Analyse
08:19 Uhr, 01.10.2015

Pawlowsche Konditionierung: Wie die Fed mit Anlegern spielt

Wir alle kennen den pawlowschen Hund – er bezieht sich auf das erste empirische Experiment des russischen Forschers Iwan Petrowitsch Pawlow zum Nachweis der klassischen Konditionierung.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Kursstand: 9.660,44 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500
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  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 9.660,44 Punkte (XETRA)
  • S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 1.920,03 Punkte (Chicago Mercantile Exchange)

Pawlow hatte im Verlauf seiner mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Experimente zum Zusammenhang von Speichelfluss und Verdauung beobachtet, dass bei Zwingerhunden schon die Schritte des Besitzers Speichelfluss auslösten, obwohl noch gar kein Futter in Sicht war. PIMCO, der weltgrößte Anleihefonds, erkennt eine ähnliche pawlowsche Konditionierung bei den Anlegern hinsichtlich der Zinswende in den USA. Anleger würden seit gut einem Jahr immer schon in Erwartung eines möglicherweise bald anstehenden Zinsschrittes der US-Notenbank handeln, dabei sei die Wahrscheinlichkeit für eine echte Zinswende gering. PIMCO weist darauf hin, bei einer Konferenz Ben Bernanke eingeladen zu haben, und der ehemalige Präsident der US-Notenbank hätte in einer Podiumsdiskussion in dieser Veranstaltung darauf hingewiesen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg keiner einzigen Zentralbank gelungen sei, die Zone von Nullzinsen wieder nachhaltig zu verlassen. Die US-Notenbank habe jedes Mal lediglich Phantom-Zinserhöhungen durchgeführt, keine echten, nur vorgetäuschte, das habe allerdings echte Auswirkungen auf China, auf die Aktienmarktentwicklung, die Rohstoffpreise, auf die Trends beim US-Dollar, auf die Volatilität.

Hinsichtlich dieser - der Volatilität - stellt Goldman Sachs einen neuen Normalzustand fest: Während der Ära der geldpolitischen Lockerung der US-Notenbank sei quasi gar keine Volatilität vorhanden gewesen. Die Märkte seien sozusagen in den Schlaf gesungen worden. Nun, da das QE-Programm der US-Notenbank beendet wurde, pendle sich der VIX, der Volatilitätsmesser des S&P 500 Index für amerikanische Standardaktien, auf einem neuen Niveau ein, das zwischen dem in Rezessionen gewohnten Niveau von 26 auf der Oberseite und 18 auf der Unterseite pendle. Derzeit notiere der VIX bei 22 und damit ungefähr in der Mitte dieser Spanne.

PIMCO ist allerdings der Meinung, dass die wachsende Verunsicherung der Märkte auch Chancen bieten kann. Die Märkte könnten einbrechen, wenn sie beginnen, an der Wirksamkeit der geldpolitischen Methoden der Zentralbanken zu zweifeln, oder auch dann, sollten die geldpolitischen Schrauben langsam fester gedreht werden. Daher empfiehlt PIMCO Anlegern hohe Barbestände, um im Notfall bei Schnäppchen zugreifen zu können.

Dass die Auswirkungen der Phantom-Zinsschritte der US-Notenbank sehr real sind attestiert Christine Largarde, die Chefin des IWF, der Weltwirtschaft. In dem Ausblick für die Weltwirtschaft, dem der IWF kommende Woche veröffentlichen wird, wird der Fonds für dieses Jahr ein schwächeres Wachstum als 2014 prognostizieren, und nur noch eine sehr geringe Zunahme des Wachstums für 2016. Lagarde redete bei einer Präsentation gestern erneut auf die US-Notenbank ein. Sie sagte, wir sehen keine Bewegung an der Inflationsfront, und keine auf der Lohnebene. Wenn die Daten bis Dezember keine klaren Signale setzen würden, dann dürfe es auch keine Zinsanhebung im Dezember geben, forderte Lagarde, die alle Wachstumsbemühungen der vergangenen Jahre in Afrika, Lateinamerika und Asien durch das Verhalten der US-Notenbank leichtfertig aufs Spiel gesetzt sieht.

Carl Icahn, der Milliardär und Hedgefonds-Investor, rät Anlegern ebenfalls dazu, hohe Barbestände aufzubauen, wenn man 1 % auf seine Barbestände verdiene, dann sei das immer noch besser als 30 % bei Aktien zu verlieren, sagte der Apple-Großaktionär, der es sich nach eigenen Angaben ernsthaft überlege, noch größere Aktienpakete des iPhone-Herstellers zu erwerben. Sein Einstieg in den Energie- und Kupferkonzern FreePort bezeichnete er als goldene Chance, warnte Anleger aber, es ihm gleichzutun. Es könne wohl sein, dass die Aktien noch tiefer gehen würden.

Noch tiefer? Da gibt es die Londoner Beratungsgesellschaft Evercore ISI, die regelmäßige Umfragen zum Geschäftsklima in den Vereinigten Staaten durchführt. Sie hat ermittelt, dass der für Logistik und Lkw erstellte Trucking-Umfrage-Wert im September um 1,3 auf 51 Punkte von 65,4 Punkten im Hoch des vergangenen Jahres gesunken sei. Der Dienstleistungs-Wert seit unter 50 gesunken. Evercore warnt, dass man sich bald über eine Rezession in den Vereinigten Staaten Sorgen machen müsse, sollte diese Serie aus Rückgängen nicht bald enden. Und wenn es um das R-Wort, also eine mögliche Rezession in den Staaten geht, dann darf man die sechs regelmäßig zur Geschäftsaktivität in den USA erstellten Umfragen der loklalen Fed-Bezirke nicht vergessen. Diese Umfragen werden regelmäßig von den Zentralbanken etwa aus dem Bezirk Richmond, Philadelphia oder New York erstellt. Alle Umfragen, meine Damen und Herren, ergeben mittlerweile negative Werte, deuten also auf eine echte Abschwächung der Geschäftsaktivität hin. Sollte es eine Rezession geben, warnt Evercore, dann wäre es für den S&P 500 Index normal, wenn er um 31 % sinken würde. 31 % sei der Durchschnittswert für Korrekturen des Index innerhalb einer Rezession, wohingegen eine Korrektur in Phasen, in der die Wirtschaft expandiert, bei -15 % vorüber sei. Konkret bedeutet das für den S&P 500: Er könnte seine Korrektur ungefähr schon abgeschlossen haben, wenn die US-Wirtschaft weiter wächst. Vom Hoch zum Tief ist er 12,5 % gesunken. Der Morning-Star gestern deutet auf einen kleinen zaghaften Versuch einer Bodenbildung hin, das ist bullisch. Sollte sich die Rezession bestätigen, könnte es aber noch einmal gut 20 % weiter runter gehen. Das wäre das Risiko eines Long-Trades für jeden, der ihn an dieser interessanten Chartmarke erwägt.

S&P 500 Index: Ein zaghafter Versuch einer Bodenbildung
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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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