Kommentar
09:01 Uhr, 16.06.2008

Otto Rehagel und das EM-Aus: Was macht der griechische Aktienmarkt?

Erwähnte Instrumente

Die griechische Börse tut sich 2008 sehr schwer

Mit einem Plus von gut 17 Prozent hat sich der Aktienmarkt in Griechenland im Vorjahr noch passabel aus der Affäre gezogen. Der seit 2003 zu beobachtende Kursaufschwung konnte so um ein weiteres Jahr verlängert werden. Doch in diesem Jahr hat sich der Wind eindeutig gedreht. Der Athex General Index hat seit Ultimo rund 26 Prozent an Wert verloren. Was dabei schmerzt, ist nicht nur der absolute Wertverlust, sondern auch der dadurch gebrochene langfristige charttechnische Aufwärtstrend.
Gründe für das in den vergangenen Monaten schwache Abschneiden finden sich gleich mehrere. Neben der allgemein schwierigen Lage an den Weltbörsen aufgrund der Kreditkrise macht sich beispielsweise die Nähe zu Südosteuropa (das ist auch der Grund, warum wir im OstbörsenReport darüber berichten) anders als früher negativ bemerkbar. Griechische Unternehmen sind stark in der wachstumsstarken Region Südosteuropa aktiv. Aber in politisch schwierigen Zeiten wie der Kosovo-Krise und dem Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei in der Türkei ist das eher ein Nachteil als ein Vorteil.
Unternehmensergebnisse enttäuschten im ersten Quartal
Erklären lässt sich die schwache Kursentwicklung aber auch ganz einfach mit enttäuschenden Unternehmensergebnissen. So hatten die Analysten von National P&K Securities für die ersten drei Monate mit einem durchschnittlichen Gewinnplus von 3,4 Prozent gerechnet. Letztlich sind die Ergebnisse aber um fünf Prozent gefallen. Negative Überraschungen kamen dabei in etwa doppelt so oft vor wie positive Überraschungen. Diese deutliche Planabweichung ist allerdings keine Einladung zum Kauf von griechischen Aktien.

Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis für den Gesamtmarkt von 13,6 auf Basis des von Marfin Analysis für 2008 erwarteten Gewinnplus von 6,1 Prozent ist der Markt aktuell zudem noch nicht günstiger bewertet als etliche Börsen in Westeuropa. Besser gestaltet sich der Bewertungsvergleich erst ab dem kommenden Jahr. Für 2009 beziffern die Analysten von Marfin Analysis das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 10,7. Allerdings setzen sie dabei einen durchschnittlichen Gewinnanstieg von fast 26 Prozent voraus. Und ob sich diese Vorhersage bewahrheitet, sei angesichts der aktuell schwierigen konjunkturellen Rahmendaten dahingestellt.

Auch die Bewertungsrelation Unternehmenswert zum Ebitda ist mit 8,4 und 7,3 nicht unbedingt sehr niedrig. Einladender gestaltet sich die Dividendenrendite. Diese beläuft sich laut Marfin Analysis für 2008 im Schnitt auf immerhin 3,6 Prozent und für 2009 auf 4,2 Prozent.

Trotz der insgesamt eher durchwachsenen Ausgangslage finden sich auf dem Kurszettel in Athen einige spannende Einzelwerte. Zu finden sind diese aber eher im Bereich der Nebenwerte. Dieses Segment hat übrigens mit einem bisherigen Jahresminus von 13,4 Prozent beim FTSE/ATHEX Small Cap Index deutlich besser abgeschnitten als der Index der Standardwerte.

Sprider und Michaniki sind zu sehr unter die Räder gekommen

Nichts gemerkt von der relativ besseren Verfassung der Nebenwerte haben allerdings die Aktien des griechischen Mode-Einzelhändlers Sprider (ISIN: GRS476003009, 3,06 Euro). Der Kurs ist vielmehr zuletzt deutlich zurückgekommen, was mit den Kosten für die Expansion in Südosteuropa zu erklären ist. Doch wenn die jetzt gesäte Saat aufgeht, kann sich der Kurs langfristig vermutlich wieder berappeln.

Zumindest dann, wenn die Schätzungen von Alpha Finance aufgehen. Die Analysten rechnen nach einem deutlichen Gewinnrückgang auf 0,22 Euro je Aktie in diesem Jahr mit wieder deutlich höheren Ergebnissen. So soll der Gewinn je Aktie in den Jahren 2009 bis 2011 von 0,30 über 0,34 auf 0,41 Euro steigen. Gemessen am aktuellen Kurs von 3,06 Euro würde die Bewertung bei Zielerreichung schnell in günstige Relationen hineinwachsen.

Ebenfalls keine richtige Freude mit ihren Aktien hatten in der jüngeren Vergangenheit die Aktionäre des in unserem Musterdepot enthaltenen Bauunternehmens Michaniki (ISIN: GRS153213004, 4,20 Euro). Dabei ist es dem drittgrößten griechischen Bauunternehmen im ersten Quartal gelungen, den Nettogewinn um 45 Prozent auf 13,9 Millionen Euro zu steigern. Der Umsatz stieg gleichzeitig um 16 Prozent auf 54,8 Millionen Euro. Aber offenbar fürchten die Anleger hier mittelfristig noch negative Nachrichten aufgrund der Kreditkrise oder dass sich das Unternehmen mit seinen Aktivitäten im Ausland wie etwa in Russland oder der Ukraine verheben könnte.

Doch selbst wenn kleinere Probleme auftreten sollten, so sind im aktuellen Kurs von 4,20 Euro schon einige negative Meldungen enthalten. Wenn die von Marfin Analysis für 2009 erwarteten Ergebnisse zugrunde gelegt werden, ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von nur 3,1 und ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von lediglich eins. Hinzu kommt eine Dividendenrendite für 2009 von geschätzt mehr als fünf Prozent. Aber solange der griechische Aktienmarkt nicht allgemein wider entdeckt wird, kann es gut sein, dass auch der Aktienkurs von Michaniki vorerst weiter vor sich hinschlummert.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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