Petrodollar und Sovereign Wealth Funds: Die neue Macht an den Finanzmärkten
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Mit den explosionsartig steigenden Ölpreisen nehmen auch die Konjunktursorgen zu. Gleichzeitig verbuchen die Förderländer in diesem Jahr Einnahmen von über 2.000 Milliarden Dollar – sehr viel mehr als sie ausgeben können.
Diese Petrodollar fließen daher zum größten Teil in riesige staatliche Investmentfonds, die so genannten Sovereign Wealth Funds (SWFs). Dieser Begriff taucht in letzter Zeit zunehmend in den Schlagzeilen auf. Kein Wunder, verwalten diese Staatsfonds aufstrebender Industrienationen und Erdöl produzierender Länder doch Riesensummen von derzeit rund 3.300 Milliarden Dollar, Tendenz steigend, dank Petrodollar und Handelsbilanzüberschüssen. Angesichts des ungebrochenen Aufwärtstrends beim Ölpreis werden diese Fonds in Zukunft sogar noch schneller wachsen. Schätzungen zufolge sollen die Staatsfonds bis 2012 Mittel in Höhe von rund 10.000 Milliarden Dollar angehäuft haben. Diese Summe entspricht dem Gesamtwert aller europäischen Aktienmärkte!
Die Bezeichnung SWF ist indes nur ein neues Gewand für ein bereits seit geraumer Zeit bestehendes Phänomen, nämlich Vermögenswerte, die von Staaten in ausländischen Devisen gehalten werden. Wenn ein Land durch Handelsbilanzüberschüsse mehr Devisenreserven ansammelt, als es zur Deckung seines unmittelbaren Bedarfs braucht, bietet sich die Einrichtung eines Sovereign Fund zur Verwaltung dieser „Extra-Ressourcen“ an. Rund zwei Drittel der SWFs wurden von Ländern eingerichtet, die dank ihres Rohstoffreichtums über erhebliche Einkommensströme verfügen, hauptsächlich in Form von Petrodollar. Das übrige Drittel wurde von Ländern eingerichtet, die mehr Güter und Dienstleistungen exportieren als importieren und daher über Handelsbilanzüberschüsse und rasch wachsende Devisenvorräte verfügen. Dies gilt vor allem für China.
Aber im Gegensatz zu den offiziellen Devisenreserven investieren die SWFs nicht nur in Staatsanleihen, sondern auch in Aktien und Alternative Investments. In letzter Zeit sorgen die SWFs mit ihrem enormen Kapital in den USA und Europa für Unruhe. Pläne zur Übernahme infrastruktureller Vermögenswerte wie z. B. US-amerikanische Häfen sowie Beteiligungen an internationalen Banken in den USA und Europa lösen Besorgnis aus. Seit Anfang 2007 haben SWFs über 60 Milliarden Dollar in westliche Finanzinstitutionen investiert, davon fast die Hälfte im ersten Quartal dieses Jahres.
Der Einfluss der SWFs auf die globalen Finanzmärkte wird in den kommenden Jahren noch zunehmen. Da das Vermögenswachstum vor allem in den Ölförderländern stattfinden wird, die im Übrigen keine Schulden haben und es sich daher leisten können, in risikoreichere Vermögenswerte zu investieren, dürfte die Nachfrage auf den Aktienmärkten in Zukunft entscheidend von SWFs mitbestimmt werden. Zur Veranschaulichung: Wenn die SWFs an ihrer gegenwärtigen Anlagepolitik festhielten und weiterhin über 40 Prozent ihrer Investments auf Aktien entfielen, könnten sie über die nächsten vier Jahre nahezu 10 Prozent des globalen Aktienmarktes aufkaufen. Bedauerlicherweise ist die Anlagepolitik dieser Fonds häufig ein Buch mit sieben Siegeln. Als Gruppe werden die SWFs eine zu hohe Konzentration auf einen bestimmten Sektor bzw. ein bestimmtes Land vermeiden wollen, um nicht die Aufmerksamkeit von Politikern und Aufsichtsbehörden zu erregen. Der Schritt zum Protektionismus ist da nicht weit, jedenfalls was strategisch wichtige Vermögenswerte betrifft.
Ein Teil des SWF-Vermögens wird an externe Asset-Manager ausgelagert und in stark diversifizierte Portfolios investiert werden. Ein weiterer Teil wird direkt investiert werden, indem SWFs Minderheitsbeteiligungen an Großunternehmen übernehmen. Welche Sektoren werden sie bevorzugen? Ihre jüngsten Investments in Banken waren wohl weniger Teil eines groß angelegten strategischen Plans als vielmehr die opportunistische Nutzung sich bietender Chancen. Längerfristig dürften die SWFs auf Markennamen im Konsumgüterbereich, Versorger, Erzeuger knapper Rohstoffe und große Namen bei Infrastruktur und High-Tech setzen. Größere Übernahmen durch SWFs würden aller Wahrscheinlichkeit nach die Aktienkurse eines gesamten Marktsegments massiv beeinflussen und wären daher ein weiterer Faktor, der bei der Sektorenallokation zu berücksichtigen ist. Eines ist jedenfalls klar: Die Investmentmaßnahmen der Staatsfonds zu ignorieren, ist keine Option.
Autor: Ad van Tiggelen, Senior Strategist bei ING Investment Management
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