Kommentar
17:50 Uhr, 29.09.2022

Plötzliche Kehrtwende der englischen Notenbank sorgt nur für kurze Kehrtwende nach oben bei S&P500, DAX, Euro-Dollar und Gold – Wie geht’s weiter?

Gestern früh war der DAX auf ein neues Jahrestiefs abgerutscht und entsprechend mies die Stimmung der Investoren. Umso euphorischer haben sie wenige Stunden später auf die Nachrichten der englischen Notenbank reagiert. Könnte es nun zu einer nachhaltigen Trendwende nach oben an den Aktienmärkten kommen?

Nachdem der DAX gestern Früh auf neue Jahrestiefs abgerutscht war, kam am Mittag dann die Rettung, sprich die Kavallerie, diesmal allerdings nicht in Form der Fed, sondern der englischen Notenbank. Sie hatte auf die Explosion der langlaufenden Zinsen für englische Anleihen in den vergangenen Tagen reagiert – die Gründe für den rasanten, aber völlig berechtigten Zinsanstieg habe ich in der Dienstag-Sendung ausführlich analysiert – und angekündigt, dass die Notenbank schon ab gestern und „zeitlich begrenzt“ bis zum 14. Oktober langlaufende Staatsanleihen in „welcher Größenordnung auch immer notwendig“ kaufen wird, um die Lage zu beruhigen.

Gleichzeitig werde der für nächste Woche geplante Start der Anleihenverkäufe (Quantitative Tightening, kurz QT) von 80 Mrd. Pfund für die nächsten 12 Monate verschoben. Die ersten Verkäufe sollen nun erst am 31. Oktober stattfinden.

Im Klartext: Die englische Notenbank kehrt zum QE-Gelddrucken zurück, noch ehe sie QT gestartet hat - Wahnsinn! Die Gründe für die neuen Maßnahmen der Notenbank werden wir in der Sendung am nächsten Dienstag analysieren.

Folge der Ankündigung der englischen Notenbank: Die Zinsen für 30jährige englische Anleihen, die kurz vor der Ankündigung noch bei 5,12 Prozent gelegen waren sind völlig kollabiert und lagen am Abend bei knapp unter 4 Prozent. Das ist ein Rückgang um mehr als 100 Basispunkte und damit der größte Einbruch bei den Zinsen für 30jährige englische Anleihen aller Zeiten.

Hoffnung auf Kehrtwende der Fed

Der Einbruch bei den Zinsen für englische Anleihen hat einen Einbruch bei den Zinsen für US-Anleihen ausgelöst, so waren jene für zehnjährige US-Anleihen von 4,01 Prozent auf nurmehr 3,71 Prozent nach unten gerauscht – das ist ebenfalls eine gewaltige Bewegung, während jene für zehnjährige Bundesanleihen um 22 Basispunkte auf 2,12 Prozent abgerutscht sind.

Investoren hoffen, dass nach der englischen Notenbank schon bald die Fed eine Kehrtwende in Richtung langsameren Zinssenkungen einleiten könnte. So ist die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte bei der nächsten Sitzung am 2. November auf nur noch 58,8 Prozent gesunken, gegenüber 62,5 Prozent gestern.

Nach dem rasanten Zinsanstieg der vergangenen Tage hat der gestrige Zinseinbruch für große Erleichterung bei Investoren gesorgt, woraufhin sie bei Aktien aus DAX und S&P 500 zugegriffen haben. Einer der ganz wenigen Verlierer war hingegen Apple , nachdem es die Meldung gegeben hatte, Apple habe Zulieferer informiert, sie bräuchten sich nicht auf eine Produktionserhöhung beim iPhone einstellen, weil die erwartete kräftige Belebung der Nachfrage ausgeblieben sei. Hingegen ist die Aktie von Biogen nach oben geschossen, nachdem der Biotechkonzern erfolgreiche Studiendaten zu einem Medikament gegen Alzheimer gemeldet hatte.

Der Einbruch der US-Zinsen hat auch den Dollar mit nach unten gerissen, womit der Goldpreis gleich von zwei Seiten Rückenwind hatte und einen Kurssprung nach oben gemacht hat.

Wie könnte es weitergehen?

Heute Morgen ist die Party bei DAX, Euro-Dollar und Gold aber schon wieder vorbei. Grund ist, dass die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen um 15 Basispunkte auf 3,85 Prozent nach oben schießen. Im Fokus der Investoren steht das Börsendebüt der Dr.Ing. H.C.F. Porsche Vz . Nach dem ersten Kurs bei 84 Euro hat das Papier anschließend gleich nachgegeben. Gleichzeitig sind die Aktie von Volkswagen AG und Porsche Automobil Holding SE eingebrochen und spiegeln so den Abschlag des Börsengangs der Porsche AG wider.

Wie ich wiederholt gesagt habe, hängt die Entwicklung von S&P500, DAX, EUR/USD und Gold vor allem von der Entwicklung der US-Zinsen ab. Ich befürchte, dass in den nächsten Tagen und Woche viele Fed-Mitglieder betonen werden, dass für sie eine Kehrtwende absolut kein Thema sei und sie vielmehr die Leitzinsen weiter deutlich erhöhen wollen.

Das sollte für erneuten Aufwärtsdruck nach oben bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sorgen – und die Marke von 4 Prozent schnell wieder geknackt werden - , woraufhin sich der Abwärtsdruck auf S&P500, DAX, Euro-Dollar und Gold verstärken würde. Umso genauer werden Investoren am morgigen Freitag auf die Reden von Fed-Vizechefin Lael Brainard ab 15 Uhr achten.

Außerdem warten Investoren auf eine Reihe wichtiger Konjunkturdaten, gerade aus den USA.

US-BIP im Fokus

Am heutigen Donnerstag wird um 14.30 Uhr die dritte und damit letzte Schätzung zum US-BIP für das zweite Quartal veröffentlicht. Es wird ein Rückgang um annualisiert 0,6 Prozent vorhergesagt, womit die zweite Schätzung bestätigt würde. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

Ebenfalls um 14.30 Uhr werden die Erst- und fortgesetzten Anträge auf US-Arbeitslosenhilfe bekanntgegeben. Sollte sie weiterhin auf einen florierenden Arbeitsmarkt hindeuten, könnte das die US-Zinsen noch weiter nach oben treiben, was die Aktienmärkte belasten würde.


Euro-Zone Inflation, Inflationsindikator der Fed und US-Verbrauchervertrauen im Blick

Am Freitag werden um 8 Uhr die Einzelhandelsumsätze für Deutschland bekanntgegeben. Sie sollen im August um 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken sein, nach einem Plus von 1,9 Prozent für Juli.

Um 11 Uhr folgen die Inflationsdaten für die Euro-Zone. Die Verbraucherpreise sollen im September um 9,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr nach oben geschossen sein, nach dem Rekord von 9,1 Prozent für August. Gleichzeitig soll die Kernrate, also die um Nahrungsmittel und Energie bereinigte Inflationsrate, im September auf 4,7 Prozent gestiegen sein, nach 4,3 Prozent für August, was ebenfalls ein Rekord war.

Um 14.30 Uhr werden die Daten zu den persönlichen Einkommen und Ausgaben der Amerikaner veröffentlicht. Investoren schauen dabei vor allem auf die Zahlen zur Kernrate des PCE-Preisindex, des bevorzugten Inflationsindikators der Fed.

In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!

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