Kommentar
12:57 Uhr, 05.06.2007

Panikverkäufe an Börse Shanghai – Wie reagiert der Yen?

Die chinesische Börse verbuchte am Montag erneut starke Kursverluste. Am wichtigsten Handelsplatz in Shanghai verlor der Leitindex über 8,0%. Am Dienstag ging es weiter abwärts. Unter den rund 50 Millionen chinesischen Kleinanlegern mache sich Verkaufspanik breit, hieß es. Zuvor hatte der Shanghai Composite Index mehr als 330 Punkte eingebüßt und damit den größten Tagesverlust seit 10 Jahren hinnehmen müssen. Seit seinem Hoch in der vergangen Woche hat das Börsenbarometer etwa 16,0% verloren. Ende Februar waren die Kurse in Shanghai bereits einmal abgestürzt. Damals folgte eine Art Kettenreaktion an den Börsen rund um den Globus mit massiven Auswirkungen auf dem Devisenmarkt. Die defensiven und zuvor vor allem von Carry-Tradern heftig verkauften Valuten Japans und der Schweiz wurden wieder eingedeckt und drehten steil gen Norden. Demgegenüber unter massivem Abgabedruck standen die Hochzinswährungen wie der Austral- oder Neuseeland-Dollar. Der chinesische Yuan (CNY) zeigte sich relativ robust – ebenso dieses Mal. Nach kurzer Schwäche ging es zum US-Dollar wieder aufwärts.

Was war der Auslöser für die Kursverluste? Um zusätzlicher Spekulation an einer ohnehin überhitzten Börse vorzubeugen, verdreifachte China die Stempelsteuer auf Aktiengeschäfte von 0,1% auf 0,3% je Anteilsschein. Dies spült schätzungsweise bis zu 40 Milliarden USD pro Jahr zusätzlich in die Regierungskasse. Voraussetzung für einen Geldsegen in dieser Höhe ist, dass das Handelsvolumen an der Börse entsprechend hoch bleibt. Die Umsätze an den Handelsplätzen in Shanghai und Shenzhen haben sich in diesem Jahr dramatisch ausgeweitet. Ebenfalls dämpfend auf den boomenden Aktienmarkt sollte sich auswirken, dass die chinesische Zentralbank seit dem 21. Mai die tägliche Handelsspanne, in der der Yuan gegenüber dem US-Dollar schwanken darf, von 0,3% auf 0,5% angehoben hat. Damit macht China den Weg frei für eine schnellere Aufwertung des Yuan. US-Finanzminister Henry Paulson, aber auch die Wirtschaftsminister der Eurozone hatten immer wieder eine stärkere Flexibilisierung der chinesischen Valuta gefordert.

Zugleich erhöhte Chinas Notenbank (PBoC) die Leitzinsen. So wurde der einjährige Ausleihesatz um 18 Basispunkte auf 6,57% angehoben, während der entsprechende Einlagensatz um 27 Basispunkte auf 3,06% kletterte. Die PBoC betonte, damit die anhaltende Dynamik des Kredit- und Investitionswachstums bremsen und zugleich die künftige Preisstabilität sicherstellen zu wollen. Auch diese Zinsanhebungen sind ein Warnsignal an den zu Übertreibungen neigenden chinesischen Aktienmarkt. Bei der Ausweitung der Yuan-Handelsspanne gegenüber dem US-Dollar scheint es sich jedoch eher um eine chinesische Geste des guten Willens als um den Durchbruch zu einer deutlichen CNY-Aufwertung zu handeln. Dafür spricht schon der Zeitpunkt der Bekanntgabe wenige Tage vor Beginn des Wirtschaftsdialogs zwischen den USA und China in Washington. Auch jetzt liegt die erlaubte Schwankungsbreite von USD/CNY mit aktuell 0,5% erheblich unter den 3,0%, die der Yuan gegenüber anderen Währungen wie dem Euro, dem Yen oder dem britischen Pfund schwanken darf.

