Intelligenz (KI) ist auch Nachhaltigkeit keine Eintagsfliege, sondern eines der wichtigsten Investmentthemen unserer Zeit.
Alternativlos: In manchen Ländern gerieten ESG-Anlagen in die Kritik, und die Wertentwicklung nachhaltiger Investmentstrategien war zuletzt enttäuschend. Dennoch gibt es kein Zurück. Die Gesellschaft hat akzeptiert, dass die Wirtschaft nicht mehr wie bisher ungebremst wachsen kann. Das Risiko eines unumkehrbaren Klimawandels und der Zerstörung von Lebensräumen ist einfach zu groß. Die Wirtschaft muss nach-haltiger werden. Schon jetzt werden neue Regulierungsvorschriften eingeführt und Geschäftsmodelle geändert, und dabei dürfte es nicht bleiben. Es gibt hier keine Alternative. Selbst wenn Donald Trump erneut US-Präsident wird, ist weiterer Fort-schritt möglich. Erneuerbare Energien sind billiger, und eine höhere Energieeffizienz sorgt für größere Gewinne. Für Unternehmen lohnt es sich, die Kundenwünsche nach kürzeren Lieferketten, nachhaltigeren Rohstoffen und gesünderem Essen zu erfüllen. Nachhaltigkeit ist wirtschaftlich, weil sie die Kosten senkt.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass viele Menschen vom Thema Nachhaltigkeit genug haben, vor allem im Finanzsektor, wo die Regulierung in den letzten Jahren erheblich verschärft wurde. Aber das ändert nichts an der langfristigen Entwicklung. In den letzten Monaten haben wir mit Kunden aus dem britischen Vermögensverwaltungssektor gesprochen. Hier wird der Anteil nachhaltiger Anlagen immer größer. Jüngere Investoren verlangen ebenso danach wie Pensionsfonds und Versicherungen. Diese Woche sprachen wir mit einem Consultant über die Möglichkeit, eine klassische Aggregate-Bond-Benchmark zum Teil durch einen Index für grüne Anleihen zu ersetzen. Für mich stehen ESG und Nachhaltigkeit nicht außerhalb des Mainstreams. Nachhaltigkeit ist heute Mainstream, weil die Welt ihr Wirtschaftsmodell ändert, damit es der Erde weniger schadet. Dadurch entstehen enorme Anlagechancen. Neben generativer KI ist die Ökologisierung der Weltwirtschaft das wichtigste langfristige Investmentthema unserer Zeit.
Chancen für aktive Manager: Nachhaltigkeit und KI haben zwei Gemeinsamkeiten: Beides wird bleiben, und bei-des wird den Unternehmenssektor massiv verändern. Das erfordert neue Geschäftsmodelle und Investitionen. Manche Unternehmen werden mehr davon profi-tieren als andere, weil sie den Bedarf erkennen und Veränderungen effizient um-setzen. Investoren mögen das Thema ESG leid sein, und die politische Unterstützung für die Energiewende mag nachlassen. Vielleicht steigen auch die Bewertungen von Technologieunternehmen auf ein Niveau, das für Preisblasen spricht. Wie auch immer: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Welt der Netto-Null in zehn oder 15 Jahren nicht wesentlich näher kommt – und dass KI dann kein wesentlicher Teil unseres Lebens ist und unser Konsumverhalten beeinflusst. Die Chancen für aktive Investmentmanager sind enorm..
Haben Sie einen Nachhaltigkeitsplan? Immer mehr Unternehmen entwickeln eigene Nachhaltigkeitskonzepte. Dazu zählen die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien, mehr Energieeffizienz, umwelt-freundlicherer Transport und weniger Umweltbelastungen durch Müllvermeidung, Recycling und nachhaltigere Verpackungen. Viele Industrieunternehmen müssen Wasser effizienter nutzen und die Umweltverschmutzung verringern. Neue Immobilienprojekte folgen den Grundsätzen der intelligenten Gebäude („Smart Buildings“), und Altbauten werden nachgerüstet, um energieeffizienter zu werden. Und dann gibt es noch die soziale Dimension, vor allem im globalen Süden, wo ungebrochene Industrialisierung und Rohstoffförderung den Menschen schaden.
Immer häufiger enthalten die Geschäftsberichte von Unternehmen auch Nachhaltigkeitspläne. Sie sind auch ein wichtiger Teil ihrer Gespräche mit Kunden, Zulieferern, Aufsichtsbehörden und Investoren. Die Pläne sind oft sehr detailliert, und ihre Umsetzung wird nachverfolgt, mit Zielen und Leistungskennziffern (KPIs). Auf dem Weg zur Netto-Null können Unternehmen ihre CO2-Senkungspläne zertifizieren lassen, wenn sie wissenschaftlichen Standards genügen. Dadurch erhalten sie leichter Kapital für die Dekarbonisierung. Es ist eine Symbiose. Unternehmen müssen sich ändern, vor allem, um wettbewerbsfähig zu bleiben, denn Nachhaltigkeit führt zu Effizienz. Investoren wiederum müssen und wollen in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren, um ihr Kapital zu schützen und auch künftig Erträge zu erzielen.
