Kommentar
12:43 Uhr, 23.10.2014

Positive Wirtschaftsnachrichten nur aus den USA

Die US-Wirtschaft hat sich dank der Verbesserungen bei Investitionen und Konsum von den Tiefschlägen des ersten Quartals erholt. Das solide Beschäftigungswachstum der letzten Monate deutet darauf hin, dass sich der Lohndruck in bestimmten Sektoren in den kommenden Quartalen ausweiten könnte. Die erste Zinsanhebung dürfte in den nächsten zwölf Monaten erfolgen, doch momentan kann die US-Notenbank Fed weiter ihre stabile Zinspolitik verfolgen und die Reaktion der Märkte und der Wirtschaft auf das bevorstehende Ende der quantitativen Lockerungsmaßnahmen (QE) einschätzen.

Auf die Eurozone trifft das Gegenteil zu, hier scheinen Wachstum und Inflation erneut ins Stocken zu geraten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat wieder negative Einlagenzinsen festgesetzt, sie stellt den Banken Geld für vier Jahre kostenlos zur Verfügung und verpasst einem Programm zum Kauf verbriefter Wertpapiere (Asset-Backed Securities, ABS) den letzten Schliff. Damit hofft sie, die Kreditvergabe an Verbraucher und Kleinunternehmen wieder anfachen zu können. Anleger sehen diese Maßnahmen weiter mit Skepsis, und groß angelegte QE-Maßnahmen sind ganz eindeutig der letzte Akt der Verzweiflung.

In Großbritannien ist das Wachstum weiter robust. Nach dem Referendum über eine Unabhängigkeit Schottlands, das für etwas Volatilität am Markt sorgte, gehen Marktteilnehmer nun davon aus, dass der geldpolitische Ausschuss (Monetary Policy Committee, MPC) im Frühjahr wieder eine allmähliche geldpolitische Normalisierung in die Wege leiten wird.

Die Prognosen für eine Reihe von Schwellenländern wurden erneut nach unten korrigiert. Wir achten nach wie vor genau auf die möglichen Folgewirkungen der Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft weg von Investitionen und hin zum Konsum. Zu diesen Wirkungen gehören die niedrigeren Rohstoffpreise, deren Verfall sich in den letzten Wochen beschleunigt hat. Dies scheint auf den ersten Blick zwar positiv für die Weltwirtschaft, doch die störenden Folgen für die Märkte müssen sorgfältig beobachtet werden.

USA: Wirtschaft vorerst wieder auf Kurs

Das US-Wirtschaftswachstum im ersten Quartal war besser als anfangs gemeldet. Nach einem soliden Aufschwung im zweiten Quartal kann weiterhin ein Wachstum von etwa 2 % erwartet werden. Dies mag vielleicht nicht besonders beeindruckend erscheinen, doch die Triebkräfte dieser Entwicklung sind erfreulich, insbesondere die Investitionen. Sie steuerten im zweiten Quartal fast ein Drittel zum Gesamtwachstum bei.

Abgesehen von den BIP-Daten bleiben auch die allgemeinen Trends positiv, vor allem die Entwicklung bei kleinen Unternehmen. Diese sind so optimistisch wie schon lange nicht mehr seit der Finanzkrise. Dies dürfte sich in weiteren Stellenzuwächsen niederschlagen. Bisher hat die bessere Beschäftigungssituation in einzelnen Sektoren zu Lohndruck geführt, vor allem in den Bereichen Energie und Verkehr. Die Entwicklung der Durchschnittslöhne für die allgemeine Wirtschaft bleibt dagegen verhalten. In den kommenden Monaten könnte sich die Lage ändern, wenn viele Unternehmen weiterhin freie Stellen nicht besetzen können. Die Fed wird dies genau beobachten, zahlreiche Fed-Vertreter fordern bereits eine allmähliche Normalisierung der Geldpolitik.

