Kommentar
10:47 Uhr, 08.12.2025

pfp Advisory: "Der Reformstau bleibt und die Börse ist gelassen"

Ein Jahr Schwarz-Rot: Warum die Koalition trotz Stabilität die Wirtschaft im Reformstau hält und was das für Anlegerinnen und Anleger bedeutet, erklärt Roger Peeters.

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8. Dezember 2025. FRANKFURT (pfp Adisory). Die schwarz-rote Koalition hat langsam aber sicher das erste Jahr ihrer Regentschaft „hinter sich gebracht“, und über die Erfolgsbilanz der Regierung, die sicher mehr „Zweckgemeinschaft“ als „Liebesheirat“ ist, kann schon jetzt diskutiert werden. Relativ klar sind dabei zwei Dinge: Die wirtschaftliche Lage mit einer bereits historisch langen Rezession ist hoch problematisch, während gerade wirtschaftliche Reformen weiterhin höchst zögerlich angepackt werden. Echte und nachhaltige Senkungen von Steuern, Abgaben und Abbau von Bürokratie wären dringend geboten, stattdessen werden teure Wahlversprechen an die seniore Kernwählerschaft eingelöst.

Alleine das wochenlange Hickhack um die Rentengrenzen in den kommenden Jahren offenbarte eine sehr große Ignoranz der Politik vor der Tragweite der demographischen Schieflage einerseits und der Belastungsfähigkeit von Unternehmen und Arbeitnehmern auf der anderen Seite. Es war ein wochenlanges Drama, in dem der klare Rat der Experten von Politik und auch weiten Teilen (insbesondere) der staatlichen Medien mehr oder weniger ignoriert wurde. Am Ende war die Koalition als Konstrukt stabil und das beschlossene Ergebnis eine weitere deutliche Belastung für die Jugend und die Wirtschaft. Der Reformstau löste sich auch hier nicht auf.

Die zeitgleich in Aussicht gestellte Neuauflage des Versuchs, die sogenannte „Lindner-Rente“ doch noch zu verabschieden war tatsächlich eine gute Nachricht für die Bürger und die Altersvorsorge, ändert aber nichts an der angesprochenen wachstumsschädlichen Wirtschaftspolitik. Bereits seit locker zehn Jahren, also durchaus während verschiedene Koalitionen an der Macht waren, werden Problemlösungen vertagt oder sogar Probleme noch nicht mal erkannt. Deshalb sind wir im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern faktisch immer noch auf Vor-Corona-Niveau gemessen an der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung.

Die Konsequenzen dieser Politik werden 2026 möglicherweise durch das große schuldenfinanzierte Infrastruktur- und Rüstungspaket übertüncht. Aber in der Sache, sprich der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, ändert sich ohne die bereits ausgeführten Reformen sicherlich nichts, zumal der internationale Wettbewerb insbesondere aus Fernost sich dramatisch intensiviert hat, was deutsche und europäische Firmen schon unabhängig von der Politik unter Druck setzt. Wenn die Politik nicht oder viel zu zögerlich handelt, und diesen Eindruck kann man am Ende des Jahres 2025 sicher nicht abstreifen, dann handeln andere.

Es ist nämlich leider durchaus zu befürchten, dass weiter Wertschöpfung ins Ausland verlagert wird. Seit Jahren lässt sich deutlich beobachten und objektiv etwa an den aggregierten Investitionsströmen messen, dass erhebliche Produktionskapazitäten ins Ausland verlagert werden. Das betrifft vor allen Dingen klassische Industrien wie Chemie und Maschinenbau. Bei Automobilen und Zulieferern ist es oftmals schon keine Verlagerung mehr, sondern eine ersatzlose Einstellung von Kapazitäten.

Die Standort-Thematik wird uns also erhalten bleiben. Als Staatsbürger muss man dies befürchten. Und als Anleger? Tatsächlich nicht. „Deutsche Aktien“ sind schon jetzt eher Anteile an multinationalen Konzernen mit Firmenstammsitz in Deutschland. Die Abkopplung der wesentlichen deutschen Aktienindizes von der trüben wirtschaftlichen Lage der Nation, die wir bereits seit Jahren sehen, ist komplett rational. Weitere Verlagerungen in günstigere und wirtschaftsfreundlichere Regionen sind oftmals sogar werttreibend aus Sicht des Anlegers.

Anleger haben mit dem Besitz einer „Deutschen Aktie“ mittlerweile fast schon als Normalfall ein sehr international aufgestelltes Geschäft (natürlich gibt es Ausnahmen, was an der Regel nichts ändert) und haben darüber als „Mantel“ eine in Deutschland ansässige Holding, was dem Anleger eine wesentlich bessere Rechtsbasis verschafft als einem Anteilseigener eines exotischen Wertpapiers, oft noch nicht mal einer „echten“ Aktie, sondern eine Art von Partizipationspapier. Aktionäre von Aktien deutscher Unternehmen können deshalb mit Bezug auf den Standort Deutschland tatsächlich vergleichsweise ruhig schlafen, Politiker sollten es nicht.

Von Roger Peeters, 8. Dezember 2025, © pfp Advisory

Über den Autor

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (<LU1865032954>), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (<LU2332977128>). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Deutsche Börse.