Dem Geld hinterher: Grünes Investieren kann sich lohnen. Wenn ein Unternehmen über grüne Anleihen Fremdkapital aufnimmt, garantieren klare Vorgaben und externe Prüfungen, dass sie ihrem Namen gerecht werden. Für viele Anleiheninvestoren sind sie das Impact-Finanzinstrument der Wahl, weil die Emissionserlöse ausschließlich für Aktiva genutzt werden, die den Emittenten und sein Geschäftsmodell nachhaltiger machen. Das kann durch die Refinanzierung vorhandener Projekte geschehen – oder durch die Finanzierung neuer Investitionen in Technologien und Dienstleistungen, die bei der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele helfen. Dadurch kommen die Erlöse aus grünen Anleihen ganz oder teilweise Güter- und Dienstleistungsanbietern zugute. Jeder Dollar für die Energiewende, eine größere Energieeffizienz oder die Vermeidung von Umweltverschmutzung und Abfällen wird für etwas Konkretes ausgegeben – für Maschinen, Digitalisierung oder Dienstleistungen. Oft fließt das Geld in innovative Technologien, deren Anbieter Marktführer sind und die ihre Um-sätze hoffentlich stark steigern können. Ihre Produkte und Dienstleistungen werden umso stärker nachgefragt, je mehr Unternehmen in Nachhaltigkeit investieren. Die Chancen für Aktieninvestoren liegen auf der Hand. Deshalb gibt es immer mehr Impact-Aktienfonds für Themen wie saubere Energie und Schutz der Artenvielfalt.
Grüne Anleihen: Man muss kein Umweltaktivist sein, um den wirtschaftlichen Nutzen und die damit verbundenen Anlagechancen zu erkennen. Anleiheninvestoren wollen eine verzinsliche Anlage, die sich ähnlich entwickelt wie andere Anleihen auch. Der ICE Green Bond Index mit einem Marktvolumen von 1,6 Billionen US-Dollar (gegenüber nur 377 Millionen US-Dollar vor vier Jahren) bietet in US-Dollar zurzeit eine Endfälligkeitsrendite von 4,0% – und das bei einer Duration von 6,6 Jahren und einem Durchschnittsrating von A1. Wir haben es mit einer wachsenden Assetklasse mit hoher Kreditqualität zu tun und wissen außerdem, dass das Kapital sinnvoll eingesetzt wird. Das Ertragsprofil ähnelt dem einer umfassenden internationalen Investmentgrade-Benchmark. In den letzten fünf Jahren war die Performance wegen der längeren Duration zwar etwas schwächer, aber während der Erholung internationaler Anleihen im letzten Jahr war der Gesamtertrag ähnlich.
Innovationen: Mit grünen Anleihen kann man in die Energiewende investieren und erhält Erträge von Unternehmen, die durch ihre Investitionen grüner werden wollen. Wer aber Wertzuwachs erzielen will, muss wissen, wofür das Geld ausgegeben wird und welche Unternehmen dadurch ihre Umsätze steigern. Wachstums-chancen bieten vor allem Aktien. Die Investmentbranche spricht von Impact Investing – Investitionen in Unternehmen, die nachhaltig arbeiten und für ökologischen und sozialen Fortschritt sorgen, etwa, weil sie zur Erfüllung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beitragen oder anderen dies mit ihren Produkten und Dienstleistungen ermöglichen. Wenn sie Zugriff auf den Economist haben, empfehle ich Ihnen die Lektüre des am 17. Februar erschienenen Artikels zur Elektrifizierung industrieller Prozesse und zur Entwicklung neuer Technologien, die die für die Dekarbonisierung von Sektoren wie Stahlerzeugung, Zementherstellung und Chemie nötigen hohen Temperaturen erzeugen. Viel steht noch am Anfang, aber wenn diese neuen Technologien in den nächsten Jahren verstärkt genutzt werden, sehe ich enorme Chancen für Aktieninvestoren.
Unterschätzen Sie den Fortschritt nicht: Es wird dauern, bis wir die Netto-Null er-reichen, und es steht nicht einmal fest, dass dies die Erderwärmung auf 1,5 °C begrenzt. Aber die Welt wird es versuchen, und der Weg dorthin ist eindeutig. Nötig sind strukturelle Veränderungen. Für viel wahrscheinlicher als eine Verlangsamung des Fortschritts halte ich daher eine Beschleunigung. Das kann erfreuliche Gründe haben – billigere Technologien, sodass die Energiewende wirtschaftlich attraktiver wird –, aber auch weniger erfreuliche – beispielsweise Extremwetterereignisse und in der Folge höhere CO2-Steuern. Einer der externen Berater des AXA IM Investment Institute, Nigel Topping, rechnet fest mit exponentiellem Fortschritt. Seiner Ansicht nach werden die Kosten der neuen grünen Technologien ebenso exponentiell fallen wie ihre Produktivität exponentiell steigt.