Die relativ gesehen überdurchschnittliche Entwicklung der US-Wirtschaft hat zu weiteren Abweichungen vom erwarteten Pfad der Geldpolitik geführt. Dies hat der jüngsten Aufwertung des US-Dollars Auftrieb verliehen, gleichzeitig haben die Preise im gesamten Rohstoffspektrum nachgegeben. Die US-Notenbank behält die Leitzinsen vorerst bei der Null-Prozentmarke und hat noch einmal bekräftigt, dass sich daran auch nach dem Ende der QE-Maßnahmen über längere Zeit nichts ändern wird. Das scheint vernünftig. Risikomärkte haben bei früheren Liquiditätsprogramme negativ auf deren Ende reagiert, und wir warnen vor potenziellen nachteiligen Nebenwirkungen, die gegen Jahresende zu enttäuschenden Wachstumsdaten führen könnten.

Eurorau: Wachstumsmotor stottert wieder – wirtschaftliches Déjà-vu

Trotz unserer skeptischen Einstellung gegenüber dem langfristigen Wachstumspotenzial der Eurozone hatten wir gehofft, dass es 2014 zu einer seltenen positiven Überraschung kommen würde, da das Vertrauen nach der Krise wieder zugenommen hatte. Stattdessen stagnierte die Wirtschaft im zweiten Quartal. Belastet wurde sie nicht nur durch die anhaltenden Probleme in Frankreich und Italien, sondern auch durch die enttäuschende Entwicklung in Deutschland, wo die Außenwirtschaft weniger Impulse liefert und die Binnenwirtschaft weiter nur lustlos wächst.

Zukunftsgerichtete Indikatoren deuten nach wie vor auf positives Wachstum hin, doch die Eintrübung der Stimmung in den letzten Monaten gibt Anlass zur Sorge. Es lässt sich nur schwer exakt feststellen, wie viel des Vertrauensverlustes auf die angespannte Situation in Russland zurückzuführen ist, wo die Auswirkungen der gestörten Handelsbeziehungen bereits zu spüren sind, doch die Folgen für die allgemeine Stimmung sind unklar. Sicher ist nur, dass die Kombination aus schwachem globalem Wachstum, geopolitischen Unruhen und fragilem Vertrauen im Inland in einem Umfeld rekordhoher Arbeitslosenzahlen und anhaltend schwacher Inflation alles andere als wünschenswert ist. Wir hatten für 2015 ein weiteres Jahr mit moderatem Wachstum prognostiziert, müssen jetzt aber in Erwägung ziehen, dass die Zahlen viel schlechter ausfallen könnten, falls sich einige der angesprochenen Faktoren weiter verschlechtern sollten. Eine weitere Rezession zu diesem Zeitpunkt würde sicherlich eine Phase der Deflation für die Eurozone bedeuten.

Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass die EZB in den letzten Monaten beispiellose Schritte unternommen hat. So hat sie zum Beispiel negative Einlagenzinsen für Banken festgelegt und ist bereit, Vermögenswerte des privaten Sektors zu kaufen, um mehr Liquidität in das System zu pumpen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen von Erfolg gekrönt sein werden, aber auf jeden Fall ist der aktive Ansatz erfreulich. Jegliches weitere Anzeichen dafür, dass die EZB den Kampf gegen die Deflation verliert, würde bedeuten, dass nur noch Käufe von Staatsanleihen als letztes Pulver zum Verschießen eingesetzt werden können. Bei der derzeitigen Entwicklung gehen wir davon aus, dass dies eher früher als später geschieht.

Japan: Land der steigenden Löhne?

Aufgrund der Erhöhung der Konsumsteuer zu Beginn des zweiten Quartals lässt sich der zugrunde liegende Trend des Wirtschaftswachstums nach wie vor nur schwer abschätzen. Allerdings könnte man anführen, dass sich der Konsum nicht so stark erholt hat, wie man vielleicht gehofft hatte. Ein weiterer Anstieg ist für das nächste Jahr eingeplant, und die Regierung muss bis Jahresende entscheiden, ob sie diese Erhöhung wirklich umsetzen oder doch lieber verschieben will, damit die Erholung wirklich Tritt fassen kann.

Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Produktionslücke geschlossen ist. Ein sichereres Umfeld für die Binnennachfrage könnte somit zu einem breit angelegten Zuwachs der vergleichbaren Löhne und Gehälter führen. Damit würde den umfangreichen Tarifverhandlungen („Shunto“) vom Jahresanfang Rechnung getragen. Insgesamt fallen die Lohnzuwächse nach wie vor gering aus, dies ist aber zum Teil darauf zurückzuführen, dass Frauen einen immer größeren Teil der Erwerbsbevölkerung stellen, eine positive Nebenwirkung des sogenannten „dritten Pfeils“ von Premier Shinzo Abe. Die jüngste Abwertung des japanischen Yen dürfte sich positiv auswirken und die Inflation stützen, da die Folgen der Verkaufswelle von 2013 kaum noch zu spüren sind. Steigende Löhne und Gehälter sind ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige Inflation, und wir werden die weiteren Entwicklungen genau verfolgen.