Zudem zeigt ein Blick auf die Kursentwicklung von USD/CNY seit der ersten Revaluierung des Yuan im Juli 2005, dass für eine schnellere Aufwertung der Währung gar keine Ausweitung der derzeitigen Handelsspanne erforderlich ist. Seit diesem Zeitpunkt hat der chinesische Yuan gegenüber dem US-Dollar zwar um 7,5% an Wert gewonnen, dabei aber in weit über 90% der Fälle nur eine Tagesschwankung von etwa 0,1% verzeichnet. Wollte die chinesische Notenbank eine schnellere Aufwertung des Yuan zulassen, würde es deshalb vollkommen ausreichen, die bestehende Handelsspanne erst einmal auszuschöpfen. Wu Xiaoling, Vizegouverneurin der PBoC, betonte trotzdem, die laufenden Wirtschaftsreformen würden darauf abzielen, den Yuan stärker zu flexibilisieren. Man werde darauf hinarbeiten, dass sich die Währung künftig stärker im Einklang mit der Marktentwicklung bewege, sagte Wu jüngst in Brüssel.

Daher ist mit einer Beschleunigung des Kursanstiegs des Yuan zu rechnen, was USD/CNY von Kursen in der 7,65er-Region bis zum Jahresende zumindest auf die 7,50er-Marke zurückfallen lassen dürfte. Die Hauptmotivation der chinesischen Offiziellen, eine verstärkte Aufwertung der heimischen Valuta zu akzeptieren, ist dabei aber keinesfalls der Willen, der US-Regierung einen Gefallen zu tun oder deren Forderungen nachzugeben. Denn nachdem die inländische Konjunktur weiter keinerlei Abkühlungstendenzen zeigt und mit einem BIP-Plus von 11,1% im ersten Quartal erneut an Dynamik gewonnen hat, dient ein stärkerer Yuan vornehmlich dazu, einer Überhitzung der chinesischen Wirtschaft entgegenzusteuern. Neben einem dämpfenden Effekt auf die Exportindustrie dürften die Kursgewinne des Yuan auch eine Abmilderung des Anstiegs der Verbraucherpreise zur Folge haben, der sich zuletzt deutlich auf 3,3% beschleunigt hat. China handelt also überwiegend aus binnenwirtschaftlichen Gründen und letztlich im Eigeninteresse in punkto Yuan-Aufwertung.

Fazit: Dass die Börsen weltweit bislang nahezu gar nicht auf den Mini-Crash in China reagiert haben, ist darauf zurückzuführen, dass nur die A-Aktien (werden ausschließlich von Chinesen gehandelt) von der Erhöhung der Stempelsteuer betroffen sind. Die ausländischen Investoren blieben bislang verschont. Das G8-Treffen in Heiligendamm sollte neben den unrühmlichen Ausschreitungen im Vorfeld keine Überraschungen im Hinblick auf den Yuan bringen, denn China sitzt nicht am Tisch. Falls die USA aufgrund ihres enormen Handelsbilanzdefizits auf die Notwendigkeit einer Yuan-Aufwertung hinweisen würden, wäre dies kalter Kaffee. Japans Valuta dürfte hingegen beim Ausbleiben eines expliziten Hinweises auf die Unangemessenheit der Yen-Schwäche verlieren. Ende Februar war es hier zu einer deutlichen Erholung auch im Zuge der Warnung von Notenbankern wie EZB-Chef Jean-Claude Trichet vor „einseitigen Wetten“ gekommen. Der US-Dollar könnte von ähnlichen Äußerungen ebenfalls profitieren, hat er sich bei kleineren Krisen doch zuletzt robust gezeigt. Das mag daran liegen, dass US-Investoren in Phasen erhöhter Volatilität und damit Risiko die Gelder zurück in die Heimat transferieren. Beim letzten G8-Treffen in Potsdam hatte sich Japan selbst zufrieden mit dem Yen-Wechselkurs gezeigt und dadurch den Carry-Tradern quasi einen Freibrief für neue Shorts ausgestellt.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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