Kommentar
10:04 Uhr, 07.03.2025

Ohne Europa wären die USA nichts

Genau genommen wären die USA nicht nichts, aber deutlich weniger. Europa finanziert die USA. Die Summen sind gewaltig und machen bereits mehr als ein Fünftel der US-Wirtschaftsleistung aus.

Die USA stellen sich gerne als Opfer dar. Aktuell sind sie das Opfer des Auslands, welches sie durch Handelsbilanzdefizite über den Tisch zieht. Die Fakten sind natürlich andere. Dennoch klingt es vielen Wählern einleuchtend, wenn man die Defizite als Problem darstellt und dafür einen Sündenbock präsentiert.

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Es klingt nachvollziehbar, weil Defizite quasi definitionsgemäß schlecht sind. Was dabei nicht gesagt wird: Die Defizite werden nicht vom Ausland verursacht, sondern von den USA selbst. Der Sündenbock sind nicht die anderen, nur sucht man die Schuld nicht gerne bei sich selbst.

Defizite haben einen negativen Beigeschmack. Im besten Fall ist der Handel zwischen Ländern ausgeglichen. Exportieren die USA nach Europa und erhalten dafür Euro, die sie in Europa z.B. in Anleihen investieren und Europa für Exporte in die USA Dollar erhält und diese dort in Anleihen investiert, häufen beide Parteien Vermögenswerte im jeweiligen Währungsraum an.

Da die USA seit Langem ein Handelsbilanzdefizit haben, häufen sie mehr Verbindlichkeiten als Vermögenswerte an. Seit 1990 steigen die Verbindlichkeiten systematisch schneller als die Vermögenswerte. In diesem Fall häuft z.B. Europa immer mehr Vermögenswerte in den USA an (Grafik 1).

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Aus den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten (die Verbindlichkeiten der USA sind ihre Defizite, die beim Handelspartner als Vermögenswert auftauchen) ergibt sich die Nettoposition. Diese fällt und fällt und erreicht bald 100 % der US-Wirtschaftsleistung (Grafik 2).

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Die negative Nettoposition bedeutet, dass andere Länder viel Vermögen in den USA halten. Das stört die Politik, weil es eben das Ausland ist, welches US-Assets hält. Die meisten Regionen tragen wenig zum Defizit bei. Selbst ein ganzer Kontinent wie Afrika hält vergleichsweise wenige Vermögenswerte in den USA (Grafik 3).

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Bedeutend sind nur zwei Regionen, Europa und Asien. In Asien ist China der größte Gläubiger der USA, obwohl sich die Position zugunsten der USA verändert hat. Das hat die Position der USA nicht allgemein verbessert. Die Positionen haben sich nur verschoben, zum Teil in andere asiatische Länder wie Vietnam (Grafik 4).

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Wer Handelsbilanzdefizite hat, veräußert notwendigerweise Vermögenswerte, da die Defizite nichts anderes sind wie eine Art Kreditaufnahme. Die USA importieren mehr als sie exportieren, zahlen mit Dollar, die wiederum in US-Anleihen oder Aktien fließen. Bisher war es für die USA ein guter Deal. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass man einem Land so viel Kredit gewährt. Dieser Kredit ermöglicht es den USA, einen ungewöhnlich hohen Lebensstandard zu erhalten.

Soll das Defizit verkleinert werden, hat das Auswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommen. Zölle bewirken dabei wenig, wenn die Staatsausgaben gleichzeitig weiter steigen. Die Nettoposition verändert sich nicht zufällig zusammen mit der Staatsverschuldung. Eine Defizitreduktion beim Staat würde auch die Handelsbilanz reparieren (Grafik 5).

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Ohne die Finanzierung aus Europa und anderen Teilen der Welt wären die USA zwar nicht nichts, aber deutlich kleiner bzw. hätten einen anderen Lebensstandard. Aktuell will die Politik beides, hohe Ausgaben bzw. tiefere Einnahmen durch Steuersenkungen, aber keine Handelsbilanzdefizite und schon gar nicht will sie das Land ärmer machen. Wünschen kann man sich viel, doch wenn es mathematisch unmöglich ist, bleibt es für immer ein Wunsch.

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1 Kommentar

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  • masi123
    masi123

    Mitentscheidend ist sicher, ob das Ausland weiterhin bereit ist, die USA zu finanzieren. Die Frage ist aber, welche Alternativen es gibt. Der Dollar ist mit Abstand die größte Welthandels- und -reservewährung. Außerdem sind die USA der größte Finanzplatz. Welche Länder sollten die gewaltigen Anlagegelder überhaupt aufnehmen können?

    Jahrzehntelange Fehlentwicklungen werden sich nicht kurzfristig korrigieren lassen. Der US-Regierung spielt sicher auch damit, dass die Gläubiger (Europa und China) sich nicht einig sind bzw. die Uneinigkeit (De-Coupling) sogar wächst. Die USA sind die deutlich besseren Strategen; es ist nicht zu erwarten, dass Europa (geeint) zu einer eigenständigen Politik findet.

    10:51 Uhr, 07.03.