Großbritannien: Vorsichtige Schritte hin zur ersten Zinsanhebung

Die offensichtliche Normalisierung der britischen Wirtschaft ist nun in eine Phase eingetreten, in der nach Ansicht von zwei stimmberechtigten Mitgliedern der Zentralbank nun der Zeitpunkt gekommen ist, die Zinszügel zu straffen. Gouverneur Mark Carney stuft die erste Zinsanhebung als weniger dringlich ein, er möchte lieber bis zum Frühjahr warten, da er davon ausgeht, dass die Wirtschaft weiter in dem bisherigen Tempo wächst. Auch wenn der Markt die erste Zinsanhebung bis Mai eingepreist hat, so ist das noch keineswegs sicher und hängt von den Konjunkturdaten ab. Der geldpolitische Ausschuss wird in den kommenden Monaten genau auf den Anstieg der Durchschnittslöhne achten. Diese sind bisher angesichts des starken Zuwachses bei den Gesamtbeschäftigungsdaten nur geringfügig nach oben gegangen.

Die jüngsten Indikatoren deuten nach wie vor darauf hin, dass die Wirtschaft um 3 % wächst. Der geldpolitische Ausschuss hat bereits angedeutet, dass die bereits hohe Prognose für das zweite Halbjahr 2014 möglicherweise noch einmal nach oben korrigiert werden wird. Allerdings sind die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen sowie die erhebliche Zinsanfälligkeit der Konjunktur und der ungleichmäßige weltweite Wirtschaftsaufschwung Anzeichen dafür, dass dies möglicherweise nicht der richtige Zeitpunkt ist, um die Erholung der britischen Wirtschaft rosiger zu sehen. Daher rechnen wir damit, dass die Konjunkturaktivität 2015 etwas abkühlt. Der Trend der Löhne und Gehälter wird dabei ausschlaggebend dafür sein, wie lange die Erholung anhält und wie der geldpolitische Ausschuss reagiert.

Weiterhin Probleme für Schwellenländer

Wie schon in den vergangenen beiden Jahren wurden die Wachstumserwartungen erneut sowohl für 2014 als auch für 2015 nach unten korrigiert. Einige spezifische Länder zeigen diese Schwäche besonders deutlich, zum Beispiel Russland, dessen ohnehin labile Wirtschaft unter den Wirtschaftssanktionen leidet, doch der Abwärtstrend ist breit angelegt. Mexiko und Indien widersetzen sich diesem Trend nach wie vor, denn die positiven Folgen der Strukturreformen neutralisieren die negativen Einflüsse.

In China wird von einem Wachstum von etwa 7 % ausgegangen, dies wird auch in den jüngsten staatlichen Meldungen erklärt. Die Politik kämpft nach wie vor mit dem Übergang von einem ineffizienten, von Investitionen abhängigen Wachstum hin zu einem nachhaltigeren Modell, das vom Binnenkonsum beflügelt wird. Die Stolpersteine dieses Übergangs zeigen sich besonders deutlich am Immobilienmarkt, der in den letzten Monaten schwach war. Inzwischen scheint man allgemein davon auszugehen, dass die Behörden eine längere Korrektur dieses Sektors hinnehmen müssen. Die Regierung dürfte jedoch kaum zulassen, dass sich dies zu einem systematischen Problem verfestigt, und dürfte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um dies zu verhindern.

Ein weiteres Merkmal des sich verändernden Wachstumsgefüges in China ist die geringere Abhängigkeit von Rohstoffen, dies hat zum Preisverfall bei zum Beispiel Stahl und Öl geführt. Insgesamt dürften rückläufige Faktorpreise für das Wirtschaftswachstum von Vorteil sein, dürften sich aber nachteilig auf die Länder auswirken, die vom Export dieser Produkte abhängig sind, und dürften den politisch Verantwortlichen somit weitere Probleme bereiten.

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