Mit fortschreitender Energiewende wird der Markt für grüne Anleihen größer und diversifizierter, mit immer mehr und immer unterschiedlicheren Emittenten. Die grüne Prämie – der auch als „Greenium“ bezeichnete Kapitalkostenvorteil der Emittenten grüner Anleihen gegenüber Emittenten klassischer Unternehmensanleihen – wird immer größer und stabiler. Je stärker der Markt für grüne Anleihen wächst, desto häufiger wird nachhaltig investiert und desto stärker steigen die Umsätze von Unternehmen, die die erforderlichen Technologien, Maschinen und Dienstleistungen anbieten. Gut ist, dass sich sowohl Anleihen- als auch Aktieninvestoren auf zusätzliche Chancen freuen können, gewissermaßen auf eine grüne Growth-and-Income-Strategie.
Wieder und wieder: Natürlich ist all das nicht wirklich neu. Schon jetzt gibt es etablierte nachhaltige Investmentmanager. Für Firmen wie AXA IM steht Nachhaltigkeit heute im Mittelpunkt. Wir wollen die CO2-Emissionen der Unternehmen, in die wir investieren, in den nächsten Jahren deutlich senken. Wir haben eine spezielle Biodiversitätsstrategie, die in Aktivitäten mit positiven Umweltwirkungen investiert. Bei jeder Anlageentscheidung berücksichtigen wir Finanz- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkte gleichermaßen. Nachhaltiges Investieren hat für uns längst begonnen. Aber es ist nie verkehrt, dies ab und zu an die große Glocke zu hängen. Denn es bleibt noch viel zu tun, und sowohl Corona als auch die derzeitigen Kriege und die Energiekrise sorgen für eine gewisse Opposition.
Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit, zu mehr Klima- und Umweltschutz ist lang. Des-halb muss in den nächsten Jahren wohl noch mehr Kapital in nachhaltige Anlagen fließen – mit Chancen für alle Finanzunternehmen, die zu einer grüneren Wirtschaft beitragen können. Ausgewiesene Nachhaltigkeitsstrategien werden immer mehr zum Mainstream, aber auch sonst beruhen immer mehr Anlageentscheidungen nicht nur auf Finanz-, sondern auch auf Nachhaltigkeitskriterien. Meiner Meinung nach hat das der Qualität der Aktiva, in die wir investieren können, bereits geholfen. Schon immer achteten Unternehmensanleiheninvestoren auf die Kreditratings, die Finanzkraft und Rückzahlungsfähigkeit der Emittenten bewerten. Jetzt sehen wir uns auch die ESG-Risiken und das Nachhaltigkeitsprofil an. Der Qualität und Stabilität eines Unternehmensanleihenportfolios kann das nur guttun. Die aktuelle Phase des Konjunkturzyklus und der Weg zu einer grüneren Zukunft machen Unternehmensanleihen zu einer interessanten Assetklasse. Selbst Credit-Portfolios von Investoren, die auf grüne Anleihen verzichten, dürften heute ein besseres Nachhaltigkeitsprofil haben als noch vor fünf oder zehn Jahren. Davon bin ich überzeugt.
Bessere Performance durch nachhaltigere Anlagen: Viele Investoren fürchten eine schwächere Performance von ESG-Anlagen. Das ist durchaus verständlich, haben doch Aktienportfolios mit einer Untergewichtung des Energiesektors 2022 deutlich hinter dem Markt gelegen. Aber der Energieschock war ein singuläres Ereignis, ausgelöst durch den russischen Einmarsch in die Ukraine und die Störung der weltweiten Erdgasversorgung. Doch als Reaktion darauf wurden verstärkt erneuerbare Energien genutzt. Erst diese Woche las ich, dass die Erneuerbaren in Spanien jetzt über 50% Anteil an der Energieerzeugung haben. Auch in Deutsch-land hat sich die Energieeffizienz erheblich verbessert, weil man kein russisches Erdgas mehr nutzen kann. Der Markt reagiert auf Schocks und Preisänderungen. Sie sind gute Argumente für erneuerbare Energien, sodass sie jetzt verstärkt nach-gefragt werden.
Das Fazit ist eindeutig: Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle nachhaltiger machen, werden langfristig profitieren – von niedrigeren Energiekosten, effizienteren Prozessen und einer weniger scharfen Regulierung. Die Kunden wollen nachhaltige Güter und Dienstleistungen, und Investoren sind schon jetzt bereit, nachhaltigen Unternehmen Kapital günstiger zur Verfügung zu stellen. Sie müssen langfristig denken, weil zahlreiche nachhaltige Aktivitäten noch ganz am Anfang stehen. Viele Technologien müssen erst noch entwickelt und eingeführt werden.
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